Название: Das Echo deiner Frage
Автор: Eva Weissweiler
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Биографии и Мемуары
isbn: 9783455006445
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Seeshaupt blieb dennoch ein verschlafener kleiner Ort, eine Art Marktflecken, der sich um eine Kirche scharte, ein Dorf der Fischer und Bauern, sodass man sich fragt: Wie kamen die Pollaks überhaupt hierher? Und vor allem: warum kamen sie? War MaxPollak, Max vielleicht als Patient in Bad Nauheim gewesen und hatte dort von der Villa gehört, die zu vermieten war? Hatten Berliner Bekannte von Seeshaupt erzählt? Rudolf SchanzerSchanzer, Rudolf vielleicht, der bekannte, aus Wien stammende Textdichter und Journalist,[254] der mit Dora entfernt verwandt gewesen sein könnte, da ihre Tante RosaSchanzer, Rosa (geb. Weiß) mit einem Sali SchanzerSchanzer, Sali verheiratet war?[255] Oder war es die Nähe zu Österreich, die sie lockte, Heimweh nach den Landschaften ihrer Kindheit?
Doch auch in Seeshaupt war der Krieg deutlich spürbar, wenn auch auf völlig andere Weise als in Berlin. Die einzige Zeitung der Region, der Land- und Seebote, brachte »Kriegskochanweisungen« wie Brotsuppe mit Apfelsinensaft, Krautmelange und geröstete Gerstensuppe;[256] er forderte auf, »Deutsch« zu sprechen, etwa »Vater« und »Mutter« anstatt »Mama« und »Papa« zu sagen, was eine unwürdige Anbiederung an die Sprachen der Feinde sei.[257] Frauen und Mädchen wurden davor gewarnt, sich mit Kriegsgefangenen einzulassen, ja auch nur in Briefverkehr mit ihnen zu treten, weil sie sonst mit hohen Gefängnisstrafen zu rechnen hätten.[258] Obwohl man mitten auf dem Land zwischen Äckern, Obstgärten und Weiden lebte, wurden die Nahrungsmittel streng rationiert: keine Eierspeisen in öffentlichen Gaststätten, nur ein Pfund Kartoffeln pro Person und Woche, keine Brotkarten für Zugereiste.
Trotzdem scheint es den Pollaks nicht schlecht gegangen zu sein. Von Hunger und karger Kost ist jedenfalls nirgends die Rede. Dora hatte einen ausgeprägten Sinn fürs Praktische, der ihr noch oft im Leben behilflich sein würde. Hier fand sie Gelegenheit, ihn anzuwenden, in Verhandlungen auf dem Schwarzmarkt oder mit Bauern und Kaufleuten. Dabei war es sicher von Vorteil, dass sie erkennbar keine »Preußin«, sondern Österreicherin war und außerdem noch angenehm aussah. Gut möglich, dass sie selbst zum Kochlöffel griff und die »Kriegskochanweisungen« praktisch umsetzte, denn Kochen machte ihr Spaß und sollte eines Tages zur Leidenschaft, ja zum Beruf werden. Jedenfalls würde sie Seeshaupt immer in guter, ja nahezu verklärter Erinnerung behalten.
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