Das Primat des Körperlichen im Gesundheitssystem. Helmut Wilde
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Название: Das Primat des Körperlichen im Gesundheitssystem

Автор: Helmut Wilde

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Отраслевые издания

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isbn: 9783347163621

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СКАЧАТЬ und unsere „Handlungen auf ein Ziel (telos, finis) gerichtet“ (Falkenburg 2012, S.40-41).

      Die „Zweckursachen, die Vorgänge teleologisch oder als zielgerichtet erklären“ seien jedoch unwissenschaftlich, jedoch präsent, wenn Wissenschaftler menschliches Verhalten erklären wollen und die Gründe (Warum-Frage) in Erfahrung bringen wollen. Diese Zweckgerichtet sei jedoch nicht so augenscheinlich, da man darauf entfallende Antworten mit Ursachen gleichsetze.

      Die Biologie, die Evolutionsbiologie, die Epigenetik und die Hirnforschung könne sich nicht völlig freimachen von „teleologischen Erklärungen“. Sie nutze diese, wenn sie „funktionale Erklärungen“ gebe. In der Anatomie werden funktionelle Beschreibungen bei Organen gegeben: Eine Hand sei so gebaut, dass sie mit hoher Präzision und beachtlicher Feinmotorik greifen könne. In der Hirnforschung finde sich eine funktionelle Beschreibung, wenn „kognitive Funktionen“ Hirnarealen zugeschrieben werden: Das Gehirn sei so gebaut, dass seine Areale bestimmte kognitive Funktionen ausüben würden, z.B. „das Broca-Areal die Sprachartikulation, das Wernicke-Areal das Sprachverstehen, der Frontallappen die moralische Urteilsfähigkeit“.

      Auch die Hirnforschung begebe sich damit in die „Grauzone zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und teleologischem Denken“ (Falkenburg 2012, S.290ff).

      Literatur:

      Falkenburg, Brigitte (2012): Mythos Determinismus. – Wieviel erklärt uns die Hirnforschung?

      3.2 Kausalität in den Neurowissenschaften

      Kausale Erklärungen der Hirnforschung suchen nach „neuronalen Mechanismen“, die aufgrund der Komplexität des Gehirns über mehrere Ebenen, sogenannte „Multi-Level-Organisationen“ erfolgen, um Wirkmechanismen (causa efficiens) in Erfahrung zu bringen. (Falkenburg 2012, S.295ff).

      Abb. 1: Ebenen der Erklärung in den kognitiven Neurowissenschaften

      3.3 Kausalität von Organismen

      Dem einfachen Verständnis von Kausalität, nach dem auf eine Ursache A die Wirkung B folge, werde um der „besonderen Kausalität lebendiger Organismen“ gerecht zu werden, in Anlehnung an „synergetische Modelle (Haken, an der Heiden) die „zirkuläre Kausalität von Organismus und Umwelt“ gegenüber gestellt (Fuchs 2017, S. 121).

      Dabei ließen sich zwei Formen (vgl. Abb. 2) voneinander unterscheiden. Die Beziehung zur Umwelt lasse sich als „horizontale zirkuläre Kausalität“ beschreiben, dass „Verhältnis der hierarchischen Ebenen innerhalb des Organismus zueinander als vertikale zirkuläre Kausalität“ (Fuchs 2017, S.132).

      Die „vertikale Ordnung lebendiger Systeme“ lasse sich als eine Hierarchie von Organismus, Organen, Zellen und der „elementaren oder Mikroebene von materiellen Bestandteilen (Makromoleküle, Atome)“ beschreiben (S.121). Zwischen diesen Ebenen bestehe jeweils die „Wechselwirkung von Ganzen und Teilen. … Der Organismus als ganzer und seine Komponenten (Organe, Zellen usf.) bringen einander in einem fortwährenden Reproduktionsprozess wechselseitig hervor. … Das Ganze weise den Teilen bestimmte Funktionen (S.122) zu, die ihrer Eigentätigkeit gewisse Restriktionen auferlegt. Um etwa eine koordinierte Bewegung wie das Gehen zu ermöglichen, müssen verschiedene Muskeln in bestimmter, d.h. relativ eingeschränkter Weise zusammenwirken, z.B. als Agonisten und Antagonisten (v. Uexküll & Wesiack). Andere Funktionen kommen dadurch zustande, dass das Milieu und die Struktur des Organismus bestimmte Abläufe von Elementarprozessen wahrscheinlicher mache oder begünstigen, insbesondere bei grundsätzlich chaotischen Prozessen, wie sie etwa (S.122) das Immunsystem oder auch das neuronale System charakterisieren. Der strukturierende Einfluss, den ein lebendiges System auf seine Teile ausübe, lasse sich als formierende oder auch abwärts-Kausalität (top-down-Kausalität) bezeichnen“ (Fuchs 2017, S.121-122).

      Das lebendige Ganze mache sich somit nicht durch unmittelbare Einwirkung (Anmerkung: i. S. der causa efficiens), sondern nur „einschränkend, ordnend oder mittelbar“ (Anmerkung: i. S. der causa formalis und causa materialis) in seinen Teilen geltend. Dem Fehlen einer Zentralsteuerung (Anmerkung: die dem Gehirn im Allgemeinen zugeschrieben wird) entspreche die autonome Natur und zugleich hochgradige Vernetzung (Anmerkung: Systemtheoretisch gesehen wohl auch im Sinne ihrer Selbstorganisation) der Untereinheiten (Anmerkung: Komponenten, Teile, Teilprozesse). Gerade durch ihre dezentrale miteinander verkoppelte Tätigkeit erfüllen sie ihre Funktionen und tragen zum Leben des Organismus insgesamt bei. Die Teile und Teilprozesse haben somit Auswirkungen auf die Erhaltung und Funktion des Gesamtsystems, die als aufwärts-Kausalität (bottom-up-Kausalität) benannt werden können“. Aus der Verbindung beider Kausalbeziehungen zu Regelkreisen resultiert nun eine vertikale zirkuläre Kausalität im Verhältnis zwischen dem Ganzen und den Teilen bzw. zwischen den hierarchisch geordneten Ebenen des Systems“ (Fuchs & an der Heiden) (Fuchs 2017, S.124).

      Mit dieser Konzeption von Ganzen und Teilen werde die aristotelische Form-Stoff-Beziehung (causa formalis und causa materialis) systemtheoretisch reformuliert (Fuchs 2017, S.124).

      Folgende Beispiele sollen das Zusammenwirken der beiden Kausalitäten veranschaulichen (Fuchs 2017, S.124-125):

      „So führen Schmerzreize aus der Peripherie durch zentrale Verarbeitung im Gehirn zur Schmerzempfindung (Anmerkung: aufwärts), doch die Gesamtlage von Aufmerksamkeit und Affekt entscheide darüber, ob der Reiz als Schmerzempfindung zugelassen oder aber durch absteigende, hemmende Bahnen unterdrückt“ werde (Fuchs 2017, S.125).

      Ein „emotionaler Zustand“ könne einerseits pharmakologisch, also über direkte „chemische Beeinflussung des Transmitter-Stoffwechsels im Gehirn“ verändert werden (aufwärts) andererseits auch psychotherapeutisch, also durch eine „veränderte Wahrnehmung der persönlichen Situation“ (abwärts) (Fuchs 2017, S.125).

      Das Gehirn fungiere dabei als ein „Transformator für vertikale zirkuläre Kausalität“, indem es also „hochstufige (z.B. intentionale, bedeutungshafte) Makro-Zustände (z.B. Angst) und niederstufige (z.B. neurochemische) Mikro-Zustände des Organismus ineinander umwandelt und jeweils für die andere hierarchische Ebene wirksam werden“ lasse (Fuchs 2017, S.125).

      Die „horizontale zirkuläre Kausalität“ ergebe sich für Lebewesen aufgrund von „vielfältigen Rückkoppelungseffekten innerhalb des Organismus (Wechselwirkungen zwischen Zellen oder Organen, Homöosthase des Organismus, Wahrnehmung, Bewegung und Umgebung), die nicht hierarchisch zwischen verschiedenen Ebenen, sondern auf einer Ebene ablaufen“, … die zudem stets mit „rückgekoppelten Beziehungen“ des Organismus und wechselnden Umweltbedingen und darüber hinausgehend jeweils vertikal (formierende) Prozessen verknüpft seien (Fuchs 2017, S.125-126).

      Auch hier fungiere „das Gehirn wiederrum als Umwandlungsorgan oder Transformator zwischen den rückgekoppelten“ Prozessen (Fuchs 2017, S.126).

      Abb. 2 Vertikale und horizontale Kausalität (Fuchs 2017, S.123)

      Literatur:

      Fuchs, Thomas (20175): Das Gehirn – ein Beziehungsorgan. Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption.

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