Das Primat des Körperlichen im Gesundheitssystem. Helmut Wilde
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Название: Das Primat des Körperlichen im Gesundheitssystem

Автор: Helmut Wilde

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Отраслевые издания

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isbn: 9783347163621

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СКАЧАТЬ Abschluss noch eine „Anekdote“: Ein Assistenzarzt im Krankenhaus erfand nach der OP, vermutlich aus den soeben genannten Gründen einen Bluthochdruck, der so beeindruckend und eineindeutig durch Messwerte auf der Intensivstation begründet gewesen sein sollte, dass er mir eine diesbezügliche Diagnose stellte. Ich hatte jedoch in den vergangenen Jahren lange Messreihen über den Blutdruck vorliegen. Daher wusste ich und teilte dies dem Arzt mit, dass ich eher eine Hypotonie anstelle einer Hypertonie habe. Der Assistenzarzt sah dies seinerzeit als Infragestellung seiner ärztlichen Fähigkeiten. Damals bin ich nicht darauf eingegangen und habe eher beschwichtigt. Heute möchte ich sagen, ja es war eine Infragestellung, die berechtigt gewesen ist.

      Literatur:

      Egger, Josef W. (2017): Theorie und Praxis der biopsychosozialen Medizin. - Körper-Seele-Einheit und sprechende Medizin.

      Herrmann-Lingen, Christoph & Albus, Christian (20142): Psychokardiologie. - Ein Praxisleitfaden für Ärzte und Psychologen (Neuauflage vorhanden).

      Rüegg, Johann Caspar (2012): Die Herz-Hirn-Connection. - Wie Emotionen, Denken und Stress unser Herz beeinflussen.

      2. Historische Begrenzung auf den Körper

      In der Zeit der frühen Entwicklung der Naturwissenschaften wird der im 17-ten Jahrhundert lebende René Descartes (Mathematiker und Philosoph) genannt, nach dem „Geist und Materie (Anm.: Körper, Gehirn) nicht nur radikal verschieden, sondern auch strikt getrennt sind und grundsätzlich unabhängig voneinander existieren können“. Der Geist („res cogitans“) sei von „unserer physischen Existenz unabhängig“, nicht materiell, eine unteilbare Einheit, der Körper („res extensa“) hingegen beliebig teilbar (Falkenburg 2012 S.9, S.35).

      Antonio R. Damasio, Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie und Leiter des Brain and Creativity Institute der Universität von Südkalifornien, geht davon aus, dass Descartes in vielerlei Hinsicht auf die weitere Entwicklung Einfluss genommen hat.

      So liegt die „Vorstellung eines körperlosen Geistes möglicherweise auch der Auffassung jener Neurowissenschaftler zugrunde, die behaupten, Geist lasse sich ausschließlich durch Gehirnereignisse erklären, sodass man den Rest des Organismus sowie die physische und soziale Umwelt getrost ausklammern könne - einschließlich des Umstands, dass ein Teil der Umwelt das Ereignis vorausgehender Handlungen des Organismus ist“ (Damasio 2004, S.295).

      „Die Vorstellung von einem körperlosen Geist scheint auch … die westliche Medizin (beeinflusst zu haben), infolgedessen die psychischen Folgen von Erkrankungen des Körpers … und die körperlichen Auswirkungen psychischer Konflikte“, vernachlässigt werden (Damasio 2004, S.295).

      „Da der Geist in einem Gehirn entsteht, das mit dem Organismus eine Einheit bildet, ist der Geist Teil eines stark vernetzten Apparates. Mit anderen Worten: Körper, Gehirn und Geist sind Manifestationen eines einzigen Organismus. Zwar können sie zu wissenschaftlichen Zwecken unter dem Mikroskop sezieren, doch unter normalen Bedingungen sind sie praktisch untrennbar“ Damasio 2018, S.227).

      Weiterhin geht Damasio davon aus, dass „verschiedene Spielarten des cartesianischen Irrtums uns den Blick auf die Wurzeln des menschlichen Geistes in einem biologisch komplexen, aber anfälligen, endlichen und singulären Organismus“ (295) verstellen. Für ein umfassendes Verständnis des menschlichen Geistes sei zum einen „eine organische Perspektive erforderlich“, die den Geist „aus einem körperlosen Cogitum in das Reich von Körpergeweben verlegt“ zum anderen „zu einem Ganzen Organismus“ in Beziehung setzt, der aus den „vielfältig miteinander verflochtenen Teilen des Körpers im engeren Sinn und des Gehirns besteht und der mit einer physischen und sozialen Umwelt interagiert“ (Damasio 2004, S.296).

      Mit zwei Zitaten möchte ich hervorheben, dass Antonio Damasio vermutlich davon ausgeht, dass der Geist sich nicht vollständig im Materiellen wieder spiegelt:

      „Die Feststellung, dass der Geist aus dem Gehirn erwächst, ist unbestreitbar, doch würde ich diese Aussage gerne noch ergänzen und nach den Gründen fragen, warum sich die Hirnneuronen so vernünftig verhalten“. … Der wahrhaft verkörperte Geist, den ich im Sinn habe“, gibt „keineswegs seine höchsten Funktionsebenen preis, jene Ebenen, die wir unter dem Begriff Seele zusammenfassen. Aus meiner Sicht sind Seele und Geist, in ihrer ganzen Würde und mit allen ihren menschlichen Dimensionen, komplexe und singuläre Zustände (Anmerkung: Entitäten) eines Organismus“ (Damasio 2004, S.295-296).

      Es bleibt allerdings etwas wage, woran er dabei denkt. Ein möglicher Hinweis ergibt sich durch das Adjektiv „verkörpert“.

      Der Begriff „Verkörperung“ ist ein Sammelbegriff für Texte, die dem Körper eine besondere Bedeutung für das Denken, die Wahrnehmung, das Bewusstsein und unser gesamtes In-der-Welt-sein spielt“, zukommen lassen (Fingerhut et al. 2017, S.7).

      Diese gehen meiner Einschätzung zufolge von einer Interaktion von Geist, Körper (Gehirn), den Lebensumständen (Umwelt) und den sozialen Beziehungen zwischen Menschen aus, die untrennbar (und hochkomplex) miteinander verbunden sind.

      Hans Jürgen Scheurle hingegen geht zum einen davon aus, das der Körper-Geist-Dualismus nicht existiert und zum anderen das dieser „durch ein den empirischen Forschungsergebnissen entsprechendes Konzept der Resonanz zwischen Gehirn, Organismus und Umwelt abgelöst“ werde (Scheurle 2016, S.13, 99).

      Literatur:

      Fingerhut, Joerg; Hufendiek, Rebekka & Wild, Markus (Hrsg.) (20172): Philosophie der Verkörperung. - Grundlagentexte zu einer aktuellen Debatte.

      Damasio, Antonio R. (20189): Der Spinoza-Effekt. - Wie Gefühle unser Leben bestimmen.

      Damasio, Antonio R. (2004): Descartes‘ Irrtum. - Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. Deutsche Ausgabe (gleicher Titel als ebook in der Ausgabe 2014).

      Falkenburg, Brigitte (2012): Mythos Determinismus. – Wieviel erklärt uns die Hirnforschung?

      Scheurle, Hans Jürgen (20162): Das Gehirn ist nicht einsam: Resonanzen zwischen Gehirn, Leib und Umwelt.

      3. Kausalität

      3.1 Kausalität in der Philosophie des Geistes

      Voraus zu schicken ist, dass es bis heute weder in der Philosophie noch in den Naturwissenschaften, insbesondere in der Physik, kein einheitliches Verständnis von Kausalität gebe. Im Allgemeinen gehe man davon aus, dass auf eine Ursache eine Wirkung folge, ein Ereignis A eine Wirkung B hervorrufe (Falkenburg 2012, S.53, 270, 319).

      Das „neuzeitliche, aufgeklärte Denken“ unterstelle, dass Ursache und Wirkung auf natürliche Weise miteinander verbunden seien, also aufgrund eines „regelhaften oder gesetzmäßigen Naturprozesses“. „Seit dem Sieg der Physik Galileis und Newton über das aristotelische Weltbild“ beschränken sich die Naturwissenschaften auf „Wirkursachen“ (Falkenburg 2012, S.270).

      Die „Wissenschaftstheorie“ habe viel Mühe „darauf verwendet, wissenschaftliche Erklärungen … zu katalogisieren. Sie unterscheidet „Deduktiv-nomologische Erklärungen“, die auf Gesetzen und … „probabilistische Erklärungen“, die auf Wahrscheinlichkeitsaussagen beruhen, sowie „Mechanistische Erklärungen“, die unterschiedliche Gesetzmäßigkeiten kombinieren, „um komplexe Systeme zu beschreiben und ihre zeitliche Entwicklung zu erklären“ (Falkenburg 2012, S.284ff).

      Aristoteles hingegen orientierte sich bei seiner „Vier-Ursachen-Lehre“ an „menschlichen Handlungen“. Er unterschied Wirkursachen („causa efficiens“), Formur- („causa СКАЧАТЬ