Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus. Jürgen Dittberner
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СКАЧАТЬ Stolp anderntags im Rathaus beim Schulamt; dort war auch die Miete zu begleichen.

      Vorher hatten die Stolps ihnen notwendig erscheinende Informationen bei Urlaubern eingeholt, die schon ein paar Tage vor ihnen gekommen waren und nun als Experten galten. Dazu saßen alle in dem ehemaligen Hausmeisterzimmer, das zum „Gemeinschaftsraum“ umfunktioniert war. Dort befanden sich auch Gläser für Saft, Wasser, Wein, Bier oder Schnaps, und manche „becherten“ nicht unerheblich. Badestellen und -zeiten wurden erkundet, Tipps für Ausflugsziele herumgereicht, und auch, wo der günstigste und nächstgelegene Einkaufsladen war, wurde hier mitgeteilt.

      Silke und Andor fanden die anderen Urlauber sehr nett, nur zwei ältere Ehepaare saßen für sich und schienen aus der Reihe zu tanzen. Während die „Alten“ so dasaßen und den Abend genossen, tobten die Kinder in den Etagenbetten, stritten um ihre Schlafplätze: „Oben oder unten?“ Bald jedoch waren sie müde und schliefen ein.

      Fürs Frühstück holte der Vater Milch, frische Butter und Brötchen aus dem annoncierten Laden, dazu kamen Teile des mitgebrachten Proviants, die Mutter entnahm dem Schulschrank das bereit stehende Plastikgeschirr und dann wurde das Frühstück an dem Tisch eingenommen, den das Schulamt in die Mitte des Raumes gestellt hatte. Abgewaschen schließlich wurde in der ehemaligen Mädchentoilette.

      Dann begann der Urlaub!

      Um zehn Uhr zog die ganze Familie zum Strand, bepackt mit allerhand Utensilien: Decken, Mützen, Schirm, Crémes, Essen, Getränke, Kofferradio und Buddelzeug. Die „Alten“ fläzten sich im Badedress auf eine Decke, und die „Jungen“ buddelten im weißen Sand, schleppten Wasser herbei und hielten Ausschau nach Altersgenossen. Immer wieder gingen besorgte Blicke der Eltern zum Himmel hin mit der bangen Frage im Hinterkopf: „Wie wird das Wetter?“

      Das Wetter war das „A“ und „O“ der gesamten Reise. In Mitteleuropa regnet es bekanntlich oft, und dann ist an Baden oder Wandern nicht zu denken. Solche Tage können sehr lang und langweilig werden. Alle sind dann drinnen – im Schulhaus, in einer Kneipe oder in Geschäften. Spiele wie „Mensch ärgre Dich nicht“, „Scrabble“ oder „Uno, uno“ sollen die Zeit vertreiben. Aber die Ferienwilligen werden trotz allem allmählich griesgrämig. Hinterher, wenn der Urlaub vorbei ist, wird zu Hause dennoch stets verkündet: „Wir hatten herrliches Wetter!“

      Wanderungen in den Bergen waren stets ein zwiespältiges Vergnügen. Anfangs war die Wanderausrüstung noch ziemlich dürftig, dann kamen Wanderschuhe und –socken, Flanellhemden, Filzhüte, Stöcke und bei einigen sogar Lederhosen. Es ging hinauf in die Berge, je früher desto besser, denn „Am Morgen sind die Berge am schönsten.“ Aber zunächst kam der Anstieg durch Wälder, an Gehöften und Almen vorbei, über Geröllhalden und schließlich an Felswänden entlang. War das anstrengend! Lustig wurde es bei der Sennerin, wenn sie beim Anblick eines einsamen Bergsteigers ausrief: „Da kommt der Besamer!“ Dann protestierten die „Kleinen“, wenn dieselbe Dame erklärte: „Großstadtkinder denken, Milch kommt aus der Fabrik.“: „Wir sind doch nicht blöd!“

      Schließlich war der Gipfel da. Rundum waren Berge, Wolken und blauer Himmel zu sehen. „Ist das schön!“, jubelte die Mutter, während der Vater anfing, mit seinem Wanderstock in verschiedene Richtungen zu zeigen: „Da ist der ‚Rist-Höhenzug‘, hier der ‚Piz Luis‘, und das hier ist das ‚Elefantenhorn‘.“ Der Rest der Familie war beeindruckt.

      Am schönsten jedoch war es später in Berghütte unter dem Gipfel. Hier gab es Nudeln, Schweinswürstel, Rösti, Wein für die Mutter, Bier für den Vater und Säfte oder sogar Cola für die Kinder. Andor hatte gute Laune und spendierte hinterher für alle Eisbecher. So gestärkt konnte es weitergehen – nun bergab.

      „Bergab ist schwerer als bergauf“, hatten Miturlauber behauptet. Andor fand, das sei nicht wahr. Je näher sie jedoch ihrem Ziel im Tal kamen, desto häufiger richteten sie ihren Blick gen Himmel. Es zog sich etwas zusammen, und in irgendeiner Ferne konnte man das Grummeln eines Gewitters vernehmen. Gerade, als die Stolps ihre Unterkunft betraten, begann es zu schütten. Später in der Heimat aber versicherten die Urlauber: „Wir hatten herrliches Wetter!“

      Am Meer hatten die vier einmal einen Ausflug zur Insel „Helgoland“ gemacht. Die lag einsam etwa achtzig Seemeilen entfernt und hatte eine eigene Geschichte hinter sich: Eine fremde Macht – ihre Nachfahren wurden später „Freunde“, dann aber wieder nicht mehr – hatte diese Insel, die eigentlich ein Felsen im Meer war – okkupiert und als Abschussort für Fliegerbomben genutzt. Dann war die kriegerische Konjunktur vorbei, und das Eiland kehrte zurück in den Schoß des alten Heimatlandes. Es wurde hergerichtet mit Wegen, Auen, schönen Aussichten und entwickelte sich zum Magnet für Tagesausflügler, die mal nicht als halbnackte Touristen am Strand liegen mochten. Um neun Uhr fuhr das Schiff, vollbesetzt, mit „Kurs Helgoland“ los und dümpelte bald vor der Insel. Dann kamen kleinere Boote. Die Passagiere mussten umsteigen, bevor sie das Land betreten konnten, denn richtige Hafenanlagen hatte die Insel nicht. Nun kam der Gang „rund um die Insel“ und alle kehrten schließlich in einem Fischrestaurant ein, wo es „Scholle Finkenwerder Art“ oder „fangfrischen Seelachs“ gab. Dazu wurde entweder ein Glas Bier, ein Schoppen sauren Weins oder ein Glas Wasser angeboten. Nach diesem frugalen Mahl wanderten die Schiffsreisenden wieder zu den Booten, setzten über aufs größere Schiff über und gingen um sechszehn Uhr wieder von Bord. In der Heimat später hieß es: „Das war ein tolles Abenteuer!“

      So war der Urlaub. Und er war viel zu schnell vorbei.

      Wieder packten die Stolps ihr Auto voll. Wieder saßen die Eltern vorne und die Kinder im Fonds. Die drängelten allerdings nicht mehr, denn sie wussten nun: Solche Reisen dauern Stunden. Dafür beschäftigten sie sich mit den Spielsachen, die sie im Urlaub geschenkt bekommen hatten. Der Junge blätterte in einem Bilderbuch ihrer Urlaubsregion, das Mädchen spielte mit einer Stoffpuppe im Trachtenkleid.

      Zu Hause dann schrieb Silke einen Brief an die „netten“ Leute aus Hessen, die sie im Urlaub kennengelernt hatte und mit denen sich die Stolps angefreundet hatten. Sie sollten doch einmal in ihre Stadt kommen und könnten auch bei ihnen übernachten.

      Andor gab drei Filme zum Entwickeln im Fotogeschäft ab und bestellte die Bilder als Dias. Alle waren sehr gespannt, ob und wie sie „werden“ würden. Eine Woche später holte Andor die entwickelten Aufnahmen ab, und die ganze Familie fand, die Fotos seien großartig geworden. Sie waren in Farbe und zeigten Landschaften, Landschaften und Urlauber, Urlauber.

      Der „Diaabend“ konnte stattfinden.

      Schwestern, Brüder, Freundinnen und Freunde kamen mit ihren Angetrauten. Als erstes bekamen sie zur Einstimmung ein nachgekochtes, aber typisches Regionalgericht aus der Urlaubsregion vorgesetzt. Danach ging es in den Vorführraum, wo ein Projektor und eine Leinwand aufgebaut waren. Andor schaltete den Projektor an, legte den ersten Diakasten ein, jeder Gast wurde mit einem Getränk nach Wahl versehen, suchte sich ein Plätzchen und dann schaltete der Vorführer das Licht aus. Im Vorführraum war es schummrig wie im Kino. Auf der Leinwand erschien ein Fotobild des Schulhauses mit einem Baum davor. „Das ist das alte Schulhaus. Da haben wir gewohnt. War ganz praktisch.“, erklärte Silke.

      „Und so sah‘s am Strand aus.“ – „Wir beim Aufstieg.“ – „Bootsfahrt nach ‚Helgoland‘.“ – „Unsere Sennerin, die war lustig.“ (Es folgte die Geschichte vom Besamer.) – „Wir mit Babbels zu Hause beim Brettspiel“: Jedes Foto wurde kommentiert, derweil die Zuschauer nach und nach einschlummerten.

      „Das war’s!“, kamen schließlich die erlösenden Worte. Manche Gäste baten um ein weiteres Gläschen, und СКАЧАТЬ