Название: Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus
Автор: Jürgen Dittberner
Издательство: Автор
Жанр: Книги о Путешествиях
isbn: 9783838275116
isbn:
Kamen „Zigeuner“ ins Dorf, flohen die Menschen aus ihren Häusern, denn sie hatten Angst vor den Fremden.
Strom gab es nicht, und die schönste Zeit war die „Schummerstunde“, wenn der Tag in die Nacht überging. Da saßen alle vor dem Haus, um sich gegenseitig Schauergeschichten zu erzählen.
Vom Reisen hatte man offensichtlich nicht viel gehalten, denn dies war klar;
„Ob Ost, ob West,
Tu Huus is am best.“
Dieses alte Pommern gab es nicht mehr. Das deutsche „Rackow“ – das Dorf – hieß nun „Rakowo“, und die Stadt „Lubow“ war in „Lubowo“ umgetauft worden.
In Pommern
Mit seiner Ehefrau Silke und seinem Vater fuhr der 39-jährige Andor in die alte Heimat.
Der Vater schrieb das „Protokoll“:
„Um 15:00 Uhr sind wir am 22. 9. in Andors PKW über den Kontrollpunkt Dreilinden in Richtung Transitbahn gefahren, um den Berliner Ring zu erreichen. Es ist Vorschrift, diesen Weg zu nehmen. Man hat dadurch einen Umweg von ca. 90 km – zuerst Richtung Westen, dann nach Süden, um endlich nach Osten zu kommen. Es regnete stark und es blieb auch so, bis wir gegen 22:30 Uhr in Neustettin ankamen.
Die Einreisepapiere hatte Andor in einem Reisebüro in Berlin beschafft und dafür Visa, Zwangsumtausch in Zloty pp. pro Person ca. 120,- DM bezahlt. Auch Benzingutscheine waren darunter. Dann mussten wir für die Fahrt durch die DDR noch pro Person 5,- DM für die Ostvisa und 15,- DM für Autobahngebühren bezahlen.
Die Grenzkontrollen Dreilinden und Stettin – diesen Übergang wollten wir benutzen – verliefen ohne Schwierigkeiten. Ich nahm noch einen Geldumtausch von 50,- DM vor. Wir brauchten es aber nicht und konnten diesen Betrag wieder in DM zurücktauschen. Den Zwangsumtausch kann man nicht zurücktauschen. Das Geld muss man also ausgeben oder verschenken, da eine Ausfuhr verboten ist.
Am Kontrollpunkt Stettin versehen polnische und ostzonale Zöllner gemeinsam Dienst. Es wurde nun schon dämmrig, der Regen hörte nicht auf und nahm nachher noch an Heftigkeit zu. Hinter der Grenze wurden die ersten Benzingutscheine eingetauscht, und dann ging es über die Autobahn in Richtung Stargard/Pom. – so heißt es auch auf Polnisch. Andor saß die ganze Zeit am Steuer, Silke war ein guter Lotse, und so erreichten wir durch viele dunkle Wälder fahrend (keine Autos auf den Straßen, alles dunkel) den Stadtrand von Tempelburg – „Czaplinek“ – in Höhe des Bahnhofs. Von dort führt eine gute Straße – alle Straßen sind gut in Polen und gut beschildert – in Richtung Neustettin – „Sczecinek“.
Überall sind viele Fichten angepflanzt worden, und in Höhe von Schwarzsee sahen wir ein Schild ‚Rakowo 6 km‘. Also ist hier eine neue Straße, auch diese durch Fichten führend. Dann kamen Lubow – „Lubowo“, Pielburg – ‚Pilo‘, Jellin – ‚Jellino‘ – und schließlich Neustettin. Wir fuhren die Bahnhofstraße in Richtung Stadt, fragten dort in einem Hotel nach unserem Hotel, das uns in Berlin zugewiesen worden war und in dem wir nur Übernachtungskosten entrichtet hatten und fanden es auch bald. Ich meine, dass es an der Warschauer Straße lag und ‚Pomorski‘ hieß, sicher früher mal ‚Pommern‘. Bis zum See und zu den Parkanlagen waren es von hier ca. 100 m. In unmittelbarer Nähe war auch das Rathaus. Dies waren alles die alten Gebäude von früher. Ich kenne Neustettin nicht so genau von früher. Aber außer von ganz wenigen öffentlichen Gebäuden ist die Stadt wohl die alte. Es gibt eine Fußgängerzone, kleine unbedeutende Geschäfte, einen Laden, in dem man für DM Alkohol, Zigaretten, Parfüms kaufen kann. Für unser Geld ist dies billig (eine Flasche Wodka 2,50 DM). Die Ausfuhr ist natürlich, wie überall, beschränkt.
Am Sonnabend, 23.9., sind wir morgens über Jellin, Pielburg zunächst nach Lubow gefahren und hier zum Bahnhof. In Lubow stehen die Häuser wohl alle wie früher, keine Neubauten mit Ausnahme einer Gaststätte, schräg rüber vom früheren Gasthof. Als wir den Wagen dort parkten, sprach uns ein Mann in fließendem Deutsch an. Er hatte lange in Danzig und auch in Rackow gelebt. Durch ihn ließen wir uns Mittag bestellen – eine Tomatensuppe, Quetschkartoffeln, ganz wenig Fleisch (kleine Stücke wie Gulasch) und etwas Weißkohl. Dazu drei halbe Bier, ein Sodawasser: 85 Zloty. Umtausch in Polen ist 1:15. Ein Essen mit Getränken für uns kostet 2 DM; es hat aber auch nicht geschmeckt, und Fleisch soll es in Polen wohl selten geben. Das hat man auch in den Fleischgeschäften gesehen, wo die Leute lange anstanden und manche sich Strickzeug mitgebracht hatten, um vermutlich die Wartezeit zu überbrücken. Der Danziger erzählte uns u.a., dass es in Tempelburg und Neustettin keine Brauereien gibt, nur in Polzin ist eine, dass es in zwei Kasernen in Neustettin je eine polnische und eine russische Einheit gibt und dass in Groß-Born die Russen stationiert sind. Wir sahen in Lubow auch Russen.
In der Gaststätte Kratzke ist ein Kino. Der Bahnhof ist in allem unverändert: Im Warteraum ist ein defekter Kachelofen von früher, die Toiletten mit den Holzsitzen sind noch da, auch der Bahnsteig. Ich stelle mich vor den Wartesaal, Silke macht eine Aufnahme, und plötzlich waren ein Polizist und der Bahnvorsteher bei uns: „Dokumente!“ Der Vorsteher sprach deutsch: „Objekte fotografieren verboten, Film herausnehmen!“ Derweil notierte der Polizist unsere Personalien und ließ sich auch die Autopapiere zeigen. Ich wurde gefragt, wo ich früher gearbeitet hatte und so haben wir versucht, klarzumachen, dass wir nur eine Erinnerung an den Bahnhof mitnehmen wollten, von welchem wir früher nach Berlin gefahren sind und auch Andor sei als kleines Kind dort mehrmals abgefahren. ‚Fotografieren verboten, Film muss raus!‘ Immer wieder versuchten wir, das zu verhindern und dann meinten wir, dass wir ja das Bild nur vom Bahnhof ungültig machen könnten. Ich knipste in die Luft, darauf: Gut, Film kann drin bleiben! Ich glaube aber, die Polen haben bemerkt, dass wir sie übers Ohr gehauen haben, denn ich habe ja nur weitergedreht und mein Bild behalten. Als wir zum Wagen kamen, sprach uns wieder ein Mann in gutem Deutsch an und meinte, dass dort alles verboten sei.
Dann ging es nach Rackow. Bis zu den Fichten beidseitig Ackerland, dann bis zu Dohnichts Fichten. Dohnichts Gehöft steht nicht, auch die Mühle ist weg. Erste Aufnahmen am Transformatorenhaus: jetzt die Gehöfte Ost, Weier, Jahn, Radke, Passoth, Stolp links und rechts. Passoth ist ein Kaufmannsladen. Bei Erichs Haus fehlt vorn die Treppe, die Tür ist zugemauert. Dahinter hatte sich der Polizist, der dort wohnt, ein Bad eingebaut. Vorn an der Straße hier ist ein Lattenzaun.
Wir schauten hinüber und sahen einige Personen. Unser Haus, in dem ich geboren wurde, kam mir unscheinbar vor. Ich hatte es kaum erkannt. Eine ältere Frau holte aus dem Brunnen Wasser. Einen Zaun oder eine Mauer gibt es nicht. Ich konnte mit in die Küche kommen. Die Treppe nach hinten fehlt. Das Haus hat von außen kaum Farbe, auch die Tordurchfahrt ist ohne Farbe. Auf dem Hof sind dicker Morast und keine Wiese mehr – kein Blumengarten vor der Tür. Der Kirschbaum ist weg. Nichts ist erneuert. Es kam später noch der Großvater, und ich sollte mir alles genau ansehen.
Da wir uns nicht gut verständigen konnten, führte uns die Großmutter zur Bürgermeisterin in Meiers Haus. Sie vermittelte uns noch eine Besichtigung des Grundstückes Erich, und dort fragte man mich, ob wir Stolps seien und was Martha macht. Bei Meiers wurde ich nach Martha Bäskow-Hinterbrich – befragt. Die Scheune ist abgerissen, ca. 5 m weiter hinten neu aufgebaut. Der dicke Baum ist weg.
Alle Räume werden gezeigt. Rechts wohnen die alten Leute, links die jungen mit zwei Kindern. Die Böden sind alle ausgelegt – Fernseher, Zentralheizung. Alles ist sehr gut in Ordnung. Als wir fotografieren, baten sie um ein Bild. Wir haben die Adresse aufgeschrieben СКАЧАТЬ