Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus. Jürgen Dittberner
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СКАЧАТЬ schälte sich heraus, dass es an der Universität zwei Fraktionen gab: Die eine der nach Europa drängenden Expansionisten und die andere der für das Verbleiben auf Honshu kämpfenden Isolationisten. Wer sich warum und wie durchsetzen würde, vermochte niemand zu prophezeien. So meinten die Besucher, es könne nicht schaden, beim Besuch des „Meiji-Schreins“ Münzen zu spenden und dazu nach Landessitte in die Hände zu klatschen.

      In der „Freizeit“ lernten die Deutschen, dass ein Essenservice in Japan aus je fünf Teilen bestand, das bei einem Geschenk die Verpackung wichtiger war als der Inhalt und dass ein Apfel fast so edel und kostbar sein konnte wie Gold.

      Während des Besuches betonte der „Düsseldorfer“ immer wieder, wichtig für das Projekt sei Prof. Hamada. Den müssten die Herren unbedingt sprechen, und er würde ein Treffen mit ihm arrangieren. Doch alles müsse sehr vertraulich sein. Empört lehnte er es ab, einen Vertreter der deutschen Botschaft an dem Treffen teilhaben zu lassen: Irgendwie schien dieser Besuch auch ein geschäftliches Interesse zu tangieren.

      Prof. Hamada hatte keinen Termin frei. Er sei zu Vorträgen in „Yokohama“, war zu hören. Ein anderes Mal hieß es, er hätte schon längst zu Hause sein müssen und seine Frau machte sich Sorgen. Dann wieder war er zwar in seiner „Praxis“ aufgetaucht (War er Mediziner?), dort jedoch so mit Terminen überhäuft gewesen, dass er gar keine Zeit für die Besucher aus Deutschland habe.

      Plötzlich jedoch, am letzten Tag der Delegationsreise, verkündete ein strahlender „Düsseldorfer“, Herr Hamada habe Zeit. Er und weitere Professoren würden die Gäste gerne in ein traditionelles Restaurant zum Abendessen einladen.

      „Das wird teuer für die!“, kommentierte ein ortskundiger Mitarbeiter der deutschen Botschaft, die trotz der Abwehr informiert war. Der Treffpunkt entpuppte sich als ein Restaurant mit niedrigen Räumen, Wänden wie aus Pappe, niedrigen Tischen und Kimono-bekleideten Damen. Eine Köstlichkeit nach der anderen wurde gereicht: „Shabu-shabu“, „Sukiyaki“, „Sushi“, „Sashimi“ und anderes. Dazu gab es immer wieder den warmen Reiswein – „sake“ – und Bier.

      Die Damen hockten neben den Gästen und verfolgten jeden Bissen und jeden Schluck der Europäer. Die Gastgeber versicherten, das seien keine Geishas. Eine Musikergruppe spielte japanische Weisen. Jetzt tauten die japanischen Professoren auf: „Das ist von Hokkaido, wo ich herkomme, meine Heimat.“ – „Dieses Lied singt man in ‚Nagasaki‘, da müssen Sie ‘mal hin!“

      Dann war Schluss mit dem Essen, aber nicht mit dem Trinken. In den Pappwänden öffneten sich Türen, und Monitore wurden herausgezogen. Die Damen, die keine Geishas waren, hatten Mikrofone in den Händen, und für die Japaner kam der Höhepunkt des Abends: „Karaoke“. Reihum musste jeder zu Videoclips den eingeblendeten Text bekannter Schlager singen. Die Deutschen taten sich schwer, doch die Japaner hoben ab. Am Schluss waren sie selig und kamen in Verbrüderungsstimmung. „Plost.“, kicherten sie.

      Ende Januar des folgenden Jahres kam eine Delegation der „Nihon-Universität“ nach Deutschland. Hier wurden sie von allen verfügbaren Fachleuten empfangen. Im Hubschrauber überflogen sie das angebotene Gelände. Alles wurde fotografiert, sogar die Toiletten.

      Dann nahmen sie alle ihre Geheimnisse (über den kranken Präsidenten, der wiedergewählt werden wollte, über die zwei Fraktionen in der Universität und über die wirkliche Bedeutung des Prof. Hamada) via „Krefeld“ mit nach Fernost.

      Sie wurden in Deutschland niemals wieder gesehen.

      (1992)

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