Название: Begegnungen mit Bismarck
Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242683
isbn:
17Nach Ansicht vieler Juristen lag die Rechtsfrage keineswegs so einfach. Die Dänen hatten, um den Schein förmlicher Anerkennung des augustenburgischen Rechts zu vermeiden, 1852 vom Herzog Christian nicht einen Verzicht auf sein Thronfolgerecht, sondern nur das Versprechen verlangt, daß er und seine Nachkommen nichts gegen die Succession des Prinzen von Glücksburg unternehmen würden. Als er dieses Versprechen gab, verzichtete er also eigentlich nicht auf sein Recht, sondern nur auf die Ausübung desselben gegen den von den Großmächten einzusetzenden Thronfolger. Seine Söhne aber hatten das Abkommen nicht mitunterschrieben. Sie waren daher nach Ansicht vieler Kenner des deutschen Privatfürstenrechts vermöge des ihnen zustehenden unantastbaren Personalrechts, zu dessen Ausübung befugt, sobald der Vater abdizierte oder starb. So votierten die juristischen Fakultäten mehrerer Universitäten; derselben Meinung waren im Jahre 1865 auch 7 unter den 18 preußischen Kronjuristen, während die Majorität nicht das „feudale“ Privatfürstenrecht, sondern das, wesentlich auf den englischen Rechtsanschauungen der letzten Jahrhunderte beruhende, moderne Staats- und Völkerrecht entscheiden ließ. Es war demnach natürlich, daß der Erbprinz Friedrich auf Grund des deutschen Privatfürstenrechts, und von gelehrten Juristen unterstützt, an sein Thronfolgerecht unerschütterlich glaubte.
18In den „Gedanken und Erinnerungen“ (Band II Seite 11) wird dieser Ministerrat in die letzten Dezembertage gelegt; ich halte aber die Angaben von Horst Kohl (Wegweiser S. 90; Regesten S. 216), wonach er in den ersten Tagen des Januar stattgefunden hat, für wahrscheinlich. Die Staatsministerial-Protokolle jener Zeit sind noch nicht zugänglich.
19Die von dem Abgeordneten Schulze-Delitzsch beantragte Resolution lautete: „In Erwägung, daß Preußen gemeinsam mit Oesterreich dem Bunde erklärt, es werde sich dem Bundesbeschlusse vom 14. d. M. widersetzen, die Schleswig-Holsteinsche Sache in die eigene Hand nehmen und die Besetzung Schleswigs als europäische Großmacht ausführen; in Erwägung, daß Preußen damit von Deutschland abfällt und seine Großmachtstellung mißbraucht; in Erwägung, daß diese preußisch-österreichische Politik kein anderes Ergebnis haben kann, als die Herzogtümer abermals Dänemark zu überliefern; in Erwägung, daß die angedrohte Vergewaltigung den wahlberechtigten Widerstand der übrigen deutschen Staaten und damit den Bürgerkrieg in Deutschland herausfordert – erklärt das Haus der Abgeordneten, daß es mit allen ihm zu Gebote stehenden gesetzlichen Mitteln dieser Politik entgegentreten werde.“
20nie pozwalam (das erlaube ich nicht) waren die Worte, durch die jedes Mitglied des polnischen Reichstages einen Beschluß desselben entkräften konnte.
21Ernst II., Herzog von Koburg-Gotha, Aus meinem Leben und aus meiner Zeit (Berlin, Herz 1889). Bd. III, S. 444.
22In seinem von mir aufrichtig bewunderten Werke über den „Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland“ sagt Friedjung (I, S. 95), Bismarck habe durch sofortige Publikation seiner Aufzeichnungen über den Inhalt jener Unterredung in Preußen gegen den Erbprinzen Stimmung machen wollen. Diese Behauptung ist unhaltbar. Denn die fragliche Publikation im Reichsanzeiger erfolgte (wie auf Seite 96 von Friedjung selbst richtig angegeben ist) am 2. Juli 1865, also Jahr und Tag später, und wurde veranlaßt durch das natürliche Bedürfnis der Abwehr gegen die von einem holsteinischen Blatte auf Grund unvollständiger Mitteilungen über jene Unterredung gegen Bismarck gerichteten Angriffe.
23Der Sohn desselben ist seit vielen Jahren Führer der Freikonservativen im Abgeordnetenhause.
VII.
Allmähliche Lockerung des österreich. Bündnisses.
Gasteiner Vertrag.
August 1864 bis August 1865.
Am 1. August abends fuhr der Minister mit Abeken und mir nach Salzburg, am 2. im offenen Postwagen nach Gastein.
Er hatte sich in Berlin eine Menge österreichischer Silbergulden einwechseln lassen, um sie als Trinkgelder zu verwenden und, wie er scherzweise sagte, auch den Postillonen, die vermutlich seit Jahren nichts als Papiergeld gesehen hätten, eine Vorstellung von der Ueberlegenheit der preußischen Finanzen zu geben. Es amüsierte ihn, die erstaunten Gesichter der Leute zu beobachten, wenn ich ihnen die blanken Silberlinge einhändigte.
Den Aufenthalt im engen Hochgebirgsthal von Gastein liebte Bismarck nicht, obwohl die dortigen Bäder ihm zusagten. Er sprach öfters aus, daß der Mangel eines weiten Horizonts ihm unerfreulich wäre und daß er die der Jahreszeit gemäßen Getreidefelder ungern vermißte. Man hatte für ihn keine andere Wohnung gefunden, als zwei Zimmer in dem großen Straubingerschen Gasthofe, der unmittelbar an dem berühmten Wasserfalle liegt. Das unaufhörliche Brausen der hoch herabstürzenden Wassermassen quälte seine empfindlichen Nerven. Jetzte erst meinte er, „den tiefen Sinn des alten Liedes ‚Büchlein laß dein Rauschen sein‘ ganz zu erfassen“.
Berge zu ersteigen, sagte er, hätte ihm nie rechte Freude gemacht. Als Student wäre er einmal trotz starken Nebels auf den Rigi gestiegen und, als nach dem Herabsteigen das Wetter sich klärte, sogleich zum zweiten Mal. An so etwas auch nur zu denken, wäre ihm jetzt unbehaglich. In der Ebene gehe und reite er gern und ausdauernd; starke Steigungen aber wären ihm unerwünscht.
Als die Kur des Königs beendet war, gab der Minister sich und uns drei Ferientage. Ohne Telegrammadressen zu hinterlassen, fuhren wir bergab und seitwärts nach Radstadt, am zweiten Tage nach Hallstadt und trafen am dritten in Ischl wieder mit dem königlichen Gefolge zusammen.
Dann waren wir alle während dreier Tage Gäste Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph in Schönbrunn. Zwei große Treibjagden, im Walde auf Hirsche und im Felde auf niederes Wild, machten dem Minister viel Vergnügen.
In diesen sonnigen Festtagen kam aber die Frage der Zukunft Schleswig-Holsteins ihrer Lösung nicht näher. Der König wünschte eine baldige Entscheidung nicht, weil die verschiedenen Erbansprüche noch nicht gründlich geprüft waren. Bei Berührung der Möglichkeit einer preußischen Annexion trat hervor, daß Oesterreich eine solche nur gegen Abtretung deutschen Gebietes oder Garantie für seinen außerdeutschen Besitz genehmigen würde, daß aber der König beide Bedingungen unannehmbar fand. Er hätte eher auf Schleswig-Holstein verzichtet als ein Stück von Schlesien abgetreten oder eine Garantie in Betreff Venetiens übernommen.
Auch bei den handelspolitischen Besprechungen kam es zu keinem klaren Ergebnis.
Die durch den preußisch-französischen Handelsvertrag von 1862 verursachte Zollvereinskrise war damals noch nicht ganz beendigt, wenn auch der endliche Beitritt der noch zögernden Staaten (Bayern, Württemberg, Hessen-Darmstadt und Nassau) als wahrscheinlich galt. Mit diesen zusammen hatte Rechberg in den Jahren 1862 und 63 gegen Ausdehnung des preußisch-französischen Handelsvertrages gewirkt. Man bezog sich dabei auf einen in dem preußisch-österreichischen Handelsvertrage von 1853 enthaltenen Artikel (25.), welcher zusagte, daß nach zwölf Jahren (also 1865) über eine vollständige Zolleinigung zwischen Preußen und Oesterreich verhandelt werden sollte. Aus dieser Zusage wollte man folgern, daß Preußens Tarifpolitik keine Richtung einschlagen dürfe, welche die Zolleinigung mit Oesterreich erschweren würde. Zu Ende des Jahres 1863 hatte nun zwar Graf Rechberg aus politischen Rücksichten diesen Kampf eingestellt; im Juli 1864 aber war er mit den genannten früheren Kampfgenossen übereingekommen, die jetzt offenbar nicht zu erreichende Zolleinigung wenigstens für die Zukunft als ein zu erstrebendes Ziel festzuhalten. Er legte daher hohen Wert darauf, daß die erwähnte Zusage des alten Vertrages (Art. 25) in den neuen Handelsvertrag ausgenommen würde, welcher im Jahre 1865 wieder auf 12 Jahre mit Preußen abzuschließen war. Er deutete an, daß entgegengesetzten Falles seine Ministerstellung unhaltbar werden würde.
Bismarck war verwundert, daß sein Kollege einer offenbar inhaltleeren Phrase СКАЧАТЬ