Название: Die Charismatische Bewegung 2
Автор: Michael Kotsch
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783869549576
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Überhaupt erinnert der von Kraft geschilderte Umgang mit Dämonen eher der esoterisch, schamanistischen Praxis. Hier nimmt der sachkundige Schamane Kontakt mit der Geisterwelt auf und erfährt die dämonischen Hintergründe körperlicher und seelischer Leiden. Anschließend werden den verantwortlichen Geistern Opfer angeboten oder sie sollen durch Gebete und Rituale zur Aufgabe gebracht werden. Häufig werden in diesem Zusammenhang auch alle alltäglichen Schwierigkeiten auf den Einfluss missgünstiger Geister zurückgeführt.
Bei der hier dargestellten Therapie bestehen verschiedene Gefahren: A. Notwendige medizinische Behandlungen werden unterlassen, weil man sich auf einen vermeintlich dämonischen Hintergrund konzentriert. B. Tiefgehende Angst und Verunsicherung kann dadurch ausgelöst werden, dass alltägliche Charaktereigenschaften und geistlicher Zweifel auf dämonischen Einfluss zurückgeführt werden. C. Regelrechte Verzweiflung kann entstehen, wenn persönliche Probleme, für die Dämonen verantwortlich sein sollen, nicht dauerhaft verschwinden. Der Betreffende wird neben seinen seelischen oder körperlichen Schwierigkeiten noch durch die Vorstellung belastet, ein Dämon wohne in seinem Inneren. D. Durch die Konzentration auf die vorgebliche Aktivität der Dämonen können im Alltag unnötige Ängste geweckt und der Blick auf Gott verstellt werden. E. Es besteht die Gefahr, dass die wahrgenommene Verantwortung für eigenes Handeln zurücktritt, weil Dämonen die Schuld an eigenem Versagen zugesprochen wird. F. Labile Persönlichkeiten können durch die intensive Beschäftigung mit Dämonen eine radikale Verschlechterung ihres Wohlbefindens oder gar den Ausbruch einer psychischen Erkrankung erleben. G. Durch die Konzentration auf eigene übernatürliche Erfahrungen tritt die Bibel als Leitschnur des Glaubens zurück. H. Falsch gehandhabte Konfrontation mit übernatürlichen Mächten, kann statt zu einer Befreiung zu einer Bindung an dieselben führen. I. Die Verwendung von Formeln, Symbolen und heiligen Gegenständen fördert beim Hilfesuchenden magisches Denken. Der Vorstellung wird Vorschub geleistet, in der sichtbaren materiellen Welt verberge sich eine unsichtbare geistliche und man könne diese übernatürlichen Mächte mit innerweltlichen Methoden beherrschen. J. Lange, suggestive Seelsorgegespräche, durch die Erinnerungen an mutmaßliche dämonische Belastungen durch frühere Generationen oder in der frühen Kindheit gesucht werden, können dazu führen, dass betreffende Erinnerungen erst jetzt erzeugt werden und den Klienten unnötig belasten. K. Die Konzentration auf behauptete dämonische Hintergründe entwerten die innerweltlichen Ursachen falschen Verhaltens und erschweren deren Verarbeitung. L. Die hier geschilderten Befreiungspraktiken stehen in der Gefahr, christlichen Glauben unsachgemäß mit schamanistischen und okkulten Vorstellungen zu vermischen. M. Die Dämonisierung fremder Weltanschauungen erschwert die sachliche und intellektuelle Auseinandersetzung mit deren Anhängern.
Biblische Dämonenaustreibung geschieht vor allem durch Gebet, Fasten und gelegentlich mittels Befehl im Namen Jesu (Mk 3,13ff; 9,29; Lk 9,1ff; Apg 16,16ff). Menschen können auch frei werden, wenn sie ihr Leben Jesus Christus anvertrauen.
1.5. Charismatische Leitungsstruktur und geistlicher Missbrauch
1.5.1. Geistlicher Missbrauch
Geistlicher Missbrauch ist gewöhnlich der Missbrauch eines Amtes für vorgeblich geistliche Ziele oder für einen eigenen Vorteil. Ken Blue präzisiert: „Geistlicher Missbrauch liegt dann vor, wenn eine Leiterpersönlichkeit, die geistliche Autorität über einen hat, diese Autorität benutzt, um Druck oder Zwang auszuüben, und damit dem ihm Untergebenen geistliche Wunden zuführt. … Menschen, die ihr geistliches Amt missbrauchen … sind für gewöhnlich derart narzisstisch oder darauf fixiert, etwas Großes für Gott tun zu wollen, dass sie es nicht einmal merken, wie weh sie ihren Opfern tun.“71 Menschen sollen dazu gebracht werden, alle Aussagen und Verhaltensweisen ihrer Leiter fraglos zu akzeptieren, ebenso deren Autorität über das eigene Leben. Sicherlich gibt es diesen Amtsmissbrauch in jeder religiösen Vereinigung. Allerdings tendieren charismatische Leiter besonders leicht dazu, ihre Nachfolger zu manipulieren, weil ihnen in ihrem Umfeld eine außergewöhnlich gewichtige Stellung eingeräumt wird und weil sie sich in ganz besonderer Nähe zu Gott wähnen. Immer wieder deklarieren charismatische Leiter ihre eigenen Aussagen als göttliche Mitteilungen und machen den Segen Gottes vom Gehorsam ihrer Anhänger abhängig. Eine besondere Gefahr liegt in diesem Zusammenhang beim sogenannten Discipleship / Shepherding Movement (Jüngerschafts- und Hirtenbewegung). In durchaus positiver Motivation wird hier die strikte Unterordnung des Christen unter seinen geistlichen Leiter gefordert, der ihm detaillierte Vorgaben für jeden seiner Lebensbereiche macht. Die Gefahr, dass in einem solchen System keine Abhängigkeit gegenüber Gott sondern gegenüber dem geistlichen Führer entsteht ist groß. Der Geführte kann immer weniger erkennen, welche der Forderungen wirklich von Gott und welche lediglich von dem geistlichen Leiter stammen.
Das System unhinterfragbarer Unterordnung wird unterstützt durch die Ablehnung intellektueller Fragen und jeder Kritik. Rückfragen an leitende Personen oder deren Lehre wird als ungeistlich oder gar dämonisch betrachtet. Somit muss der Fehler bei dem Gemeindeglied liegen, das Bedenken äußert. Wer in der Gruppe verbleiben will, muss den Forderungen der Leiter entsprechend verändern. Letztlich mündet dieses System in einer Abhängigkeit gegenüber den menschlichen Repräsentanten Gottes.
Johnson und VanVonderen nennen verschiedene Faktoren, die Geistlichen Missbrauch begünstigen:
1. „Das erste Merkmal eines religiösen Systems, das geistlichen Missbrauch betreibt, ist die sogenannte Machtstellung. Die Leiter verwenden eine Menge Zeit darauf, ihre eigene Autorität zu festigen und diese andere spüren zu lassen.“72 „In Systemen, in denen geistlicher Missbrauch betrieben wird, wird Macht gefördert und Autorität ist genau festgelegt. Darum beschäftigen sich diese Systeme mit dem Verhalten ihrer Mitglieder. Gehorsam und Unterwürfigkeit sind zwei wichtige, häufig verwendete Wörter.“73 Verhält sich ein Gemeindeglied nicht wie der Leiter bzw. die Gruppennorm es vorsieht, wird schnell davon gesprochen, dass Gott seinen Geist zurückgezogen hat, dass bestimmte geistliche Segnungen nicht fließen können, weil Hingabe oder Glaube fehlen oder, dass die Betroffenen in der Gefahr stehen, aus der Gnade zu fallen.
2. Unausgesprochene Regeln werden als bekannt und selbstverständlich vorausgesetzt. Aus diesem Grund müssen sie weder begründet noch verteidigt werden. Wer ihnen nicht entspricht wird von der Gruppe und von seinem eigenen Inneren gedrängt, sich zum Wohl der Gemeinschaft wieder einzuordnen.
3. Wer in charismatischen Gemeinden an anerkannten Leitern oder an allgemeinverbindlichen Überzeugungen zweifelt (z.B. „Ist diese Prophetie von Gott?“, „Ist die Person wirklich von einem Dämon besessen?“; „Will Gott, dass der Prophet in Luxus lebt?“, „Warum bin ich nicht gesund?“) СКАЧАТЬ