Die Charismatische Bewegung 2. Michael Kotsch
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Название: Die Charismatische Bewegung 2

Автор: Michael Kotsch

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783869549576

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СКАЧАТЬ in eine geistgewirkte Zwiesprache ein.13 Tatsächlich spricht Paulus davon, dass der Heilige Geist im Christen die Gewissheit seiner Gotteskindschaft bewirkt (Röm 8,15; Gal 4,6f) und ihn zum Gebet treibt (Röm 8,14f). Über die Bibel hinaus aber gehen charismatische Interpretationen, die den Eindruck erwecken, jeder Christ könne im Gebet Gottes Stimme unmittelbar akustisch hören und in einen direkten Dialog mit Gott eintreten. Oft tritt dadurch die Exklusivität der biblischen Inspiration zurück.14 Ebenfalls nicht biblisch gedeckt ist die in charismatischen Lobpreisseminaren vermittelte Auffassung, Zungenrede und Zungengesang sei eigentlicher Ziel- und Gipfelpunkt der Anbetung. Oft werden die emotionalen Erfahrungen während des charismatischen Lobpreis und Zungenredens als Garantie göttlicher Nähe interpretiert und dabei vergessen, dass religiöse Gefühle ebenso wie Wunder, immer interpretationsbedürftig sind, da sie weder ihre Bedeutung noch ihre Aussagekraft offensichtlich in sich tragen. Schließlich würde auch kaum ein charismatischer Christ dem Buch Mormon zustimmen, nur weil ein Mormone ihm versichert, Gott habe ihm dessen Wahrheit durch eine innere Gewissheit und ein „Brennen in der Brust” mitgeteilt.

      Zweifellos ist es eine Stärke charismatischen Lobpreises, dass er die Emotionen des Menschen anspricht und gleichzeitig die Vielfalt des Gotteslobes erweitert. Gleichzeitig besteht bei der außerordentlichen Betonung des Lobpreises die Gefahr der Vereinseitigung. Gerade „verstandesmäßig orientierte Menschen werden dadurch leicht abgestoßen und fühlen sich unter Druck gebracht, im Gottesdienst emotional und körperlich zu agieren.”15 Die ständige Wiederholung der gleichen Anbetungslieder, dazu noch mit ordentlicher Lautstärke steht in der Gefahr bei den Gottesdienstteilnehmern ein frommes Gefühl der Gottesnähe lediglich manipulativ zu erzeugen. Nicht wenige Anbetungsgottesdienste zeigen eine Tendenz zu gewollter Stimmungsmache und Routine.

      Auch besteht allzu häufig die Illusion, ein kreativ ausgedrückter Lobpreis garantiere für echte geistliche Motivation oder schütze vor Traditionalismus. Das ist jedoch ein Irrtum. Immer häufiger wird charismatischer Lobpreis lediglich zu einer neuen Liturgie, die die Erwartungen der daran gewöhnten Teilnehmer befriedigt. Nicht unproblematisch ist darüberhinaus die stilistische und inhaltliche Einseitigkeit charismatischer Lobpreislieder. Zumeist handelt es sich dabei um sehr kurze, einfach formulierte Anbetungstexte mit eingängig meditativer Melodie. Häufig liegen den Liedern biblische Texte zugrunde (Ps 22,4.23; 97,9; 145-150; Offb 4,11). Gott wird als König, Herrscher, Sieger und Herr aller Herren angebetet. Gottes Anmut, Schönheit, Macht und Liebe werden hervorgehoben. Andererseits fehlen bei charismatischem Lobpreis fast vollkommen Gottes Heilstaten, die Erlösung von Sünde, Gottes Zorn und alle Hinweise auf die alltäglichen menschlichen Probleme. „Dadurch entsteht in charismatischen Versammlungen häufig der Eindruck einer Scheinwirklichkeit. Es wird eine heile Welt vorgetäuscht, in der man sich über die Probleme des Lebens hinwegjubiliert.16 Die Illusion wird genährt, dass es ein Leben ohne Alltagssorgen geben könnte. Die Freude an Gott schlägt um in die Sucht, Gott genießen zu wollen.17 So kann ein unguter geistlicher Triumphalismus entstehen, der den Besucher charismatischer Veranstaltungen den Schein einer geistlichen Parallelgesellschaft vermittelt, in der Gottes Herrlichkeit schon jetzt ganz greifbar und genießbar ist. Das Werkstattheft Lobpreis verspricht in diesem Zusammenhang: „Gebet und Lobpreis sind zwei Flügel, durch die unsere Seele in den Himmel fliegt. … Lobpreis erfüllt ein Leben mit der Atmosphäre des Himmels.”18 Das wirkt zumindest einseitig, wenn nicht wirklichkeitsfern. Zumeist konzentriert sich der Lobpreis auf die gottesdienstliche Gegenwart der Singenden und vernachlässigt dabei das Wirken Gottes in Vergangenheit und Zukunft.19 Dieser Lebensoptimismus und die Gegenwartsbezogenheit des charismatischen Lobpreises sind ein getreues Spiegelbild der amerikanischen Gesellschaft und liefert mit der Ausblendung der Klage die religiöse Legitimation eines „Everything is OK, everything must be in control, everything is manageable!”20 Die biblische Perspektive des Christseins aber umfasst auch Klage, Unverständnis und Trauer, sowie den Blick in Vergangenheit und Zukunft.

      Seelsorge ist ein häufiges Thema auf charismatischen Kongressen. Diese Veranstaltungen sollen den Besucher zur geistlichen Seelsorge befähigen. Gleichzeitig über Laien hier gegenseitige Seelsorge. Verschiedene charismatische Seelsorgezentren bieten Ausbildung und Betreuung. Digitalisierte Vorträge und Seminare verbreiten die Gedanken charismatischer Seelsorge (u.a. von Christoph Hässelbarth, Maria Prean, Christa Weber). Im größeren Maßstab prägt die Deutsche Gesellschaft für Christliche Psychologie (IGNIS, lat. Feuer) seit 1986 mit ihren Seminaren und Schulungen die Konzepte charismatischer Seelsorge in Deutschland (Friedemann Alsdorf, Wolf-Dieter Hartmann, Werner May, Dr. Axel Schwall).21 Dazu gehören Zungengebet, Prophetie, Wort der Erkenntnis, Vision, Traum, Ruhen im Geist, Lachen im Geist, Segnungen und Salbungen. Die 1989 entstandene De’Ignis- Fachklinik für Psychiatrie und Psychosomatik (Egenhausen und Altensteig, Schwarzwald) bietet unter der Leitung von Rainer Oberbillig und Dr. Rolf Senst auch eine stationäre Behandlung an.22 Von der Geistlichen Gemeinde- Erneuerung in der Evangelischen Kirche (GGE) wurde unter der Leitung von Christoph von Abendroth im Stift Obernkirchen eine Tagungsstätte für Seelsorge- Seminare eingerichtet (1994-2008).

      Hinter der typisch charismatischen Seelsorge steht zumeist ein stark dualistisches Weltbild: Der Mensch befindet sich auf dem weltweiten Kampfplatz zwischen Gott und seinen Engeln auf der einen und dem Teufel mit seinem Gefolge auf der anderen Seite. Verantwortlich für den Zustand eines Menschen ist der Einfluss, den göttliche bzw. dämonische Mächte auf ihn ausüben. Sünde und Krankheit gehen auf die geistlichen Abhängigkeiten eines Menschen zurück. Da der Heilige Geist auf übernatürliche Weise hilft, braucht der charismatische Seelsorger keine ausführlichen Gespräche, in denen Problemursachen aufgedeckt und beseitigt werden sollen.

       1.3.1. Innere Heilung

      Zur spezifisch charismatischen Seelsorge gehört das Angebot der inneren Heilung. Das Konzept geht auf Agnes Sanfords Heilung der Erinnerung zurück. Darin verbindet sie psychoanalytische Elemente C.G.Jungs mit dem Gebet um Heilung. Seele und Gefühle sollen von Bindungen befreit werden, die durch Erfahrungen in der Vergangenheit hervorgerufen wurden. Im Einklang mit der Psychoanalyse wird davon ausgegangen, dass diese Erfahrungen im Unterbewusstsein für Gefühls- und Verhaltensstörungen, für schmerzliche Erinnerungen und schädliche Denkmuster verantwortlich sind. Die innere Heilung umfasst drei Phasen: 1. Bewusstmachung der Erinnerung einschließlich aller dazugehörigen Gefühle, 2. Heilungsgebet, 3. Ablegen alter Verhaltens- und Denkmuster, sowie Einüben neuer Gewohnheiten. In der ersten Phase sollen Literatur und Vorträge zur Selbsterkenntnis innerer Verletzungen beitragen. John Wimber unterscheidet drei Formen innerer Verletzungen: 1. Verletzungen durch den unheilen Zustand der Welt, 2. Verletzungen durch Mitmenschen, 3. selbstverschuldete Wunden. Mit dem sich anschließenden Heilungsgebet soll die Gegenwart Jesu Christi im Heiligen Geist bewirkt werden. Der Hilfesuchende soll sich in die Situation versetzen, in der das traumatische Erlebnis stattfand. Unterstützt von seinem Seelsorger soll sich der Betroffene nun bildlich vorstellen, dass Jesus anstelle der damals beteiligten Menschen positiv reagiert und damit den Ausgangspunkt der psychischen Probleme verändert. Z.B. stellt sich der Betroffene Jesus vor, der Kinder auf seinen Schoß nimmt, damit er die Erfahrung der Ablehnung während der Kindheit überwindet. Es soll sozusagen die negative Erfahrung der Vergangenheit durch eine positive ersetzt werden. Van Dam: „Wir bitten den Herrn, der uns vom Lebensanfang gekannt und geliebt hat, in die Vergangenheit des Verwundeten zurückzugehen, um dort Gottes heilende Liebe einströmen zu lassen.”23 Der Mensch soll sich selber loslassen und auch gefühlsmäßig in Gott ruhen. Nur dann sei er in der Lage Hass, Groll, Bitterkeit usw. zuzugeben und denen zu vergeben, die diese Verletzungen mitverursacht haben. Währenddessen signalisiert der Seelsorger durch Handauflegung oder Umarmung menschliche und körperliche Nähe. In der dritten Phase soll der Hilfesuchende in der Begleitung СКАЧАТЬ