Название: Sammelband 4 Fürstenromane: Liebe, Schicksal, Schlösser
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Короткие любовные романы
isbn: 9783745202830
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»In der Familie meines Mannes gibt es eine alte Tradition«, erzählte Herta. »Sie beginnt bereits beim Urgroßvater Hugos.«
»Ein Glück, dass sie nicht bei Adam und Eva beginnt«, warf der Fürst bissig dazwischen. »Sonst würde unser Gespräch noch länger dauern. Immerhin rufst du aus Amerika an, Herta. Das ist nicht gerade billig.«
»Und wir sind nicht gerade arm«, konterte Herta von Kirst. »Aber um die Sache abzukürzen: Jenny soll nach alter Väter Sitte ein paar Semester in Heidelberg studieren.«
»Und was habe ich damit zu tun?«, erkundigte sich der Fürst, der Schlimmes zu ahnen begann.
»Du wohnst doch in der Nähe von Heidelberg«, kam Herta denn auch sogleich auf den Kern ihres Anliegens zu sprechen. »Und du besitzt ein großes Schloss, in dem du sicher ein Plätzchen für meine Tochter frei hast.«
»Mein Schloss ist kein Mädchenpensionat«, versuchte Fürst Boris sich gegen das ungeheuerliche Ansinnen seiner Cousine zu wehren. »Außerdem bin ich den Umgang mit amerikanischen Studentinnen nicht gewöhnt.«
»Du hast dich überhaupt nicht verändert«, befand Herta. »Immer noch der gleiche Knurrhahn wie früher. Dabei hatte ich so sehr auf dich gebaut. Nicht, dass wir Kosten sparen wollten. Darum geht es wirklich nicht. Nein, mir wäre es nur angenehm gewesen, wenn jemand meines Vertrauens ein wenig auf das Mädel geachtet hätte. Du weißt, wie diese jungen Dinger heutzutage sind.«
»Nein, das weiß ich nicht«, entgegnete der Fürst trocken. »Die einzigen weiblichen Wesen in meinem Schloss sind die Köchin, ein paar Zugehfrauen und die Frau des Gärtners. Und bei denen ist das Verfalldatum schon eine Weile abgelaufen.«
»Deshalb wäre es vielleicht ganz gut, wenn mal ein bisschen frischer Wind durch dein altes Gemäuer wehen würde«, meinte Herta.
»Ich bin mit dem Wind, der momentan weht, recht zufrieden.«
»Trotzdem. Tu mir halt den Gefallen, und nimm Jenny bei dir auf. Versuch es wenigstens für eine Weile mit ihr. Wenn es absolut nicht funktionieren sollte, können wir immer noch eine andere Lösung suchen.«
Wahrscheinlich lag es daran, dass Fürst Boris einen Bärenhunger hatte und Butler Karl soeben mit den Würstchen, dem Kartoffelsalat und einem gepflegten Pils in das Speisezimmer trat. Dem Hausherrn lief das Wasser im Mund zusammen. Also brachte er das Gespräch mit der amerikanischen Cousine schnell zu einem Ende, indem er ihr zusicherte, Jenny bei sich Kost und Logis zu gewähren. Später hätte er sich dafür ohrfeigen mögen. Aber wie er sonst auch sein mochte: Sein Wort galt und war ihm heilig. So auch die Zusage an Herta von Kirst. Was nicht ausschloss, dass er nicht den Versuch machen würde, dieses Mädchen möglichst schnell wieder aus seinem Schloss hinauszuekeln. Aber das stand auf einem anderen Blatt.
2
»Herrlich!« Der blonde junge Mann hatte seine Rostlaube oben auf der Passhöhe angehalten, war ausgestiegen und blickte mit leuchtenden Augen hinunter ins Tal.
»Es ist immer wieder wunderbar, nach Hause zurückzukehren. Diese einmalige Landschaft, dieser betörende Duft nach Feld, Wald und Wiesen, diese reine, von Abgasen weitgehendst verschonte Luft! Sankt Annen, ich liebe dich!«
Der Mann, der diese begeisterten Worte vor sich hin murmelte, hieß Alexander Hambach, mochte Ende Zwanzig sein und sah sehr gut aus. Er war groß, wirkte schlank und durchtrainiert und besaß angenehm männliche Gesichtszüge, aus denen sich besonders seine himmelblauen Augen sowie die beiden Grübchen in den Wangen hervorhoben. Bekleidet war er mit einem saloppen Leinenanzug, dezent gemustertem Hemd und leichten Schuhen.
Alexander, der das »Von« längst aus seinem Namen gestrichen hatte und auf den Titel »Prinz« keinerlei Wert legte, hatte gerade mit großem Erfolg seine Studien beendet und alle Examen mit Auszeichnung bestanden. Nun befand sich der frischgebackene Diplomagronom und Betriebswirt auf dem Weg zu seiner Mutter Hiltrud, die unten in St. Annen ein kleines, aber feines Hotel betrieb.
Hier, in diesem idyllischen Gebirgsort inmitten der oberbayrischen Alpen, hatte Hiltruds Großtante, die der Nichte ihr Vermögen vermacht hatte, gelebt und gewirkt. In ihrem Schlösschen, das seinerzeit nur von einem alten Verwalter und dessen Frau bewohnt und in Ordnung gehalten worden war, hatten Mutter und Sohn nach der Flucht vor dem despotischen Fürsten Unterkunft gefunden, denn auch dieses Schloss, das am Ufer des wildromantischen Alpensees stand, hatte zu den Hinterlassenschaften der Tante gehört und war somit jetzt Hiltruds Eigentum.
Die Fürstin, die nach der Trennung von ihrem Mann weder als solche noch mit Durchlaucht angesprochen werden wollte, hatte bald gemerkt, wie kostspielig es ist, ein Schloss - und sei es noch so klein - zu unterhalten. Es gab zwar noch genügend Barvermögen, aber auch das wäre bald aufgebraucht gewesen, wenn sie nicht für den nötigen Nachschub gesorgt hätte. Also hatte Hiltrud ihren Besitz kurz entschlossen zu einem Hotel umfunktioniert, das bald wegen seiner anheimelnden Atmosphäre und gepflegten Küche zu einem begehrten Urlaubsziel der etwas Betuchteren geworden war. Und da St. Annen sowohl ein Wintersport als auch Sommerluftkurort war, gab es kaum einen Leerlauf für das »Schlosshotel«. Seine Zimmer waren ständig ausgebucht.
Hiltrud hatte sich nicht davon abbringen lassen, die Leitung ihres Hotels persönlich zu übernehmen und sorgte mit ihrer freundlichen, aber bestimmten Art dafür, dass alles so lief, wie sie sich das vorstellte. Ihre neue Aufgabe füllte sie aus und befriedigte sie. Sie fühlte sich wohl und bereute keine Sekunde, ihren Mann verlassen zu haben.
Die Fürstin, die keine mehr sein wollte, hatte die Fünfzig kaum überschritten. Sie war eine gepflegte, vornehme Erscheinung und sah durchaus noch begehrenswert aus. Ihre Haare waren immer noch blond wie die des Sohnes, kleine Lachfältchen verliehen ihrem hübschen Gesicht einen sympathischen Zug, und die kleinen Pölsterchen, die sie sich im Laufe der Jahre zugelegt hatte, waren lediglich dazu angetan, sie noch fraulicher als früher aussehen zu lassen.
Hiltrud hatte sich nach der Trennung von Boris nie mehr mit einem Mann eingelassen. Obwohl es immer wieder den einen oder anderen Interessenten gegeben hatte, der ihr sein Herz zu Füßen legen wollte, hatte sie als gebranntes Kind stets das Feuer gescheut. Außer einem gelegentlichen gemeinsamen Abendessen oder Theaterbesuch war nie mehr aus einer Bekanntschaft geworden. Sie wollte unter allen Umständen vermeiden, noch einmal an einen wie Boris von Hambach zu geraten. Da mochten sich die entsprechenden Herren noch so nett und zuvorkommend geben. Das war Boris schließlich auch einmal gewesen. Lang, lang war’s her!
Hiltrud blickte von ihren Büchern auf, als sie draußen vor dem Hotel einen Wagen vorfahren hörte, dessen knatterndes Motorgeräusch ihr seltsam bekannt vorkam. Sie erhob sich von ihrem Schreibtisch, trat ans Fenster und schob den Vorhang ein wenig zur Seite.
»Aber das ist ja ...« Sie sah stirnrunzelnd auf die Uhr. »So früh?«
Hiltrud ließ СКАЧАТЬ