Sammelband 4 Krimis: Mordgeflüster in Venedig und drei andere Krimis. A. F. Morland
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Читать онлайн книгу Sammelband 4 Krimis: Mordgeflüster in Venedig und drei andere Krimis - A. F. Morland страница 22

СКАЧАТЬ Blitz flammte auf, und Lydias Herz übersprang einen Schlag. Sie sehnte sich nach Bergesfelden zurück.

      „Ist Ihnen kalt?“, fragte der junge Araber.

      „Nein.“

      „Hängen Sie sich trotzdem mein Jackett um“, verlangte er, und die Krankenschwester gehorchte.

      Der freundliche, idyllische Mondsee verwandelte sich in ein böses Ungeheuer. Wellen schlugen wild gegen das kleine Boot und Spritzwasser klatschte herein.

      Lydia klammerte sich an den Bootsrand und blickte immer wieder ängstlich zum Himmel hoch. Der Wind wurde zum Sturm, fast schon zum Orkan, und er kam von Bergesfelden her. Unermüdlich kämpfte Harun Achbar dagegen an, aber Lydia hatte den Eindruck, dass sie kaum vom Fleck kamen. Die ersten Regentropfen fielen. Schwer, groß, kalt. Jeder Tropfen, der Lydia traf, war wie ein Schlag.

      „Es hat keinen Zweck!“, schrie die blonde Krankenschwester. „Sie vergeuden sinnlos Ihre Kraft, Harun! Rudern Sie mit dem Wind!“

      „Dann entfernen wir uns noch mehr von unserem Ausgangspunkt.“

      „Das macht nichts. Wichtig ist nur, dass wir so bald wie möglich an Land kommen.“ Sie musste schreien, damit Harun Achbar sie verstand. Das Unwetter nahm beängstigende Ausmaße an.

      Der Araber setzte die Ruder ein. Eines drückte er nach vorn, während er das andere zurückzog. Auf diese Weise drehte er das Boot, und wenig später ruderte er wie wild mit dem Wind. Nun kamen sie sehr schnell vorwärts.

      Der Regen wurde dichter. Sturmböen schüttelten das kleine Boot und trieben es auf einen schmalen Schilfgürtel zu. Harun Achbar versuchte nicht, es zu verhindern, sondern nutzte die Kraft des Sturms, um schneller an Land zu kommen. Eine Welle hob das Boot weit zwischen die geduckten Halme hinein. Harun Achbar ruderte jetzt noch schneller, und wenig später lief das Boot auf Grund auf.

      In einer Entfernung von hundertfünfzig Metern stand eine schäbige Holzhütte, deren offene Tür wild hin und her pendelte.

      „Dort finden wir Schutz!“, rief der junge Araber. „Kommen Sie, Lydia!“ Er war aus dem Boot gesprungen, griff nun mit beiden Händen nach ihrer schmalen Taille und hob sie heraus. Dann packte er ihre Hand und zog sie mit sich.

      Der Regen peitschte gegen ihren Rücken, und das Haar hing ihnen in nassen Strähnen herab.

      Lydia wusste jetzt schon, dass sie dieses Erlebnis nie vergessen würde.

      Sie stolperte, und wenn der junge Mann ihre Hand nicht gehalten hätte, wäre sie gestürzt.

      Es blitzte, donnerte. Der Regen platschte auf den Boden und machte ihn weich und glitschig. Und dann ... Kein Regen mehr. Ein Knall. Harun Achbar hatte die Tür zugeworfen. Es gab keinen Riegel und kein Schloss. Nur ein Stück Draht. Damit befestigte der junge Araber die Tür. Rüttelnd und klappernd machte sich der Sturm daran zu schaffen, aber er bekam die Tür nicht mehr auf.

      Lydia sank atemlos gegen die Wand. Ihr Busen hob und senkte sich sehr rasch. Zum offenen Fenster fauchte der Wind herein und brachte den Regen mit. Das Wasser rann auch durch das Dach, das an vielen Stellen undicht war. Aber dort, wo Lydia stand, war sie geschützt.

      Keuchend trat Harun Achbar zu ihr. Es war düster in der Hütte, und seine dunklen Augen hatten einen eigentümlichen Glanz.

      „Tut mir leid, Lydia“, sagte er. „Ich hätte die Bootsfahrt nicht vorschlagen sollen.“

      „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Harun. Ich hätte bei meinem Nein bleiben können. In dieser Hütte habe ich keine Angst mehr. Draußen auf dem See wäre ich vor Angst beinahe umgekommen.“

      „Nun haben Sie es bereits zum zweiten Mal getan.“

      „Was getan?“, fragte sie.

      „Mich bei meinem Vornamen genannt.“

      „Ja. Vielleicht sollte ich das nicht tun ...“

      „O doch. Bitte, Sie müssen.“

      „Sie sind ...“

      „Ich bin gar nichts, Lydia. Nur ein junger Mann, der sich in dem Moment unsterblich in Sie verliebte, als er Sie zum ersten Mal sah.“

      „Aber ...“

      „Pst“, sagte er leise und legte ihr den Finger auf die Lippen. „Sei still! Sag jetzt nichts! Ich will keinen Einwand hören. Ich fühle, dass ich dir nicht gleichgültig bin. Lydia, mir ist noch nie eine Frau wie du begegnet. Du bist so schön, so rein, so edel. Ich ... ich habe dir versprochen, mich wie ein Gentleman zu benehmen. Aber nun möchte ich dich küssen. Bitte. Weise mich nicht ab!“

      Das will ich ja gar nicht, dachte Lydia aufgewühlt. Zum Teufel mit allen Schranken und Barrieren. Ich bin zu schwach, um mich gegen die Liebe wehren zu können. Mir bleibt nichts anderes als bedingungslose Kapitulation übrig.

      Sein Gesicht kam näher, und sie schlang ihre nassen Arme um seinen nassen Hals und presste ihre Lippen auf seinen Mund, denn auch sie wollte diesen ersten, langen, himmlischen Kuss.

      „O Lydia“, flüsterte er in ihr Ohr. „Lydia ... Mein Engel. Mein alles. Ich kann dir nicht sagen, wie glücklich ich bin.“

      „Wir sind verrückt, Harun.“

      „Nein, das sind wir nicht. Wir nehmen nur unser Recht auf Liebe in Anspruch. Jeder Mensch hat dieses Recht. Auch wir beide.“

      „Ja. Ja, aber ...“

      „Es gibt kein Aber, Lydia.“

      „Du bist der Sohn eines Scheichs.“

      „Was stört dich daran?“

      „Nichts. Nur ... Du wirst eines Tages Yanba regieren.“

      „Denkst du, das hindert mich, dich weiter zu lieben? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“

      „Wir sollten uns mit dem Augenblick begnügen, nicht an morgen denken und uns nichts von der Zukunft wünschen, Harun. Seien wir bescheiden! Nehmen wir dankbar, was wir bekommen, und wenn es zu Ende ist, dürfen wir nicht traurig sein.“

      „Zu Ende? Was redest du denn? Diese Liebe darf nicht enden. Niemals. Das lasse ich nicht zu.“

      „Uns bleiben fast zwei Wochen. Wir werden jede Minute dieser himmlischen Zeit nutzen.“

      „Zwei Wochen. Zwei Monate. Zwei Jahre. Zwei Leben lang werden wir uns lieben“, sagte der junge Araber leidenschaftlich, und er drückte sie so fest an sich, dass ihr die Luft wegblieb, aber sie genoss es.

      Sie lernte den Himmel auf Erden kennen. Das war mehr, als andere Frauen je erfuhren.

      Hatte sie einen Grund, mit dem Schicksal zu hadern? Zwei Wochen ein Leben im Himmel ... Wog das nicht alles auf?

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