Sammelband 4 Krimis: Mordgeflüster in Venedig und drei andere Krimis. A. F. Morland
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СКАЧАТЬ wie ich dafür kann, dass ich Deutsche bin. Ausländer ... Es ist ein Kunstwort. Heben Sie alle Grenzen auf, und es gibt keine Ausländer mehr - nur noch Menschen.“

      Harun Achbar lächelte. „Ihre Ansicht gefällt mir, Schwester Lydia. Ihr leidenschaftliches Plädoyer lässt mich erkennen, dass ich die richtige Wahl getroffen habe.“

      Sie musterte ihn eingehend. Meinte er ehrlich, was er sagte? Tat sie ihm unrecht, wenn sie ihm unterstellte, er wäre nur auf ein flüchtiges Abenteuer aus?

      Er fragte sie, ob er sie nun zu seinem Vater bringen dürfe.

      Er fragte!

      Er war freundlich und nett. Er versuchte es ihr so leicht wie möglich zu machen, und es schien ihm sehr viel daran zu liegen, ihr sympathisch zu sein. Er wollte bei ihr „ankommen“, sie für sich gewinnen, das spürte sie ganz deutlich. Und es schienen keine unlauteren Absichten dahinterzustecken.

      Diese neue Erkenntnis machte Lydia noch unsicherer.

      Sollte sich zwischen ihnen beiden etwas angebahnt haben?

      Das war doch unsinnig. Welten trennten sie, die Deutsche, die Krankenschwester, und ihn, den Araber, den Sohn des Scheichs.

      Aber waren sie nicht in erster Linie Menschen?

      Das Schicksal hatte ein junges Mädchen und einen jungen Mann zusammengeführt, und sie fanden offensichtlich aneinander Gefallen. Was konnte daran falsch sein? Was zählte sonst noch? Was sprach gegen eine Freundschaft? Abstammung? Herkunft? Hatte Lydia nicht vorhin behauptet, das würde sie überhaupt nicht interessieren?

      Noch nie hatte in ihrem Kopf ein so heilloses Durcheinander geherrscht. Harun Achbar war für diese maßlose Verwirrung verantwortlich, aber Lydia konnte ihm deswegen nicht böse sein.

      Die Liebe ist eine Pflanze, die überall gedeiht. Sogar im Wüstensand, dachte Lydia, und sie erschrak. Wie konnte sie so vermessen sein, jetzt schon an Liebe zu denken. Freundschaft vielleicht. Aber das war im Moment schon das höchste der Gefühle. Liebe!, sagte sich die junge Krankenschwester. Du spinnst wohl.

      Harun Achbar machte eine einladende Handbewegung. Lydia folgte ihm wie in Trance.

      Er hat mich hypnotisiert mit diesen wunderschönen dunklen Augen, dachte sie. Ich hätte seinem Blick ausweichen sollen. Aber warum eigentlich? Das Gefühl, das ich seither habe, ist großartig.

      Der Sohn des Scheichs öffnete die Tür, die in das angrenzende Zimmer führte, und sagte: „Vater, das ist Schwester Lydia. Sie wird sich während deines Aufenthalts in der Wiesen-Klinik deiner annehmen.“

      Lydia sah die beiden Leibwächter. Sie standen beim Fenster. Der Scheich ging auf sie zu, streckte ihr beide Hände entgegen, und sie spürte, dass sie willkommen war. Sie würde mit Vater und Sohn wunderbar auskommen, das wusste sie von diesem Augenblick an.

      9

      Sabrina Arendt bereute es nicht, wozu es gekommen war. Sie war eine moderne Frau und vertrat die Ansicht, dass es keines Trauscheins bedurfte, einen Mann zu lieben. Wenn das hier vorbei war, würden sie sich trennen und wahrscheinlich nicht wiedersehen. Die Welt ist groß ...

      Sie hatte Halef Mudji Bergesfelden gezeigt, und sie waren auch in der Nähe der Wiesen-Klinik gewesen. Heute war Mudji allein mit dem Auto unterwegs. Er würde vorsichtig sein, daran zweifelte Sabrina nicht.

      Ab und zu nagten in Sabrina Arendt Gewissensbisse. Immerhin leistete sie Beihilfe zu einem Mord. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte. Man konnte behaupten, es wäre eine politische Notwendigkeit, dass Halef Mudji den Scheich beseitigte. Man konnte sich einreden, es wäre Krieg und in einer solchen Ausnahmesituation sei alles erlaubt. Doch sich selbst konnte Sabrina nicht belügen. Sich selbst musste sie eingestehen, dass sie einen Mörder unterstützte.

      Halef Mudji war Ibn Achbars Werkzeug. Und sie war Mudjis Handlanger.

      Mudji tat es für Geld. Sie auch, hatte sie gesagt. Aber sie tat es auch ein bisschen für Ibn Achbar. Um der Tage in St. Moritz willen.

      Die Scheidung von Norbert Palven hatte sie sehr mitgenommen. Sie hatte an Depressionen gelitten. Ibn Achbar hatte sie wieder aufgerichtet. Er hatte ihr neuen Lebensmut gegeben, sie erkennen lassen, dass Norbert nicht der einzige Mann auf der Welt war. Sie tat das alles hier ein bisschen aus Dankbarkeit, und weil Ibn Achbar ihr erklärt hatte, man hätte ihn um den Platz an der Spitze betrogen. Somit verhalf sie ihm nur zu dem, was ihm rechtmäßig zustand. Damit versuchte sie ihr Gewissen zu beruhigen. Aber es wollte nicht so richtig funktionieren.

      Sie wusste nicht, wann Halef in die Villa zurückkehren würde. Er hatte ihr keine Zeit genannt.

      Sie aß eine Kleinigkeit und begab sich anschließend ins Wohnzimmer. Lustlos griff sie nach einer Illustrierten. Bald würden diese Zeitschriften eine neue blutige Sensation haben.

      Den Mord an Scheich Rashid Achbar!

      Ein eigenartiges Gefühl beschlich die junge Frau mit einem Mal. War es die Einsamkeit, die dieses schleichende Unbehagen hervorrief? Was konnte es sonst sein?

      Einsamkeit ... Das war nicht nur ein Wort, das Sabrina Arendt nicht mochte. Es war mehr noch ein Zustand, den sie hasste. Es gab für sie nichts Schlimmeres, als allein zu sein, deshalb stellte sie sich in ihren schlimmsten Alpträumen immer vor, von jeglichem Leben isoliert zu sein, und wenn der Traum besonders peinigend war, kam noch hinzu, dass man sie in eine enge, stockfinstere Zelle gesperrt hatte.

      Aus solchen Alpträumen erwachte sie stets in Schweiß gebadet, heftig keuchend und zitternd.

      Doch das Gefühl, das ihr heute zu schaffen machte, war anders. Fortwährend meldete sich eine Stimme in ihr, die ihr riet, fortzugehen.

      Es ist nicht richtig, was du tust! Du kannst es noch so sehr beschönigen und nach plausiblen Motiven suchen - es bleibt ein großes Unrecht. Noch kannst du es verhindern. Verlasse die Villa! Geh schnell, bevor es zu spät ist! Rufe die Polizei an und sage, was geschehen soll, damit es nicht passieren kann!

      Tu etwas, Sabrina!

      Doch sie schüttelte trotzig den Kopf, erhob sich nicht, ging nicht aus dem Haus. Sie blätterte weiter in der Illustrierten. Auf mehreren Seiten wurde von einer schrecklichen Flugzeugkatastrophe berichtet, die sich auf Mallorca ereignet hatte. Zwei Charterflugzeuge waren auf der Piste zusammengestoßen. Vollbesetzt. Dem flammenden Inferno war niemand entkommen.

      „Das war Gott“, sagte Sabrina bitter. „Hier hatte der Herr über alles Leben seine Hand im Spiel. Was ist dagegen schon der Tod eines einzigen Scheichs.“

      265 Tote, die auf Gottes Konto gingen, gegen einen СКАЧАТЬ