Название: Der Tempel der Drachen
Автор: Frank Rehfeld
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Историческая фантастика
Серия: Die Legende von Arcana
isbn: 9783745201987
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Ein dunkler Punkt, der über dem Horizont träge am Himmel dahinglitt, erregte seine Aufmerksamkeit. Im ersten Moment hielt Aylon das Tier für einen Adler oder einen anderen Raubvogel, aber dann erkannte er, dass nur die Entfernung ihn narrte, und der Punkt wesentlich größer als ein normaler Vogel sein musste.
"Maziroc?"
Mit einem unwilligen Laut richtete sich der Magier auf. "Was ist?"
"Siehst du das Tier da hinten?" Aylon deutete mit der Hand in Richtung des schwarzen Punktes. "Es scheint gewaltig zu sein. Was ist das für ein Wesen?"
Der Magier kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und schirmte sie mit der Hand ab, dann zuckte er mit den Schultern. Er griff nach einem Ring an einem seiner Finger und streifte ihn ab. Er bestand aus purem Gold, aber Aylon wusste, dass es sich um etwas weit Kostbareres als nur ein Schmuckstück handelte. Ein Skiil. Er hatte es bereits einige Male in Mazirocs Arbeitszimmer gesehen und kannte seine Funktion. Es ließ Entfernungen vor den Augen seines Besitzers schrumpfen. Maziroc schaute hindurch und suchte den Himmel einige Sekunden lang ab.
"Ein geflügelter Damon", stieß er hervor. Als er den Schrecken auf Aylons Gesicht sah, fügte er rasch hinzu: "Nur eine Dienerkreatur, nicht mehr als ein Tier. Aber mich wundert, dass er sich so weit in den Norden wagt. So nah an Cavillon ist bislang noch nie ein Damon gesichtet worden."
Aylon schauderte. Auch er hatte bislang nur von den Damonen gehört, aber noch niemals selbst einen gesehen. Er warf einen scheuen Blick auf das Skiil, doch es würde ihm nichts nutzen, selbst wenn Maziroc ihm den Kristall gäbe. Umfangreiche Vorbereitungen waren nötig, um sich der magischen Kraft eines Skiils zu bedienen. Es war auf einen Träger fixiert, mit dem es eine symbiotische Verbindung einging, die sich nur mühsam herstellen ließ. Er wandte sich wieder dem Damon zu. "Er scheint etwas zu suchen."
"Vielleicht." Noch einmal hob Maziroc den Kristall vor sein rechtes Auge. "Auf jeden Fall kommt er näher. Wir müssen auf der Hut sein. Es ist besser, wenn wir weiterreiten."
"Kann er uns gefährlich werden?"
"Lass uns aufbrechen", wiederholte Maziroc anstelle einer Antwort. Sie gingen zu den Pferden hinüber und banden sie los. Als Aylon aufsteigen wollte, hielt ihn der Magier am Arm zurück. "Warte noch einen Moment. Ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust und die mentale Ausstrahlung eines Menschen imitierst, damit man dich in Maramon für einen ganz normalen Menschen hält."
"Ich soll meine magischen Kräfte verleugnen? Warum?"
"Zu deiner eigenen Sicherheit. Du bist noch unerfahren. Es braucht nicht gleich jeder zu merken, dass du etwas Besonderes bist. Du weißt doch, mit welchen Vorurteilen man dir sonst begegnet."
"Wie du meinst." Aylon konzentrierte sich. In der Hoffnung, der Ablehnung der anderen auf diese Art zu entgehen, hatte er schon vor Jahren mit Versuchen begonnen, die geistige Aura eines Magiers nachzuahmen. Zwar hatte er es nicht geschafft, doch nach langer Zeit intensiver Übung war es ihm unter Mazirocs Anleitung immerhin gelungen, das mentale Rauschen eines normalen Menschen fast perfekt zu imitieren. An der Feindseligkeit derjenigen, die ihn kannten, hatte es freilich nichts geändert, sondern ihre Unsicherheit eher noch vergrößert, aber zumindest Fremde vermochte er auf diese Art zu täuschen.
"Etwas stärker", verlangte Maziroc. "Gut so. Und jetzt noch die Augen, sie dürfen nicht mehr grün sein. Bis wir in Maramon sind, hast du noch genug Zeit zum Üben."
"Es ist wegen des Damons, nicht wahr?", vermutete Aylon.
"Nicht direkt", entgegnete der Magier ausweichend. "Aber zum Teil. Das Auftauchen dieser Bestie hier verheißt nichts Gutes, und ich möchte nicht, dass du möglicherweise in irgendetwas hineingezogen wirst."
"In was denn hineingezogen?", fragte Aylon, doch wieder bekam er keine Antwort. Schon vor langer Zeit hatte er gelernt, dass Maziroc stets nur Fragen zu hören schien, die er beantworten wollte.
Ohne weitere Rast ritten sie bis zum frühen Abend durch, wobei sie um alle Siedlungen und Gehöfte einen Bogen schlugen. Immer wieder schaute Aylon zum Himmel hinauf. Gelegentlich verlor er den Damon aus den Augen, aber jedes Mal, wenn er glaubte, dass dieser das Interesse an ihnen verloren oder sie ihn abgeschüttelt hätten, tauchte der winzige dunkle Punkt erneut irgendwo am Horizont auf. Als die Schatten länger wurden und Dämmerung sich über das Land senkte, erreichten sie ein weiteres kleines Dorf, diesmal jedoch machte Maziroc keine Anstalten, es zu umgehen, sondern ritt direkt darauf zu. "Das ist Largon. Das Wirtshaus ist für seinen hervorragenden Weinkeller berühmt", erklärte er, als er Aylons verwunderten Blick bemerkte. "Außerdem schläft es sich in einem bequemen Bett besser, als unter freiem Himmel."
Neugierig schaute Aylon sich um. Der Ort bestand nur aus einigen Dutzend Steinhäusern. Die Menschen, denen sie auf der Straße begegneten, machten einen freundlichen Eindruck. Maziroc schien ihnen kein Unbekannter zu sein, denn sie winkten ihm fröhlich zu und grüßten ihn, wenn er an ihnen vorbeikam. Vor einem Gasthof, über dessen Eingang ein verwittertes, unleserliches Holzschild hing, stieg er vom Pferd. Sofort war er von einer Schar lärmender Kinder umgeben. Lachend warf er ihnen einige Münzen zu. "Komm schon, Aylon", sagte er, während er die Tür öffnete. "Hier haben wir nichts zu befürchten. Ich kenne den Wirt schon seit langer Zeit."
Stimmengemurmel und Lachen schallte ihnen entgegen. Unter der geschwärzten Holzdecke wallte Tabakrauch; es roch nach Wein, abgestandenem Bier und Bratenfett. Das Gasthaus war bereits überraschend gut besucht. Maziroc wollte auf einen der noch freien Tische zugehen, als ein grauhaariger Hüne, ebenso wohlbeleibt wie Maziroc selbst, ihm den Weg vertrat. In der Hand hielt er einige leere Bierkrüge, die er rasch abstellte.
"Maziroc, alter Freund!" Freudestrahlend klopfte er dem Magier auf die Schulter. "Schön, dass du endlich mal wieder hereinschaust."
"Eher ging es leider nicht. Ich hatte in letzter Zeit viel zu tun. Der Junge heißt Aylon. Wir brauchen eine Unterkunft für die Nacht."
"Aber sicher. Ich werde sofort ein Zimmer für euch herrichten lassen und jemand schicken, der sich um die Pferde kümmert. Außerdem seid ihr sicher hungrig und durstig. Der Kleine sieht jedenfalls aus, als könnte er ein ordentliches Stück Fleisch vertragen." Er schüttelte Aylon die Hand. "Nichts für ungut, war nicht böse gemeint, Gäilen."
"Aylon", verbesserte Aylon.
"Dann eben Aylon. Ich bin Harnom. Sucht euch einen Platz aus, ich bringe euch gleich etwas."
"Er ist reichlich geschwätzig, aber ansonsten ein ganz netter Bursche", sagte Maziroc, als sie sich gesetzt hatten und der Wirt durch eine Tür hinter der Theke verschwunden war. "Ich kannte ihn schon, als er ein kleiner Junge war. Damals war er noch spindeldürr, aber mittlerweile hält er jeden für krank, der nicht genauso dick wie er selbst ist."
"Dann musst du ihm ja sehr gesund vorkommen", sagte Aylon anzüglich, erntete ein fröhliches Grinsen des Magiers und ließ seinen Blick durch die Schankstube schweifen. СКАЧАТЬ