Название: Usus Belli
Автор: Thorsten Klein
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Контркультура
Серия: PSYCHE
isbn: 9783347121737
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„Natürlich kenne ich den Grafen und er hat im Gespräch gelegentlich bestimmte Andeutungen gemacht. Aber ich habe immer geglaubt, es sei ein Ablenkungsmanöver. Die Nazis haben sich die Vernichtung des Bolschewismus als Hauptziel gesetzt. Mit seinem Todfeind verhandelt man nicht.“
„Sind Sie sich sicher? Sie haben mir ganz im Gegenteil eine fette Beute versprochen. Die östliche Hälfte dieses fränkischen Marionettenstaates, der sich jetzt Polen nennt. Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann.“
„Sie müssen es ablehnen, Genosse Vorsitzender. Stellen Sie sich vor, wie das international wirkt, wenn Sie mit den Nazis Verträge abschließen. In den westlichen Staaten macht man keine großen Unterschiede zwischen Ihrem Regime und den neuen Machthabern in Deutschland.“
„Trotzdem verhandeln sie ebenfalls mit uns. Sie bieten mir mit ihrer Entente an, dieselben Fehler zu machen, an denen bereits der Zar gescheitert ist. Ich weiß, wie der seine Fehler bezahlen musste. Ich habe nicht vor, es ihm gleich zu tun.“
„Das werden Sie aber, wenn Sie mit den Nazis paktieren. Wir haben im Osten der Sowjetunion für militärische Klarheit gesorgt, um im Westen die Hand frei zu haben. Denn dort ist ein Krieg unvermeidlich. Der Krieg gegen die Nazis.“
„Das sagen Sie mir? Als deutscher Oberst? Haben Sie nun doch vor, militärische Geheimnisse zu verraten? Oder sind sie nur Teil eines politischen Komplotts? Ich habe gehört, nicht alle Deutschen seine mit der Politik ihres neuen Reichskanzlers einverstanden. Gehören Sie dazu?“, fragte Wissarew, wobei er sein aus-dem-Fenster-sehen geschickt dazu benutzte, um zu verbergen, wo er wirklich hinsah.
Wihtania nickte nur und sah ebenfalls in jene Ecke, die Wissarew so interessierte.
Sie benötigte danach nur den Bruchteil einer Sekunde, ihren Entschluss zu fassen. „Genosse Vorsitzender, ich bitte Sie höflichst darum, als Adjutant des Genossen Schukow in die Rote Armee eintreten zu dürfen. Um meine Demission in Deutschland kümmere ich mich selbst, falls Sie meine Bitte positiv bescheiden.“
Natürlich war Wissarew nicht überrascht von dieser Bitte. Aber er schien ernstlich zu überlegen. Dass er dabei leise vor sich hinmurmelte, wen verwunderte das. Schließlich war eine wichtige Entscheidung zu treffen.
„Als Offizier der Roten Armee müssen Sie aber auch sowjetische Staatsbürgerin werden … Hm … ich wollte sagen, sowjetischer Staatsbürger. Das ist Ihnen doch sicher bewusst.“
„Selbstverständlich, Genosse Vorsitzender.“
Wieder murmelte Wissarew eine ganze Weile in seinen Bart. Schließlich nickte er und drehte sich vom Fenster weg wieder zu den beiden Offizieren um. „Der Genosse Schukow soll Ihnen eine anständige Uniform verschaffen. Als Oberst der Sowjetarmee. General werden Sie erst, wenn Sie sich das verdient haben. Sie dürfen wegtreten, Genossen.“
Das taten die Genossen auch. Wortlos.
Schukow sprach erst draußen, im langen Kremlflur, als beide ausreichend von Wissarews Arbeitszimmer entfernt waren. Er sprach gepresst durch die geschlossenen Zähne, um seiner Wut die nötigen Grenzen zu setzen, die der Kreml von ihm verlangte. „Was soll dieser ganze Scheiß, Herr von Ehrlichthausen. Wir sind hier, weil man mich zum Helden der Sowjetunion gemacht hat. Und nun so eine beschissene Intrige? Von Ihnen?“
„Von mir bestimmt nicht. Haben Sie nicht bemerkt, wohin Wissarew die ganze Zeit geblickt hat. Immer in der Hoffnung, wir merken das nicht.“
„Hingesehen? Er hat Selbstgespräche geführt. Das machen alte Männer in hohen Positionen manchmal.“
„Er hat keine Selbstgespräche geführt. Er hat mit meinen Brüdern gesprochen.“
„Mit Ihren Brüdern?“
„Huldrich und Gerrich sind meine Brüder.“
„Die beiden Generale des Zaren? Ich dachte, die seien tot oder in Sibirien.“
„Leider nein. Sie sind immer noch in Moskau und beraten Wissarew. Sie kümmern sich in diesem Land darum, dass die Geschichte ihren richtigen Verlauf nimmt.“
„Sie machen was?“
„Ach Georgi Konstantinowitsch, ich sehe schon, ich muss Ihnen einiges erklären.“
„Dann schießen Sie mal los.“
„Huldrich und Gerrich gibt es schon seit Jahrhunderten“, versuchte Wihtania eine Erklärung zu improvisieren, die der General auch verstand und die sein Weltbild nicht gleich völlig zerstörte. „Sie sind sozusagen ein Teil der Personifizierung Russlands.“
„Ein Teil von was?“
„Der andere Teil ist meine Mutter. Die kennen Sie als Schneekönigin.“
„Haben Sie getrunken, Oberst?“, konnte sich der General die Sache nicht anders erklären.
„Haben Sie mich schon mal trinken sehen, General? Na also. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie meine Familie genauer kennenlernen? Das ist überhaupt die Idee. Wir werden sofort hinreisen. Das geht ganz schnell. Ich glaube, dann muss ich Ihnen nicht mehr so viel erklären.“
Ort: Psyche, Berlin, Prinz Albrecht Straße
„Nein, Sie müssen mir nichts erklären, Herr Reichsführer. Diese Entscheidung unseres Führers war schon lange überfällig“, antwortete Dr. Boelker beflissen.
„Sie billigen sie also, Herr Dr. Boelker?“, fragte Ether.
„Billigen? Ich habe immer gehofft, dass er dieser korrupten und durch und durch von falschen Rechtsgrundsätzen verseuchten Justiz der alten Republik den Garaus macht.“
„Es gibt so vieles, was verändert werden muss. Die Justiz ist nur ein Teil davon. Dieser skandalöse Freispruch der kommunistischen Reichstagsbrandstifter zeigt deutlich, wie notwendig die Gründung eines echten Volksgerichtshofes ist“, stimmte Ether zu.
„Aber dieser Volksgerichtshof darf kein Sondergericht bleiben. Er muss Teil der regulären deutschen Justiz werden, Herr Ether. Ein Oberstes Gericht, gegen dessen Entscheidungen es keine Appellation gibt“, verlangte Boelker.
„Das wird er. Noch in diesem Jahr, Herr Dr. Boelker. Versprochen. Fangen Sie nur rasch mit Ihrer Arbeit an. Der Führer wünscht kurze Prozesse.“
„Wir werden mit diesen Vaterlandsverrätern kurzen Prozess machen. Das verspreche ich Ihnen.“
„Schön. Es ist nötig. Auch wir werden unsere Polizeitaktik ändern, Boelker. Keine nächtlichen Verhaftungen. Kein Erschießen auf der Flucht. Wir holen die Leute am helllichten Tag aus ihren Wohnungen. Wir verurteilen sie in aller Öffentlichkeit durch treue Richter wie Sie. Alle sollen sehen, dieser Staat ist bereit, gegen seine Feinde durchzugreifen.“
„Dann reicht ein Volksgerichtshof aber nicht.“
„Wir arbeiten daran. Es wird bald keinen Teil der Staatsmacht mehr geben, auf den die NSDAP keinen Einfluss hat.“
Ort: Psyche, Berlin, Grunewald, Villa Kowalski
„Du hast umfassenden Einfluss СКАЧАТЬ