Gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
Dränge sie zur Vollendung hin und jage
Die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
Wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
Und wird in den Alleen hin und her
Unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Rainer Maria Rilke
HERBSTGEDANKE
Mach mich, o Herr, doch jenen Blättern gleich,
Die ich verwelkend heut im Sonnenlicht
Auf einer Ulme Gipfel zittern seh'.
Sie zittern, ja, doch nicht aus Furcht, so klar
Erscheint das Licht, und süß, sich von dem Zweig
Zu lösen und sich der Erde zu vereinen.
Sie leuchten auf im letzten Strahl, die Herzen
Schon ganz bereit; es hat der Tod für sie
Die Milde einer sanften Abendröte.
Lass mich wie sie vom höchsten Zweig mich lösen
Des Erdenlebens, ohne Klagelaut,
Erfüllt von dir, wie von dem Sonnenlicht.
Ada Negri
Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade -
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade.
Dort nimm das tiefe gelb – das weiche grau
Von birken und von buchs – der wind ist lau
Die späten rosen welkten noch nicht ganz
Erlese küsse sie und flicht den kranz -
Vergiss auch diese letzten astern nicht-
Den purpur um die ranken wilder reben -
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.
Stefan George
In doppelter Ährenhöhe
schweben die Engel der Unkrautsamen
langsam zum Friedhof hinüber.
Verlöscht sind die heurigen Kerzen
der goldenen Löwenzähne,
feurig werden sie aufgehen
über den Leibern der Toten
und mir im Herzen schon bald.
Christine Lavant
Fallt, Blätter, fallt! Sterbt, Blumen, dahin!
Nacht, werde länger, und kürzer, Tag!
Jedes Blatt, vom Herbstbaum flatternd,
spricht zu mir Seligkeit.
Ich werde lächeln, wenn Kränze aus Schnee
blühen, wo sonst die Rose wächst;
singen werd' ich, wenn ausklingend die Nacht
trüberen Tag führt herauf.
Emily Jane Brontë
VERFRÜHTER HERBST
Schon riecht es scharf nach angewelkten Blättern,
Kornfelder stehen leer und ohne Blick;
Wir wissen: eines von den nächsten Wettern
Bricht unserm müden Sommer das Genick.
Die Ginsterschoten knistern. Plötzlich wird
Uns das fern und sagenhaft erscheinen,
Was heut wir in der Hand zu halten meinen,
Und jede Blume wunderbar verirrt.
Bang wächst ein Wunsch in der erschreckten Seele:
Dass sie nicht allzusehr am Dasein klebe,
Dass sie das Welken wie ein Baum erlebe,
Dass Fest und Farbe ihrem Herbst nicht fehle.
Hermann Hesse
DIE TAGE FALLEN
Die Ernten sind eingebracht.
Nur noch die Flüsse wachsen
und flicken die zerrissene Erde.
Die Tage fallen mit dem Laub
ins Dunkle,
verlöschen in schwebenden Feuern
und steigen als Rauch in die Nacht.
Die Glocken erschrecken den Himmel,
läuten die Kälte ein.
Wolfgang Bächler
HERBST
O trübe diese Tage nicht,
Sie sind der letzte Sonnenschein,
Wie lange, und es lischt das Licht
Und unser Winter bricht herein.
Dies ist die Zeit, wo jeder Tag
Viel Tage gilt in seinem Wert,
Weil man's nicht mehr erhoffen mag
Dass so die Stunde wiederkehrt.
Die Flut des Lebens ist dahin,
Es ebbt in seinem Stolz und Reiz,
Und sieh, es schleicht in unsern Sinn
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