Название: Liebe und Schicksal im Adelshaus: 6 Romane Sammelband
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Короткие любовные романы
isbn: 9783745213423
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Nur diesmal war es noch schlimmer.
Denn sie wurde verfolgt.
"Susanne!", hörte sie Wilfrieds Rufe.
Seine Schritte halten in den dunklen Mauern wider. Sie machte die Lampe aus, damit man sie nicht sofort sah. Es war stockdunkel um sie herum.
Susanne tastete sich vorwärts. Nur, wenn sie allzu unsicher geworden war, machte sie kurz die Lampe an, um sich einigermaßen orientieren zu können.
Was soll ich nur machen?, hämmerte es in ihr.
Sie hörte Wilfrieds Stimme noch immer, aber sie schien sich von ihrem Standort zu entfernen.
Susanne atmete tief durch.
Wie habe ich mich nur täuschen können!, ging es ihr durch den Kopf. Ihre Linke umklammerte noch immer den Armreif mit der Gravur. Der einzige handfeste Beweis, den es bislang dafür gab, dass Lisa Reindorf wirklich hier unten gewesen war. Susanne nahm sich vor, diesen Reif deswegen auch auf keinen Fall aus der Hand zu geben. Es sollte nicht ein zweites Mal so gehen, wie mit dem Brief.
Wie habe ich mich in Wilfried nur so täuschen können!, ging es ihr durch den Kopf.
Sie ging weiter, ohne zu wissen wohin.
In diesem unterirdischen Labyrinth war man tatsächlich wie lebendig begraben. Selbst wenn Susanne aus Leibeskräften geschrien hätte, so wäre das durch das dicke Gemäuer kaum in den oberen Etagen zu hören gewesen.
Susanne fühlte sich so allein und verloren wie nie zuvor in ihrem Leben. Aber es half nichts. Sie durfte jetzt einfach die Hände in den Schoß legen.
Immer weiter tastete sie sich in den dunklen Gängen voran.
Als sie Wilfrieds Stimme eine Weile überhaupt nicht mehr gehört hatte, wagte sie es auch, die Lampe wieder anzumachen.
Sie folgte einem langen Gang, der schließlich eine Biegung machte.
Es muss hier irgendwo auch einen Weg hinaus geben!, ging es Susanne durch den Kopf, während ihr Herz wie wild pochte.
Schließlich erreichte Susanne eine Tür aus fingerdickem Eisengitter. Sie ließ sich leicht öffnen und knarrte etwas dabei. Zu ihrer Überraschung gab es hier etwas Licht. Es fiel von draußen herein, durch vergitterte Fensteröffnungen, die sich vielleicht einen halben Meter über dem Boden auf der Ostseite des Schlosses befanden. Susanne hatte sie bei den ausgedehnten Spaziergängen, die sie mit Wilfried unternommen hatte, hin und wieder bemerkt. Das Licht selbst wurde wohl durch die üppige Außenbeleuchtung von Schloss Eichenbach verursacht.
Ein gespenstischer Ort, dachte Susanne.
Wahrscheinlich ein uraltes Gefängnis.
Ein Verlies, dessen vergitterte Fenster so hoch lagen, dass es unmöglich war, durch sie hinauszusehen. Trotzdem sah Susanne jetzt eine Chance. Sie rief, so laut sie konnte.
"Hilfe!", schrie sie, in der Hoffnung, dass da draußen irgendjemand in der Nähe war oder einer der im Ostflügel des Schlosses untergebrachten Gäste vielleicht sein Fenster geöffnet hatte. "Hilfe!" Ihre Stimme hallte zwischen den Mauern des Verlieses wider und dröhnte dadurch so laut, dass Susanne darüber erschrak.
Aber sie bekam keine Antwort.
Zu dieser nachtschlafenden Zeit war sie hier unten verloren.
Sie schritt in Richtung jener Wand, in der sich die hochgelegenen, vergitterten Fenster befanden.
Ein dumpfer Klang ließ sie stoppen. Der Untergrund, auf dem sie ging, hatte sich verändert. Zunächst war es - wie sonst überall in diesen düsteren Kellern - glatter Stein gewesen. Aber jetzt stand sie auf einer staubbedeckten Holzplatte.
"Niemand wird Ihnen helfen", sagte eine kalte Stimme aus dem Hintergrund. Susanne fuhr herum.
Christiane von Buchenberg-Selm trat aus dem Schatten. Das von außen hereinfallende Licht beleuchtete ihr blasses Gesicht. Sie lächelte überlegen. Triumph stand in ihren Zügen.
"Christiane!", entfuhr es Susanne.
"Was ist es, was Sie da in der Hand halten und so krampfhaft umklammern, als hinge Ihr Leben davon ab. Ein Armreif?"
"Ja. Er gehörte Lisa Reindorf."
"Ich weiß. Schließlich habe ich ihn dorthin gelegt, wo Sie ihn schließlich auch gefunden haben..."
"Was?" Susannes Stimme klang tonlos. Langsam begriff sie, welch furchtbarem Irrtum sie anheimgefallen war... "Nicht Wilfried hat Lisa Reindorf umgebracht, sondern Sie!", entfuhr es ihr.
"Ich liebe Wilfried", sagte Christiane mit einem entschlossenen Unterton. "Und ich werde nicht gestatten, dass irgendwer mir den Mann wegnimmt, der für mich bestimmt ist. Glauben Sie an das Schicksal, Susanne? Ich tue es..."
Christiane lachte auf eine Weise, die Susanne schaudern ließ. "Niemand wird Sie hier unten finden, Susanne. In hundert Jahren nicht - so wie auch niemand die arme Lisa Reindorf gefunden hat. Ihre Spur verliert sich hier unten so wie sich auch die Ihre verlieren wird... Wer weiß, vielleicht wird wieder jemand glauben, einen Wagen gehört zu haben... So etwas lässt sich leicht arrangieren."
"Sie wollen mich auch umbringen?", flüsterte Susanne.
Christianes Blick blieb kühl.
Triumph leuchtete in ihren Augen.
"Sie haben mir keine andere Wahl gelassen... genau wie Lisa..."
Susanne trat einen Schritt zurück, während Christiane sich zur Seite bewegte und mit der Rechten eine schnelle Bewegung vollführte. Undeutlich sah Susanne etwas Dunkles schattenhaft aufragen. Es wirkte wie eine Art Hebel. Im nächsten Moment bewegte Christiane diesen Hebel.
Susanne schrie, als sich unter ihr der Boden teilte.
Eine mörderische Fallgrube öffnete sich mit einem durchdringenden, knarrenden Geräusch...
22
Susanne stürzte in die Tiefe, als von einem Augenblick zum anderen kein Boden mehr unter ihren Füßen war. Genau dasselbe war vermutlich mit Lisa Reindorf geschehen, damals, in jener Nacht, als sie spurlos verschwunden war.
Die Grube war tief genug, um sich bei einem Sturz den Hals zu brechen.
Doch Susanne hatte Glück im Unglück, da sie am Rand der Fallgrube gestanden hatte. Mit letzter Kraft gelang es ihr, sich an der Kante festzuhalten. Sie nahm all ihre Kräfte zusammen. Ihr Blick ging hinauf, während sie tief unter sich die Taschenlampe und den Armreif aufschlagen hörte, die sie in den Händen getragen hatte.
Christianes Gestalt tauchte über ihr an der Kante der Fallgrube auf.
"Es gibt kein СКАЧАТЬ