Название: Wir bauen eine Krise
Автор: Rainer Runzer
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Секс и семейная психология
isbn: 9783732377732
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„Herr Voght?“
Nein hier ist sein Sekretär. Herr Voght verziert gerade die Holzfliesen mit seinem Frühstück. „Ja?“
„Herr Dr. Späth ist gerade in einer Sitzung. Kann er sie später zurückrufen?“
„Natürlich. Auf der Nummer, die sie in ihrem Display sehen, bin ich den ganzen Tag zu erreichen.“
„Vielen Dank. Auf Wiederhören.“
„Ja, Wiederhören.“
Dann muss ich mit was anderem anfangen. Am besten hole ich mir erst mal die Zeitung. Da wimmelt es nur so von Krisen. Vielleicht ist ein Aufhänger für mich dabei.
Ich schlurfe durch das leere Café. Vorbei an einem alten Mann mit grauem Rauschebart, der ein Buch liest. Stammgast, so wie ich. Das Buch sieht nach Akademikerlektüre aus: liebloser Einband mit viel zu langem Titel. Vor ihm steht ein Teller mit Krümeln und eine halbleere Tasse mit Tee. Sind diese Dinger aus Glas nun Teegläser oder Glastassen? Vielleicht beides.
Die Zeitung hängt an einem Haken in der Nähe der Glasfront. Hier sitzt noch ein früher Gast. Eine Frau in gelbem Kostüm, die in die Fußgängerzone hinaussieht und mechanisch in ihrer Tasse rührt. Der Schmuck ist dezent, verrät aber einen gewissen Wohlstand. Wie gesagt: hier treffen alle Schichten aufeinander. Zur Mittagspause werden sicher wieder ein paar Handwerker und Studenten hier aufschlagen. Ein bunter Mix, der die Fantasie anregt.
Wieder an meinem Tisch mache ich mich über die Schlagzeilen her. Ein Luftzug, der die Dezemberkälte in das Café weht, drückt mir die dünnen Seiten entgegen. Ich versuche, dagegen zu halten. Erfolglos. Also presse ich die ganze Zeitung auf den Tisch. Das Geräusch des Papiers knistert durch den Raum. Wer immer die Zeitung als nächster lesen möchte, wird ein Bügeleisen brauchen.
Noch bevor ich zur Tür sehe, drückt sich eine kalte und nasse Nase an meine Hand. Hektor schnüffelt und leckt abwechselnd an ihr. Er sabbert weniger als üblich. Ein schwacher Trost, denn der Dogge folgt nun das Herrchen.
„Platz.“
Andreas setzt sich unaufgefordert an meinen Tisch.
„Platz jetzt.“
Mit seinen dünnen Händen drückt er Hektors widerspenstigen Kopf in Richtung Boden. Es geht doch nichts über einen gut erzogenen Hund.
„Rate mal, mit wem ich mich jetzt gleich treffe?“
Mit deinem Schönheitschirurgen, der dir das Grinsen aus dem Gesicht operieren soll? denke ich.
„Keine Ahnung. Mit wem?“
„Ich hab doch einen Liegeplatz für mein Segelboot gesucht…“
Schnell greife ich nach meiner Tasse. Sie ist leer. Verdammt. Jetzt muss ich ihm zuhören, ohne etwas zu haben, womit ich meine Hände beschäftigen kann.
„Du segelst?“
Sein längliches Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse gespielter Enttäuschung.
„Seit drei Jahren schon.“
Und noch nicht den Admiralscoup gewonnen? Na egal, vielleicht merkt er an meinem erstaunten Gesicht, dass es mich nicht interessiert. Aber schon quält er mich weiter mit seinem selbstgefälligen Gequassel über die Probleme, einen Liegeplatz zu bekommen.
Sein Vortrag wird zweifellos den Schluss haben, dass er es auf seine unvergleichliche Weise geschafft hat, doch einen zu kriegen.
Andreas war schon immer ein Angeber, doch seit seiner Beförderung in die Geschäftsleitung ist er völlig abgehoben. Und jetzt stört mich der Typ auch noch bei der Arbeit.
„Ich hatte mal einen Schulkollegen, zu dem ich erst meine Beziehungen spielen lassen wollte. Die Eltern stinken vor Geld und besitzen drei Bootsstege mit sechzig Liegeplätzen. Doch das war mir zu peinlich. Bin ja kein Bittsteller.“ Warum erzählst du mir es dann. Außerdem hast du so viel Pietätgefühl doch gar nicht.
„Klar.“
„Dann hab ich mir gedacht, ich mach es so wie mein Mitschüler auf der Segelschule. Der hat sich ein Bootseignerschaft mit einem Rentner geteilt, der am liebsten unter der Woche in aller Ruhe auf dem See rumschippert und am Wochenende zuhause bleibt, doch so einen Rentner kann ich mir ja nicht aus dem Hut zaubern. Miete kommt für mich auch nicht in Frage, das machen nur Arme, und bei der Rederei Martin will ich mir kein Schiff kaufen, nur um für drei Jahre einen Liegeplatz zu haben.“
Abgesehen davon könntest du dir das nicht leisten.
Das ist was für Leute, die bereits drei Häuser haben und sich aus Langeweile noch ein Boot anschaffen.
„Dann hab ich von nem Freund erfahren, dass er eine reiche Witwe kennt, die einen schönen Scherenkreuzer im eigenen Hafen liegen hat. Ein Erinnerungsstück an ihren verstorbenen Mann, das bewegt werden muss, und dafür sucht sie noch jemanden.“
Toll, dann ist die Geschichte gleich zu Ende.
„Is ja ein toller Zufall.“
„Du musst nur die richtigen Leute kennen. Aber dieser Deal kommt für mich auch nicht in Frage, immerhin will ich mein eigenes Schiffchen fahren und nicht davon abhängig sein, dass die Frau das Boot behalten will und dass ihr meine Nase passt. Aber du weißt ja, wie gut ich mit Menschen kann…“
Wo ist die Kamera wenn du sie brauchst? Das sollte ich aufnehmen und ans Fernsehen schicken. Deutschland sucht das größte Ego.
„Ich hab doch jeden Donnerstagabend meinen Stammtisch in der Hafenkneipe, nicht dass ich so ein Stammtischbruder bin, doch durch meine angenehme Art, sagt nach 3 Monaten der Hafenmeister zu mir, ich soll doch meine Bewerbung um einen Liegeplatz morgen vorbeibringen, denn es wird entschieden, wer den neuen Platz bekommt, der nächste Woche frei wird. Jeden will man ja auch nicht im Hafen, aber ich sei ja so ein netter Menschen, dass er sich für mich einsetzen würde.“
Andreas schlägt auf den Tisch, wohl aus Begeisterung. Ich zucke zusammen und versuche, zu lächeln.
„Der Hammer, oder?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, steht er auf.
„Und jetzt treffe ich mich gleich mit jemandem, der sein Boot verkaufen will. Cool oder?“
Unvermittelt steht Andreas auf und schlendert zu einem Tisch nahe der Fensterfront. Hektor braucht einen Augenblick, um zu bemerken, dass es weiter geht. Die Dogge trottet hinter seinem Herrchen her und setzt sich mit erwartungsvollem Schwanzwedeln vor seinen Stuhl. Wieder wird sein Kopf zu Boden gedrückt.
Ich streiche die Zeitung so glatt es geht. Da trifft ein dumpfes Geräusch mein Ohr. Bwm!
Ich glaube, das kam von der Eingangstür. Da, schon wieder. Bwm! Die Eingangstür ist aus massivem Holz. Die Beschläge aus Messing. Ein kleines Fenster mit dickem Fensterkreuz ermöglicht einen Blick nach draußen. In diesem Fleck aus Tageslicht erscheint das Gesicht eines Mannes, das mich СКАЧАТЬ