Название: Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band
Автор: Gerhard Henschel
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Контркультура
isbn: 9783455005011
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Als wir wieder alleine waren, ging Papa mit Volker und mir zur Mosel, wo wir übten, Steine auf dem Wasser aufditschen zu lassen. Das ging aber nur mit ganz flachen Steinen.
Alle meine Entchen schwimmen im Klosett.
Mama erzählte ich, wir hätten keinen einzigen Stein ins Wasser werfen dürfen.
»Ach Gott, warum denn das nicht?« fragte Mama, und Papa sagte, ich würde Stuß reden. »Die halbe Mosel haben die zugeschmissen!«
Neu an Ostern waren dieses Jahr die großen Holzeier mit Schleife drum und Schlickerzeug drin.
Wenn Mama Fotos machte, stellte Renate ihre Füße immer so schief hin, wie sie es in der Ballettschule gelernt hatte.
Mein schönstes Geburtstagsgeschenk war das Bilderbuch Johannes Nilpferd von Tante Dagmar. Wie Johannes Nilpferd aus dem Zirkus wegläuft und sich im Wald versteckt. Da erschrecken sich alle Tiere, als er gähnt, nur die Vögel auf seinem Rücken nicht, und dann fährt Johannes Nilpferd mit einem Schiff übers Meer nach Afrika und spielt den ganzen Tag im Fluß und freut sich.
Mama wurde immer dicker. Sie hatte ein Umstandskleid an und wollte nicht mehr von der Seite geknipst werden.
»Ich hab ’n kleinen Fußballer im Bauch«, sagte sie, und manchmal durften wir horchen.
In den Füßen hatte Mama Wasser. Wenn das innen in die Füße floß, hätte ich an Mamas Stelle einfach keins mehr getrunken.
Papa sperrte mein Kettcar im Keller weg, weil ich Frau Jahn in der Hofeinfahrt in die Hacken gefahren war, aber ohne Absicht. Frau Jahn war hingefallen, und ihr einer Fuß hatte geblutet.
»Alles wegen dir«, rief Mama. »Hab ich dir nicht tausendmal gesagt, du sollst dich vorsehen? Hier rein, da raus!« Ins Grab würde ich sie noch bringen mit meiner Unartigkeit. Ob ich denn keine Augen im Kopf hätte? »Marsch ins Bett! Aber ’n bißchen plötzlich! Und daß du mir keine Fiesematenten mehr machst!«
Bevor Mama ins Krankenhaus mußte, kam Oma Jever zu uns, und wir machten einen Ausflug nach Treis an der Mosel. Renate pflückte Blümchen, und ich hatte ein Klingen im linken Ohr.
»Dann denkt jemand an dich«, sagte Oma. »Vielleicht Opa? Oder Tante Dagmar?«
Das Klingen hörte aber schnell wieder auf. Die hätten ruhig noch länger an mich denken können.
Das Schwesterchen, das wir gekriegt hatten, hieß Wiebke und war ein Koblenzer Schängel, weil alle in Koblenz auf die Welt gekommenen Kinder Koblenzer Schängel waren.
Ich durfte Wiebke auch mal kurz halten und bei ihr am Hals kille-kille machen.
Sie nuckelte am Fläschchen, bis sie Schluckauf kriegte und das Fläschchen alle-alle war.
Puder, Öl, Nivea und Penatencreme. Auf dem Dosendeckel war ein Schafhirte mit Hirtenstab und Schaf.
Wenn Wiebke gebadet wurde, tunkte Mama vorher den Ellbogen ins Wasser.
Oma Jever brachte mich zu Tante Dorothea und Onkel Jürgen nach Düsseldorf. Da kotzte mir mein Vetter Klaus beim Autofahren meinen blauen Luftballon voll, und als ich im Bett lag, sang mir Tante Dorothea, die eine Schwester von Papa war, ein Gutenachtlied vor.
Der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget.
Die traurigste Strophe war die mit dem kranken Nachbarn, von dem aber man nicht wußte, was der hatte.
Tante Dorothea hatte schon ganz weiße Haare.
Nach der Taufe wollte auch Renate mal mit Wiebke auf dem Arm aufs Foto, durfte aber nur die Hand unter Wiebkes Kopf schieben und hätte fast geheult.
»Na, hat dir der Storch ein Schwesterchen gebracht?« fragte mich Frau Jahn im Treppenhaus.
»Das ist bei meiner Mama aus dem Bauch rausgekrabbelt«, sagte ich, und dann beschwerte sich Frau Jahn bei Mama, daß ich ein loses Mundwerk hätte und daß ich vorlaut und frühreif sei.
Wiebke kriegte Wurzelbrei eingeflößt und klassische Musik vorgespielt.
»Wiebke, sing mal«, sagte Renate, und Papa nahm Wiebkes Getödel auf Kassette auf.
Da fällt herab ein Träumelein.
Aus Leibeskräften schreien konnte Wiebke aber auch.
Beim Spaziergang zum Deutschen Eck mußten wir über die große Moselbrücke, von der aus man das neue Hallenbad sah, wo Renate immer zum Schwimmen hinging.
Auf dem Denkmal am Deutschen Eck war früher Kaiser Willem draufgewesen, aber der war da runtergeschossen worden im Krieg.
Ein kurzes Stück durfte ich dann auch mal den Kinderwagen schieben.
Mama gab acht, daß wir nicht ins Wasser fielen.
Einmal brachte Papa Fische aus der Stadt mit. Die zappelten noch im Einkaufsbeutel rum. Papa schloß sich mit den Fischen im Badezimmer ein und schlug sie in der Wanne mit dem Hammer tot, was man gut hören konnte, auch durch die Tür.
Was macht er in dem Mausekrieg, Mia-Mia-Mausekrieg, was macht er in dem Krieg?
Von den Fischen wollte Renate nichts essen.
Vor der Fahrt nach Jever kriegten wir jeder eine PEZ-Figur. Ich Donald, Volker Goofy und Renate Micky Maus. Da mußte man den Kopf nach hinten klappen und konnte dann vorne das nächste Pfefferminzstück rausnehmen.
Wiebke hatte Hitzepickelchen im Gesicht.
Oma und Opa Jever standen im Garten und verbrannten alte Zeitungen. Die glühenden Fetzen angelte Opa mit dem Rechen aus der Luft.
Den Schweinen hinter dem Zaun am Gartenende warfen wir Fallobst zu, und sie fraßen gierig grunzend alles auf, selbst wurmstichige und angeschimmelte Äpfel mit braunen Stellen und auch Kartoffelschalen, Hühnerknochen und anderes Zeug aus der Küche.
In Hooksiel wohnte Onkel Bertus, der ein Fischerboot hatte. Am Hafen stand eine alte Kanone, und im Wasser wuchsen Bäume. Einen davon hätte ich um ein Haar umgefahren, als Onkel Bertus mich in seinem Boot das Steuerrad halten ließ.
Opa konnte Rauchringe blasen. Wir durften uns nicht bewegen, und Fenster und Tür mußten zu sein. Das Schlüsselloch wurde mit einem Handtuch zugehängt, weil auch durchs Schlüsselloch Zugluft kam.
Als alles vorbereitet war, zündete Opa sich eine Zigarre an. Er kaute auf dem Rauch, machte die Lippen rund, steckte die Zungenspitze raus und pustete dann einen Rauchring aus, der in Richtung Zimmerdecke schwebte.
Renate las vor, was Oma ihr ins Poesiealbum geschrieben hatte. Die glücklichsten Menschen sind nicht die, die am meisten haben, sondern die, die am meisten danken können.
Klassenkameradinnen von Renate hatten Schmetterlinge und Blumen in das Album gemalt. Mit Gott fang СКАЧАТЬ