Название: Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band
Автор: Gerhard Henschel
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Контркультура
isbn: 9783455005011
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Auf Quasdorfs war Mama sauer, weil Renate erzählt hatte, daß sie mit Ulrike bei denen im Badezimmer gewesen war, als Herr Quasdorf in der Wanne gelegen hatte.
Abends konnte man oft hören, wie Herr und Frau Quasdorf sich gegenseitig anbrüllten. Die wohnten ja gleich unter uns.
Über uns wohnte die alte Frau Jahn, die sich im Treppenhaus immer am Geländer festhielt.
Einmal brachte Mama den Müll runter, und als sie den Deckel von der Mülltonne aufmachte, saß Angelika dadrin und war am Kacken.
»Ich hab gedacht, ich seh nicht recht«, sagte Mama. »Sitzt da und grinst mich auch noch frech an. Überhaupt auf so ’ne Idee zu kommen! Ijasses!«
Angelika und das andere Gör, Ulrike, die würden es mal schwer haben im Leben. Kaum aus den Windeln raus und schon völlig verroht. Welche Rabenmutter lasse denn ihr Kind in die Mülltonne kacken? Die gehörten eben zum Plebs. Zum Pofel.
An meinen Bildern fand Renate falsch, daß ich den Himmel immer weiß und die Wolken blau gemalt hatte. Andersrum brauchte man aber viel länger, oder man mußte mehr Wolken malen.
Dann waren die Zootiere, die ich im Fernsehen gesehen hatte, alle bei uns im Hof, auch Zebras und Giraffen und ein Elefant, der mich mit dem Rüssel hochhob, um mich aufzufressen.
Das sei ein Alptraum gewesen, sagte Mama.
Nach Österreich fuhren wir ohne Renate, die lieber nach Jever gewollt hatte und von Papa hingebracht worden war. Hinten im Käfer durfte ich jetzt auf Renates Platz am Fenster sitzen.
Für die Reise hatte ich mir Hänschen im Blaubeerenwald mitgenommen. Das war mit Zwergenkindern, die barfuß im Wald auf Mäusen ritten.
Nach Österreich war’s noch weiter als bis nach Jever.
Mama und Papa hatten einen Bauernhof ausgesucht, der schon vierhundert Jahre alt war und einer alten Oma gehörte, Frau Weitgasser. Leider sei kein Fließwasser nicht da, sagte Frau Weitgasser, aber auf der Alm könnten wir die Tiere sehen in der guten Luft, und für die Kinder gebe es auch genug Platz zum Auslaufen.
Von Volker und mir wollte Frau Weitgasser den Namen und das Alter wissen.
In Österreich war alles voller Berge. Mama hatte Volker und mir kurze Lederhosen gekauft für die Wanderungen und Papa sich selbst einen Spazierstock und ein Fernglas mit Hülle und Henkelband zum Um-den-Hals-Hängen.
Geh aus, mein Herz, und suche Freud!
Wasser konnte man aus Brunnen am Wegrand trinken, und auf einem der Berge lag oben Schnee, mitten im Sommer. Mama machte viele Fotos, und dann machte Papa auch eins von Mama in ihrem blauen Blumenkleid.
Narzissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide.
Bei Regen durften Volker und ich im Kuhstall rumklettern. Da war auch ein quiekendes Schwein mit nassem, schnüffelndem Rüssel und Ringelschwänzchen. Wir warfen dem Schwein Zement aus einem Zementsack zu, der da stand. Das schmeckte dem Schwein, aber Volker sagte, das sollten wir lieber für uns behalten, daß wir das Schwein damit gefüttert hatten.
Dann gab es noch einen Hahn, der aber nicht Kikeriki machen, sondern nur röcheln konnte, und ein Zicklein, das einem abgerupfte Grashalme aus der Hand fraß.
Als eine von den Kühen ein Kalb kriegte, mußten alle Männer mit anfassen, auch Papa. »Kalbiziachen«, sagte Frau Weitgasser dazu.
Das Kälbchen hieß Heinrich. Es tat mir leid, weil es eingesperrt war, und ich ließ es frei. Draußen wußte das Kälbchen aber nicht, wo es hinrennen sollte, und Frau Weitgasser fing es wieder ein.
Mit dem Käfer machten wir Ausflüge ins Gebirge, aber einmal kamen wir nicht weiter, weil die Straße überflutet war.
Papa nahm Glimmerschiefer mit.
Ein Stausee und ein Wasserfall.
In Kaprun kaufte Mama ein Edelweiß, das sie ins Urlaubsalbum kleben wollte.
Wie heißt der König von Wesel?
Für den Abstecher nach Salzburg an Mamas Geburtstag mußten Volker und ich Trachtenjacken anziehen. Mama wollte ins Mozarthaus.
Wir sollten nicht so schlurfen. »Na los, ihr Schlafmützen!«
Salzburg. Als ob die da ’ne Burg gehabt hätten aus Salz.
Im Fiaker durften wir auf dem Kutschbock sitzen, aber Tauben jagen war ungezogenes Benehmen.
Als ich lange husten mußte auf dem Hof und da an der Hauswand stand, kam Papa um die Ecke und sagte: »Du steckst noch die Wand an mit deinem Husten!«
»Ih, wie scheußlich«, sagte Renate, als sie den Faltenrock sah, den Mama ihr in Salzburg gekauft hatte.
Den Blumenkohl auf ihrem Teller suchte Renate immer nach Läusen und Käfern ab.
Gulasch, Gurkensalat und Kartoffeln mit Mehlschwitze. Einmal war das letzte Stück Gulasch so sehnig, daß ich das nicht runterkriegte, aber Mama erlaubte mir nicht, das Gulasch zurück auf den Teller zu spucken. »Keine Widerworte! Und zieh hier nicht so ’ne Flunsch!«
Ich aß dann den ganzen Nachtisch an dem Gulaschwiepen in der Backe vorbei und spülte das Ding nachher heimlich das Klo runter.
Renate kaufte sich jetzt immer Superman. Volker und ich liefen dann bis zum Zeitschriftenladen vor und kuckten uns im Schaufenster an, was bei dem neuen Supermanheft vornedrauf war.
Superman konnte Bäume ausreißen und Pistolen zerquetschen und schon als Kind über Häuser springen, Autos hochheben und beim Rennen Züge überholen. Kugeln prallten an Superman ab. Der war unverwundbar.
Ich selbst konnte mir noch nicht mal die Nägel alleine schneiden.
Komisch war, daß Superman blaue Haare hatte.
Beim Laternenumzug regnete es in meine Laterne rein, und wenn Mama das ausgegangene Licht wieder anzündete, mußte Renate den Regenschirm halten.
Sonne, Mond und Sterne.
Ein Kind war hingefallen und heulte, und ein anderes heulte, weil dem seine Laterne Feuer gefangen hatte und zertrampelt wurde. Rabimmel, rabammel, rabumm! Da hätte ich auch geheult.
Ich sollte auf dem Hof bleiben, wo Mama mich vom Küchenfenster aus sehen konnte, aber ich hatte noch nichts für Papa zum Geburtstag, und ich dachte, ich würde draußen was finden. Ich wollte ja nur einmal rund ums Viertel und immer auf dem Bürgersteig bleiben.
Zigarettenfilter und Streichhölzer lagen da rum, die ich alle aufsammelte, um sie Papa zum Geburtstag zu schenken zum Rauchen. Ich fand auch noch ganz viele Geldscheine, aber als ich die Renate zeigte, sagte sie, das sei bloß das Papier, das die Leute von ihren Zigarettenschachteln abgerissen hätten.
Dabei waren da Adler drauf. Wenn das keine Geldscheine waren! Aber dann hätten die Leute die ja nicht weggeworfen.
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