Название: Tödlicher Crash
Автор: Barbara Wimmer
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783839263167
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Die Beamten klingelten erneut, dieses Mal direkt an der Tür. Dann klopften sie. Dann hämmerten sie. Und warteten. Und nichts geschah. Dem Einsatzleiter riss der Geduldsfaden. »Tür auftreten!« Bei der alten, ungesicherten Tür war das sogar ziemlich einfach. Es brauchte nur einen einzigen schwachen Stoß mit dem Fuß und schon stand das siebenköpfige Squat-Team in der 43-Quadratmeter-Wohnung des arbeitslosen 22-Jährigen.
Manuel Erlach hatte Kopfhörer auf, als die sieben Beamten, von ihm unbemerkt und ungebeten, in seine Wohnung stürmten. Er war mit dem Rücken zur Tür gedreht und spielte an so einem Ding herum, was später als DJ-Controller identifiziert werden konnte. Das war ein Gerät, mit der Erlach die Musik steuerte und zusammenmischte, die in einer ziemlichen Lautstärke aus den beiden Lautsprechern, die am Boden standen, kam. Bum Bumm. Bum Bumm. Bum Bumm. Bum Bumm.
Überhaupt fiel den Beamten sofort auf: Die Wohnung war sehr spärlich eingerichtet. Neben einer Matratze, einer Lampe, einem Tisch mit zwei Sesseln, einer Stereoanlage und einer Kommode, auf der dieses DJ-Zeug aufgebaut war, war nicht viel drin. Die Lampe war gerade so hell, dass man seine eigenen Hände vor den Augen erkennen konnte. Sie hatte sicher maximal 30 Watt und war die einzige Beleuchtung neben einer kleinen Schreibtischlampe, die auf der Kommode platziert war. Neben der Matratze stand ein Aschenbecher, der überquoll. Daneben lagen der Tabak, den man für Selbstgedrehte verwendete, sowie eine halbleere Wodkaflasche und ein gebrauchtes Kondom. Welche Frau würde freiwillig in diesem Loch übernachten, fragte sich Hufnagl.
Der 22-Jährige hatte die Beamten noch immer nicht registriert, so vertieft war er in seine Musik. Hufnagl sah sich weiter intensiv im Raum um: Der einzige Computer, den er entdecken konnte, stand zwischen dem Verdächtigen und seinem DJ-Controller und wurde gerade benutzt. Also ortete Hufnagl keine Gefahr, dass der Verdächtige das Teil so schnell würde entsorgen können. Es ließ ihn auch relativ rasch daran zweifeln, dass dieses schmale, junge Bürschchen etwas anderes tat, als sich wie ein Superhero vorzukommen, obwohl er nichts weiter war als ein arbeitsloser Drogensüchtiger.
Während Hufnagl den Raum mit seinen Augen durchforstete, hatte ein anderer Beamter sich einer einfachen, altbewährten Methode, die auch so manches Elternteil bei seinen Kindern bereits eingesetzt hatte, um auf die Anwesenheit eines Erziehungsberechtigten aufmerksam zu machen, bedient: Er zog den Stromstecker. Schlagartig war es still im Raum. Totenstill.
Erlach drückte zuerst wie wild an den Knöpfen auf dem DJ-Controller herum, ehe er sich umdrehte. »Oida, meine Aufnahme ist im Arsch!«, fluchte er vor sich hin. Doch dann entdeckte er die Eindringlinge in seinem Heim. »Was, was … wer sind Sie? Was machen Sie hier?«, waren seine ersten Fragen. Er war sichtlich schockiert und hatte nicht mit einer Hausdurchsuchung gerechnet. Seine Pupillen weiteten sich vor Schreck. Er konnte es gar nicht fassen, dass da plötzlich sieben Männer in seiner Wohnung standen. War das wegen dem bisschen Haschisch, das er noch zu Hause hatte?
Das konnte doch nicht sein! Der Konsum von Marihuana und Haschisch wurde in den letzten Jahren zunehmend toleriert. Und verkauft hatte er das Zeug nie. Und vom Koks, das er gestern Abend im Club zu sich genommen hatte, war nichts mehr übrig. Die Drogen konnten also auch nicht dafür verantwortlich sein, dass da plötzlich sieben Polizisten mitten in seinem Zuhause standen. Waren die Beamten etwa hier, weil er ab und zu illegale Musik-Files aus dem Netz runtergeladen hatte? Aber das war doch stets die Ausnahme gewesen! Er versuchte, seine Musik für die Partys, so weit es eben finanziell ging, zu kaufen und nicht gratis aus dem Internet zu saugen. Das stand im DJ-Codex. Das machte man alleine schon aus Respekt den Künstlern gegenüber nicht. Er hatte sich nur ein paarmal nicht daran gehalten, als er wirklich total pleite war. Und er hatte sich die Musik immer nachträglich auch noch legal gekauft, wenn er wieder Geld erwirtschaftet hatte. Aber das konnte es doch auch nicht sein, oder? Zwar waren mittlerweile echt viele Webseiten im Netz blockiert, die Musik illegal angeboten hatten, aber dass die Polizei deshalb zu irgendwem persönlich gekommen wäre, davon hatte er noch nie gehört.
»Herr Erlach, wir haben hier einen Durchsuchungsbefehl für Ihre Wohnung. Uns interessiert besonders Ihr Computer. Wie viele Computer besitzen Sie und wo haben Sie Daten gespeichert? Vielleicht auf USB-Sticks oder externen Festplatten?«
»Was genau wollen Sie denn mit meinem Computer?«, fragte Erlach schüchtern. Er hatte sichtlich Respekt vor den Beamten. Hufnagl wusste bereits nach den ersten Antworten, dass dieser Junge nichts mit dem Tod Steinrigls zu tun haben konnte. Dennoch mussten sie sich an die Vorschriften halten und die Hausdurchsuchung korrekt abwickeln.
»Mitnehmen wollen wir ihn. Er ist konfisziert. Sie kriegen ihn frühestens in sechs Monaten wieder zurück, bis wir alles genauestens geprüft haben.«
Für Erlach brach eine Welt zusammen. Auf seinem nigelnagelneuen Laptop, der noch keine zwei Monate alt war, befand sich doch all seine Musik. Und ohne Musik konnte er seine DJ-Karriere vergessen. Vorbei war es dann mit »DJ Zoombox«. Mit einem Schlag. Man war in der Szene schon out, wenn man sich ein paar Wochen wegen Krankheit nicht auf den Partys blicken ließ, und es reichte, um Wochen danach keinen Auftrag mehr zu bekommen.
»Sechs Monate? Aber warum das denn?«
»Das werden Sie noch früh genug erfahren.«
Die Beamten sammelten den Computer ein, auch den Akku dazu und die 20 USB-Sticks, die alle direkt neben dem Laptop – einem Lenovo Thinkpad – lagen, und verschwanden, so wie sie gekommen waren. Durch die zerstörte Tür. Hufnagl tat der 22-Jährige irgendwie leid. Er sah seine verzweifelten Augen, die knapp davor waren, Tränen zu produzieren. Er sah, wie der Junge, der sowieso schon ganz blass war, weil er scheinbar aufgrund seines regen Nachtlebens kaum Sonnenlicht abbekam, regelrecht verfiel. Aber Auftrag war Auftrag.
»Wir schicken Ihnen heute noch jemanden vorbei, der die Tür repariert. Schönen Tag noch!«
Zurück blieb ein völlig verstörter, total perplexer »DJ Zoombox« in einer fast leeren, heruntergekommenen Wohnung. Sein Mix, den er gerade aufgenommen hatte fürs Radio, war zerstört. Sein Equipment fort. Erlach nahm einen Schluck aus der halbleeren Wodka-Flasche und griff zum Telefon. Er rief seinen besten Freund an: »Du, Fritz, bei mir war gerade die Polizei. Stell dir vor, sie haben meinen Computer mitgenommen!«
»Warum das denn?«
»Ich weiß es nicht! Ich habe keinen blassen Schimmer. Die zwei Gramm Gras haben sie nicht die Bohne interessiert. Glaubst du, das ist wegen der Musik-Files? Dabei habe ich doch fast alles gekauft!«
»Glaube ich nicht. Vielleicht hat dich irgendein Dealer verpfiffen. Was die dann mit deinem Rechner wollen, weiß ich allerdings auch nicht.«
»Du, kann ich beim nächsten Gig gemeinsam mit dir auflegen? Du bekommst auch die Hälfte meiner Gage und ich ruf den Veranstalter noch heute an, dass wir gemeinsam spielen!«
»Hmm … ja, klar. Easy, Bro. Natürlich!«
Und schon war DJ Zoombox wieder eine Spur entspannter. Auf seinen Homie, seinen besten Kumpel, konnte er sich einfach verlassen. Da war es ihm auch egal, warum die Beamten eigentlich seinen Laptop konfisziert hatten. Hauptsache, sein Ruf als DJ wurde nicht beschädigt.
»Scheiß СКАЧАТЬ