Graues Land. Michael Dissieux
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Название: Graues Land

Автор: Michael Dissieux

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783969441619

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СКАЧАТЬ ich Sarah füttere, beginne ich erstickt `Blue Spanish Eyes´ zu summen.

      Unser beider Lieblingslied.

      Der graue Spalt zwischen den Fensterläden wird zu tiefem Schwarz. Irgendwann setze ich mich in den großen Korbsessel, den ich vor das Fenster gestellt habe und der so ausgerichtet ist, dass ich Sarah betrachten kann.

      Sie ist eingeschlafen, nachdem ich ihre Windeln gewechselt habe.

      Das Tablett mit dem leeren Teller und der noch halb vollen Teetasse steht auf dem Nachttisch neben dem Bett.

      Meine Gedanken schweifen ab. Während ich auf das bleiche Oval von Sarahs Gesicht starre, denke ich an Barry. Wie mag es ihm wohl ergangen sein? Und was ist mit Ashley? Was mit Demi? Die nächste Fragen, die unweigerlich folgen, sind, ob unser Sohn und seine Familie überhaupt noch am Leben sind. Ob es ihnen gut geht, und falls ja, was sie wohl gerade tun.

      Wie immer, wenn diese Fragen wie ein Rudel gefräßiger Raubtiere über mich herfallen, spüre ich eine schmerzhafte Beklemmung in der Brust, und das Atmen fällt mir schwer. Wie oft habe ich Barrys Nummer gewählt, als das Telefon noch funktionierte? Und wie oft habe ich der anonymen Computerstimme gelauscht, die mir emotionslos mitteilte, dass der Gesprächspartner vorübergehend nicht erreichbar sei. Ich konzentriere mich wieder auf Sarah und lausche ihrem zufriedenen Brummen und gelegentlichen tiefen Luftholen. Dann schließe ich selbst die Augen, und die gespenstische Stille dieser toten Welt nimmt mich mit in einen unruhigen Schlaf.

      `Ich muss die Vorräte auffüllen´, denke ich noch.

      Dann schlafe ich ein.

      Sarah hat mich zu einem leidenschaftlichen Schwimmer gemacht. Schon als ich sie das erste Mal im Haus meines Bruders gesehen hatte, war ich in das tiefe Blau ihrer Augen eingetaucht.

      Und auch heute Abend existiert nur diese berauschende Farbe in meiner kleinen Welt.

      Während ich neben ihr hergehe, werfe ich immer wieder verstohlene Blicke in ihre Richtung. Sie hält den ihren gesenkt, so dass ihr Gesicht in den Schatten ihres langen Haares verborgen ist.

      Auf diese Weise kann sie mich nicht dabei ertappen, wie ich sie immer wieder ansehe.

      Selbst ihr Schatten, der von den Straßenlaternen auf das Pflaster geworfen und verzerrt wird, hat etwas Sinnliches.

      Die Art und Weise, wie unsere beiden Schatten miteinander auf dem Grau der Straße harmonieren, gefällt mir. Irgendwie habe ich das unbestimmte Gefühl, dass die beiden Konturen zueinander gehören. Wir werden beide in die Länge gezogen, wenn die Laterne hinter uns zurückbleibt, und verschwinden kurz, wenn die nächste Lampe auftaucht.

      Ich bin versucht, unsere Schatten miteinander verschmelzen zu lassen, indem ich ihre Hand nehme. Doch der Gedanke ist absurd.

      Dieser Abend ist unser erster von unzähligen, die noch folgen sollten.

      So behalte ich den Wunsch bei mir und konzentriere mich darauf, einen möglichst seriösen Eindruck auf Sarah zu machen. Mein Vater hat mir einmal gesagt, der erste Eindruck, den man bei einer Frau hinterlässt, sei der Wichtigste.

      Sie redet nicht viel, und wenn, dann mit leiser Stimme.

      Die meiste Zeit schweige auch ich, da ich weiß, dass es viele Frauen nicht gerne haben, wenn ihre männliche Begleitung zu viel redet.

      Seit einer Woche bin ich nun aus Europa zurück.

      `Eine Auszeit nehmen´, nannte ich meinen Trip über den Atlantik. Mein trister Bürojob war mir zuviel geworden, ebenso die stets gepflegten Masken meiner Kollegen und das gleißende Neonlicht, denen ich acht Stunden am Tag ausgesetzt war.

      Das, in Verbindung mit dem hektischen Klappern der Schreibmaschinen, hatte mich irgendwann zu der Überzeugung gebracht, dass es an der Zeit war, ein paar Wochen Urlaub zu nehmen und dem mechanisierten und langweiligen Leben den Rücken zu kehren. Mit meinen Ersparnissen konnte ich mir eine Reise quer durch Europa finanzieren. Und so hatte ich voller Inbrunst die Metropolen des Kontinents besucht, von denen ich normalerweise nur aus den Zeitschriften oder dem Fernsehen etwas erfahren hatte.

      Paris, London, Athen und München waren nur einige Stationen meiner Odyssee gewesen. Und in jeder dieser Städte fühlte ich mich, trotz des Trubels und der lauten Menschen, zufrieden und entspannt. Obwohl die Rastlosigkeit, die sie ausstrahlten, die Eile im Büro noch bei Weitem übertraf.

      Am zweiten Tag, nachdem ich wieder sicher in der Heimat gelandet war, hatte mich mein Bruder Alan in sein Haus eingeladen, um den Abend mit ihm und seiner Frau Sheila beim gemütlichen Abendessen zu verbringen.

      Zu diesem Anlass war auch Sheilas beste Freundin Sarah eingeladen.

      Ob es Zufall war oder ein inszeniertes Spiel wusste ich nicht zu sagen.

      Doch war ich Alan und Sheila für dieses Arrangement durchaus dankbar gewesen.

      Denn von diesem Abend an war Blau meine Lieblingsfarbe.

      Es hat weitere zwei Tage gedauert, bis ich endlich den Mut gefunden hatte, Sarah über die Telefonnummer, die mir Sheila mit einem Augenzwinkern zugesteckt hatte, anzurufen. Und weitere zwei Tage musste ich harren, bis ich endlich mit ihr durch die Straßen unserer kleinen Stadt schlendern konnte.

      Wir sind auf dem Weg zu einem kleinen Restaurant, das mir Alan empfohlen hatte.

      Wenn ich daran denke, Sarah beim Essen gegenüberzusitzen, bekomme ich weiche Knie. Ich weiß, dass ich sie anstarren und mich wie ein kleiner, schüchterner Junge verhalten werde. Ihr außerdem Komplimente wegen ihrer herrlichen Augen machen werde, die sie alle schon hundert Mal gehört hat. Und ich werde ihr meine Abenteuergeschichten aus dem Büro erzählen, bis sie sich gelangweilt von mir abwendet.

      `Dieser Abend ist etwas ganz Besonderes in meinem Leben´, denke ich mir. Und gleichzeitig werde ich mit jedem Schritt, mit dem wir uns dem Restaurant nähern, nervöser.

      So seltsam sich das auch anhören mag, aber ich will nicht, dass die beiden Schatten auf dem trostlosen Pflaster jemals wieder getrennt werden …

      Ein langgezogenes, unmenschliches Heulen lässt mich aufschrecken.

      Verwirrt blicke ich mich um. Die Kerze ist heruntergebrannt. Die Flamme der Petroleumlampe leuchtet ruhig.

      Die Schatten im Zimmer haben sich in ein vergessenes Grau gewandelt.

      Von Sarahs Bett kann ich ein leises Schnarchen hören.

      Ein Blick zum Holzladen vor dem Fenster bestätigt mir meine Vermutung. Ich muss am Abend eingeschlafen sein und habe die ganze Nacht in dem Korbsessel verbracht.

      Das Heulen …

      Erschrocken starre ich auf den grauen Spalt zwischen den Läden. Der neue Tag beginnt mit der gleichen Dunkelheit wie die Tage davor.

      Fast eine Minute lausche ich angestrengt. СКАЧАТЬ