Tief eingeschneit. Louise Penny
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Название: Tief eingeschneit

Автор: Louise Penny

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Ein Fall für Gamache

isbn: 9783311700852

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СКАЧАТЬ Vater steckte bis zum Hals im Matsch und in der Scheiße, Pferde- und Menschenscheiße. Das Essen war von Maden befallen. Seine Haut verfaulte ihm am lebendigen Leib. Haare und Zähne fielen ihm aus. Sie hatten schon lange aufgehört, für den König und das Vaterland zu kämpfen, sie kämpften nur noch füreinander. Er liebte seine Freunde.«

      Kaye blickte zu Em, dann zu Mother.

      »Die Jungs nahmen Aufstellung und pflanzten auf den Befehl hin ihre Bajonette auf.«

      Alle beugten sich noch weiter vor.

      »Der letzte Trupp war eine Minute vorher losgestürmt, sie waren allesamt niedergemäht worden. Sie konnten die Schreie hören und die sich windenden zerfetzten Körper sehen, die in den Schützengraben gestürzt waren. Jetzt waren sie an der Reihe, mein Vater und seine Freunde. Sie warteten auf den Befehl. Er wusste, dass er sterben würde. Er wusste, dass er nur noch ein paar Minuten zu leben hätte. Er wusste, dass er nur noch ein paar Worte sagen konnte. Und wisst ihr, was die Jungs riefen, als sie losstürmten?«

      Die Welt hatte aufgehört, sich zu drehen, und wartete gespannt.

      »Sie bekreuzigten sich und riefen: ›Scheiß auf den Papst.‹«

      Die Freunde zuckten alle gleichzeitig zusammen, als hätten die Worte, das Bild sie getroffen. Kaye wandte sich zu Clara und sah sie aus ihren wässrigen blauen Augen prüfend an. »Warum?«

      Clara fragte sich, wie Kaye auf die Idee kam, dass sie das wusste. Sie wusste es nicht. Sie war klug genug, nichts zu sagen. Kaye ließ ihren Kopf sinken, als wäre er plötzlich zu schwer, ihr schmaler Nacken bildete eine tiefe Furche in ihrem Schädel.

      »Wir sollten gehen, meine Liebe. Du musst müde sein.« Em legte ihre schmale Hand auf Kayes Arm, und Mother Bea nahm den anderen, die drei alten Frauen gingen langsam aus der Buchhandlung. Heim nach Three Pines.

      »Das gilt auch für uns. Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit?«, fragte Myrna Ruth.

      »Nein, ich bleibe bis zum bitteren Ende hier. Ihr Ratten müsst kein schlechtes Gewissen haben. Lasst mich einfach zurück.«

      »Die heilige Ruth unter den Heiden«, sagte Gabri.

      »Unsere Königin unter den Dichterfürsten«, sagte Olivier. »Wir bleiben bei dir.«

      »Da war mal ’ne Frau namens Ruth«, sagte Gabri.

      »Die verlor niemals den Mut«, sagte Olivier.

      »Komm, lass uns gehen.« Myrna zog Clara weg, auch wenn Clara gerne gewusst hätte, welchen Reim auf Mut sie gefunden hätten. Skorbut? Mahut? Nein, ein richtiges Wort wäre besser. Dichten war schwerer, als es aussah.

      »Ich muss nur noch eine Kleinigkeit erledigen«, sagte Clara. »Es dauert bloß eine Minute.«

      »Dann hole ich das Auto, wir treffen uns draußen.« Myrna eilte davon. Clara ging in die kleine Brasserie von Ogilvy’s und kaufte ein Sandwich und ein paar Weihnachtsplätzchen. Dann nahm sie noch einen großen Kaffee mit und machte sich auf den Weg zur Rolltreppe.

      Sie hatte Schuldgefühle wegen des Obdachlosen, über den sie hinweggestiegen war, als sie in das Kaufhaus gegangen war. Sie hegte insgeheim den Verdacht, wenn Gott jemals auf die Erde kommen sollte, dann in Gestalt eines Bettlers. Und wenn er das nun gewesen war? Oder sie? Egal. Wenn es Gott war, hatte Clara das tiefe, fast spirituelle Gefühl, dass sie es verdorben hatte. Als sich Clara zu den vielen Leuten auf der Rolltreppe gesellte, entdeckte sie ein bekanntes Gesicht, das ihr entgegenkam. CC de Poitiers. CC hatte sie auch gesehen, davon war sie überzeugt.

      CC de Poitiers umklammerte den Handlauf der Rolltreppe und starrte die Frau an, die gerade im Untergeschoss die Rolltreppe betrat. Clara Morrow. Diese blasierte, ewig lächelnde, selbstgerechte Dorfschnepfe. Die stets von ihren Freunden umringt war, immer in Begleitung dieses gutaussehenden Ehemanns, mit dem sie angab, als wäre es mehr als eine Grille der Natur, dass sie sich einen der Montréaler Morrows geschnappt hatte. CC spürte, wie Wut in ihr aufstieg, als Clara sich mit großen, glücklich strahlenden Augen näherte.

      CCs Griff verstärkte sich, sie konnte sich gerade noch davon abhalten, sich über die glatte Metallwand hinweg auf Clara zu stürzen. Sie ballte ihre ganze Wut zusammen und machte ein Geschoss daraus; wäre ihre Brust eine Kanone gewesen, dann hätte sie wie Ahab ihr Herz als Kanonenkugel auf Clara abgefeuert.

      Stattdessen tat sie das Nächstbeste.

      Sie drehte sich zu dem Mann neben ihr und sagte: »Schade, dass du Claras Arbeiten für die banalen Werke einer Amateurin hältst, Denis. Du glaubst also, dass sie nur ihre Zeit verschwendet?«

      Als Clara an ihr vorbeifuhr, hatte CC die Befriedigung, ihr selbstgefälliges, arrogantes, hässliches kleines Gesicht in sich zusammenfallen zu sehen. Volltreffer. CC bedachte den verdutzten Fremden neben ihr mit einem Lächeln, es war ihr völlig egal, ob er sie für nicht mehr ganz dicht hielt.

      Wie im Traum verließ Clara die Rolltreppe. Der Boden schien sehr weit unten zu sein, die Wände wichen zurück. Atme. Atme, befahl sie sich, von der Angst befallen, dass sie tatsächlich sterben könnte. Von Worten getötet. Von CC getötet. Ganz beiläufig, grausam. Sie hatte in dem Mann neben CC Fortin nicht erkannt, aber sie kannte ihn ja auch nur von Fotos.

      Die banalen Werke einer Amateurin.

      Dann setzten der Schmerz und die Tränen ein, und sie stand mitten im Ogilvy’s, seit ihrer Kindheit ein Ort der Sehnsucht für sie, und weinte. Schluchzend ließ sie ihre kostbaren Geschenke auf den Marmorboden sinken, sie legte das Sandwich, die Plätzchen und den Kaffee vorsichtig ab, wie ein Kind, das dem Weihnachtsmann etwas zu essen gibt. Dann sank sie selbst auf die Knie und empfing ihre letzte Gabe, ein Bündel Schmerzen.

      Die banalen Werke einer Amateurin. All ihre Zweifel, ihre Ängste waren begründet. Die Stimme, die ihr nachts ins Ohr flüsterte, während Peter schlief, hatte nicht gelogen.

      Ihre Arbeiten waren Mist.

      Einkäufer strömten um sie herum, keiner kam ihr zu Hilfe. So wie sie dem Obdachlosen draußen nicht geholfen hatte, wurde Clara auf einmal klar. Langsam sammelte sie ihre Pakete ein, erhob sich und schleppte sich durch die Drehtür.

      Es war dunkel und kalt, der Wind und der Schneefall hatten zugenommen und trafen sie völlig unvorbereitet. Clara blieb stehen, damit sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnen konnten.

      Da, unter dem Schaufenster, auf dem Boden zusammengekauert, saß der Bettler.

      Sie trat näher, sah, dass das Erbrochene nicht mehr dampfte, sondern schon gefroren war. Als Clara näher kam, sah sie, dass es eine alte Frau war. Sie konnte ein paar dünne Strähnen stahlgrauer Haare sehen, magere Arme hielten die verdreckte Decke über den Knien fest. Clara beugte sich nach unten und nahm einen kurzen Moment den Gestank wahr. Es reichte, dass sie würgen musste. Instinktiv wich sie zurück, dann beugte sie sich wieder vor. Sie stellte die schweren Tüten auf den Boden, dann legte sie das Essen neben die Frau.

      »Ich habe Ihnen etwas zu essen gebracht«, sagte sie zuerst auf Englisch, dann auf Französisch. Sie schob die Tüte mit dem Sandwich näher heran und hielt den Kaffee in die Höhe, in der Hoffnung, die Pennerin würde ihn sehen.

      Sie rührte sich nicht. Clara fing an, sich Sorgen zu machen. Lebte sie überhaupt noch? Clara streckte ihre Hand aus und hob das verschmierte Kinn in die Höhe.

      »Geht es Ihnen СКАЧАТЬ