Der neue Dr. Laurin 26 – Arztroman. Viola Maybach
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Название: Der neue Dr. Laurin 26 – Arztroman

Автор: Viola Maybach

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Der neue Dr. Laurin

isbn: 9783740966744

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СКАЧАТЬ hatte, als schwere und unverdiente Niederlage ansah und auf Rache sann.

      »Das ist eine ziemlich tiefe Wunde, Valentin. Ich würde sagen, sie sollte genäht werden, da wird ein Klammerpflaster nicht ausreichen. Ich frage gleich mal drüben in der Klinik nach, ob sie das in der Notaufnahme sofort nähen können.«

      Valentins Stimmung änderte sich, das merkte sie, während sie telefonierte und den Fall schilderte. Ihre Praxis war direkt mit der Kayser-Klinik verbunden, sie befand sich in den Räumlichkeiten, die durch einen Erweiterungsbau entstanden waren. Maxi und sie arbeiteten eng mit der Klinik zusammen, das hatte sich von Anfang an als Vorteil für beide Seiten erwiesen.

      »Nähen?«, fragte Valentin, als sie ihr Gespräch beendet hatte. »Ich … muss ich da eine Spritze kriegen?«

      »Eine kleine, ja«, antwortete Antonia.

      Er biss sich auf die Lippen. Sie wusste, dass er Angst vor Spritzen hatte, seine Schwester, die noch immer nichts gesagt hatte, wusste es auch.

      Jetzt ergriff sie zum ersten Mal das Wort. »Vielleicht hilft dir das, in Zukunft erst nachzudenken, bevor du dich auf jemanden stürzt und dich mit ihm prügelst«, sagte sie in sachlichem Tonfall. »Was ist das überhaupt für eine Art? Nur weil jemand ›Weichei‹ zu dir sagt, haust du ihm eine rein?«

      »Ich kann mir das nicht gefallen lassen«, behauptete Valentin, »sonst wird das jeden Tag schlimmer. Man muss sich wehren, sonst wird man ein Opfer.«

      »Opfer?«

      »Ja, zuerst wirst du beschimpft, dann bedroht, dann verprügelt. Man muss sich Respekt verschaffen.«

      »Das geht auch anders«, sagte Antonia. »Man kann sich zum Beispiel auch mit Worten wehren.«

      »Manchmal, ja, aber nicht bei diesen Hohlköpfen. Die verstehen nur Schläge«, behauptete Valentin.

      »Ich bin überzeugt, dass das nicht stimmt«, widersprach Pia.

      Antonia kam ihr zu Hilfe. »Ich auch. Aber wir können dieses Gespräch jetzt leider nicht fortsetzen, Sie müssten bitte gleich mit Valentin in die Notaufnahme gehen, Frau Moor. Dr. Hillenberg wartet auf Sie, er wird die Wunde nähen.«

      Valentin rührte sich nicht. »Ich will keine Spritze.«

      »Gut«, erwiderte Antonia gelassen, »dann sag Dr. Hillenberg das, er näht sicher auch ohne Spritze.« Sie sagte das, ohne auch nur das Gesicht zu verziehen, denn natürlich würde jeder Arzt auf einer Betäubung bestehen, aber sie kannte Valentin und wusste allmählich, wie sie ihn zu nehmen hatte.

      »Komm schon«, sagte Pia und packte ihren Bruder am Arm, »gehen wir. Danke, Frau Dr. Laurin, bis zum nächsten Mal.«

      Antonia ertappte sich bei dem Wunsch, den beiden zu folgen, um zu erfahren, wie der Kampf um die Spritze ausgehen würde.

      Sie erfuhr es dann später von ihrem Mann: Michael Hillenberg hatte sich der Wunde mit der Nadel genähert, ohne die Stelle vorher örtlich zu betäuben, und die bloße Berührung hatte schon gereicht, um Valentin eines Besseren zu belehren. Er hatte sich die Spritze mit zusammengebissenen Zähnen geben lassen und war hinterher richtig stolz auf sich gewesen.

      *

      Marius Klebert setzte seinen letzten Fahrgast ab und atmete auf. Er war jetzt zehn Stunden gefahren, es reichte ihm. Immerhin: Das Taxifahren ernährte ihn. Nicht so gut wie früher natürlich, aber er kam zurecht, und er hatte seine Ruhe. Er hatte ein paar Stammkunden, die er mehrmals pro Woche fuhr, die gaben auch gutes Trinkgeld. Er verdiente bislang mehr als er brauchte, aber natürlich konnten die Zeiten auch wieder einmal schlechter werden.

      In seinen früheren Beruf jedenfalls würde er nicht zurückkehren. Nie mehr, nach allem, was ihm passiert war. Er versuchte, nicht zu oft daran zu denken, aber es gab Tage, an denen er die Erinnerungen einfach nicht abschalten konnte. Und Nächte, in denen ihn die Geschehnisse verfolgten, sowieso.

      Heute war es gut gelaufen, das Wetter war schön, und er hatte keine Lust, in seiner Wohnung zu bleiben. Er würde einen langen Spaziergang machen und dann irgendwo eine Kleinigkeit essen.

      Er hatte einen Kollegen, mit dem er sich gut verstand, einen türkischen Taxifahrer, der ein sehr netter Kerl war – mit einem Schicksal, das seinem eigenen nicht ganz unähnlich war, denn auch Ali Ucuk konnte nicht mehr in dem Beruf arbeiten, den er einmal gelernt hatte. Er war Jurist, aber um als solcher in Deutschland zu arbeiten, hätte er weitere Prüfungen machen müssen. »Da fahre ich doch lieber Taxi, schließlich muss ich meine Familie jetzt ernähren und nicht irgendwann, wenn ich mit allen Prüfungen fertig bin.«

      Mit Ali traf er sich manchmal auf ein Bier, er war auch schon bei ihm zu Hause eingeladen gewesen, aber das wollte er nicht wiederholen. Keine zu engen Kontakte, keine Verpflichtungen, das war sein neuer Wahlspruch. Zum Glück kam er gut mit sich allein zurecht, er fühlte sich nicht schnell einsam, obwohl er in letzter Zeit öfter gedacht hatte, es müsste schön sein, eine Familie zu haben, in der man sich sicher fühlen konnte.

      Ali hatte ihn schon mehrmals gefragt, wieso er allein war, keine Frau hatte, keine Kinder. Marius sagte dann, dass ihm die richtige Frau noch nicht begegnet sei und dass er sich gerade erst von seiner letzten Freundin getrennt habe und diese Trennung noch verarbeiten müsse. Aber das Thema schien Ali keine Ruhe zu lassen, er kam immer wieder darauf zurück. »Ein Mann wie du braucht eine Frau! Du siehst gut aus, du verdienst gutes Geld, du brauchst eine Frau und Kinder, dann würdest du auch öfter lachen.«

      Marius war schon manches Mal in Versuchung gewesen, ihm die Wahrheit zu sagen, aber er wusste, dass das der größte Fehler gewesen wäre, den er machen konnte. Er würde seine Geschichte niemandem erzählen, er würde sie mit ins Grab nehmen, das hatte er sich fest vorgenommen.

      Und er musste bald wieder umziehen, denn die Frau in der Wohnung unter ihm beunruhigte ihn. Vom ersten Moment an war das so gewesen. Er hatte sie nur einmal sehen müssen und gewusst, dass sie gefährlich für ihn war. Sie war sehr hübsch, hatte ein schönes Lächeln, eine angenehme Stimme, und sie stand mit beiden Beinen im Leben. In eine wie sie konnte man sich verlieben.

      Halt, befahl er sich selbst. Denk nicht einmal dran!

      Zuerst hatte er gedacht, der Junge, mit dem sie zusammenwohnte, sei ihr Sohn, obwohl ihm der Altersunterschied von Anfang an zu gering vorgekommen war. Aber dann hatte er aufgeschnappt, dass dieser Valentin ihr Bruder war, um den sie sich kümmerte, weil die Eltern es offenbar nicht mehr konnten. Das fand er bewundernswert, aber für ihn war es ein weiterer Grund, sich von ihr fernzuhalten. Er wollte sie nicht näher kennenlernen, denn ihm schien, dann würde er sich ganz sicher in sie verlieben, was angesichts seiner Geschichte wirklich katastrophal gewesen wäre – und voll bitterer Ironie. Wenn man sich verliebte, vertraute man einander seine Geheimnisse an. Soweit durfte er es also nicht kommen lassen. Sein Geheimnis musste sein Geheimnis bleiben.

      Er rief Ali an und fragte, ob dieser Lust auf ein Bier habe, aber Ali war schon zu Hause. »Komm doch vorbei und iss mit uns. Wir überlegen, ob wir im Garten grillen.«

      »Wenn ich das Fleisch einkaufen darf, bin ich dabei«, sagte Marius.

      Das wollte Ali zuerst nicht akzeptieren, aber schließlich willigte er ein, und so machte sich Marius auf den Weg zum Metzger. Ein Grillabend im Garten war lockerer als ein Essen bei Alis Familie in der Wohnung.

      An der frischen Luft würde er sich außerdem aufhalten, und die Gesellschaft von Alis lebhafter Familie würde ihn von den Gedanken an seine СКАЧАТЬ