Название: Der neue Dr. Laurin 26 – Arztroman
Автор: Viola Maybach
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Der neue Dr. Laurin
isbn: 9783740966744
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»Wir halten das für selbstverständlich, Sie müssen das bitte nicht mehr erwähnen. Die beiden übernehmen vieles, sie haben schon mehrfach gekocht. Natürlich können sie das nicht so gut wie Sie, aber sie machen das sehr ordentlich. Und unseren Kindern tut es ganz gut, dass sie mal wieder etwas mehr mit anfassen müssen, glauben Sie mir. Wir sind alle ein bisschen verwöhnt worden von Ihnen, das merken wir jetzt wieder so richtig.«
»Ich bin auch verwöhnt«, stellte Simon ganz ruhig fest. »Ich habe einen schönen Arbeitsplatz, darf lauter Dinge tun, die ich gern tue, und ich werde noch ordentlich dafür bezahlt. Das ist Luxus.«
»Aber Sie putzen doch nicht im Ernst gern, oder? Ich weiß, wir haben schon darüber gesprochen, aber ich kann es einfach nicht glauben, dass jemand gerne putzt. Kochen ja, das verstehe ich, aber putzen …«
»Ich habe das schon immer gern gemacht, ehrlich. Wissen Sie, was ich daran toll finde?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung!«
»Dass man sofort den Erfolg sieht. Kochen zum Beispiel ist viel mühsamer, man muss erst viel Vorarbeit leisten, und oft weiß man noch nicht einmal, ob am Ende wirklich etwas Gutes oder sogar Außergewöhnliches herauskommt. Wenn man dagegen putzt und danach alles blinkt und blitzt, wird man sofort für seinen Einsatz belohnt.«
»Mhm«, machte Leon, »das leuchtet mir ein. Aber ich glaube, ich würde trotzdem nicht gerne putzen. Dann schon eher Gartenarbeit.«
»Unkraut jäten? Sehr, sehr mühsam, kann ich nur sagen. Fast so aufwändig wie Gemüse schneiden und Kräuter hacken …«
Sie lachten beide, dann fragte Simon: »Gibt es Neues von der Fahndung nach den Typen, die mich niedergeschlagen haben?«
»Viel mehr als das, was in der Zeitung steht, weiß ich auch nicht, aber es soll ja eine Spur geben. Die Spurensicherung hat doch bei uns im Haus Fingerabdrücke gefunden, die sich niemandem von uns zuordnen ließen, die sich aber in einer Kartei der Polizei gefunden haben.«
»Ich hoffe, sie finden sie«, sagte Simon. »Rachsüchtig bin ich nicht, aber sie sollen für das, was sie getan haben, bestraft werden.«
»Der Ansicht bin ich auch. Lili hat übrigens neulich erzählt, dass aus den USA eine Einladung gekommen ist – für Sie alle.«
»Ja, Oscar hat mir auch geschrieben.«
Oscar Becker war der Sohn einer Cousine von Simons, Lilis und Lisas verstorbener Mutter – die drei hatten nicht gewusst, dass in den USA Verwandte von ihnen lebten. Oscar hatte sich in der Heimatstadt seiner Mutter auf die Suche gemacht und hatte die drei Kinder der Cousine seiner Mutter schließlich gefunden. Ihre Begegnung war allerdings von dem Überfall auf Simon überschattet worden. Deshalb hatte Oscar zum Abschied auch nachdrücklich auf einem baldigen Wiedersehen bestanden – in den USA.
»Ich habe mir überlegt, dass Lili und Lisa in den Ferien in die USA fliegen könnten, ich bleibe auf jeden Fall lieber hier. Vielleicht später einmal.«
»Als Arzt kann ich das nur befürworten. Sie lassen es besser langsam angehen, Simon.«
»Das habe ich vor. Und mal eine Weile die Wohnung für mich zu haben, stelle ich mir auch ganz schön vor. Außerdem ist es so, dass Oscars Mutter an mir viel weniger interessiert sein wird als an Lisa, weil die ja unserer Mutter sehr ähnlich sieht. Das ist Oscar sofort aufgefallen, er kannte Jugendfotos von seiner und unserer Mutter. Ich glaube, er möchte, dass seine Mutter Lisa noch kennenlernt, sie wird ja vielleicht nicht mehr lange leben.«
Leon nickte, er kannte die Geschichte: Oscar Beckers Mutter Elisabeth hatte einen schweren Schlaganfall erlitten, sie konnte nicht mehr gut sprechen. Aber vorher hatte sie ihrem Sohn oft von jener Cousine in München erzählt, die früher wie eine Schwester für sie gewesen war. Diese Erzählungen hatten den Sohn dann letztlich zu seiner Reise nach Deutschland bewogen. Nur hatte er die Cousine eben nicht mehr ausfindig machen können, weil sie bereits verstorben war. Aber immerhin lebten ihre drei Kinder noch – und eins dieser Kinder sah seiner verstorbenen Mutter zum Verwechseln ähnlich und trug den Namen von Oscars Mutter: Elisabeth. Lisa.
»Wissen Lili und Lisa, dass Sie darüber nachdenken, sie in die USA fliegen zu lassen?«
»Noch nicht, es soll eine Überraschung werden. Lisa wird zuerst nicht wollen, sie ist ja immer ein bisschen ängstlich, aber Lili wird sie davon überzeugen, dass sie fliegen müssen, weil sie sonst Oscars Mutter möglicherweise nicht mehr kennenlernen.«
»Ich kann mir denken, dass es Ihnen schwerfallen wird, auf die Reise zu verzichten, denn Sie wollen Frau Becker ja sicherlich auch kennenlernen. Immerhin scheint sie sehr an Ihrer Mutter gehangen zu haben – und umgekehrt.«
»Natürlich möchte ich sie kennenlernen, aber jetzt kann ich so eine weite Reise nicht machen. Das muss warten. Und ich glaube, viel wichtiger ist, dass sie die Mädchen kennenlernt, in ihnen wird sie meine Mutter wiederfinden.«
Leon war beeindruckt von der Klugheit, die aus den Worten seines jungen Patienten sprach. Als er ihn verließ, konnte er jedenfalls Linda Erdem nur Recht geben: Simon war schon fast wieder gesund, und das allein war ein Grund, froh und dankbar zu sein.
*
Als Antonia Laurin sich von einer kleinen Patientin und deren Vater verabschiedete, sagte Carolin Suder, die vorne am Empfang saß und für einen reibungslosen Ablauf in der Kinderarztpraxis von Antonia und ihrer Kollegin Maxi Böhler sorgte: »Frau Moor ist gerade mit ihrem Bruder gekommen, Frau Doktor. Er hat eine ziemlich heftig blutende Wunde an der Stirn. Mal wieder.«
»Dann ziehen wir ihn vor. Wie sind wir denn in der Zeit?«
»Alles gut, kaum Verspätung«, erwiderte Carolin und ging zum Wartezimmer, um Pia Moor und ihren Bruder ins Sprechzimmer zu bitten.
In der Tat: Der Mull, den der Junge auf seine Wunde presste, war blutdurchtränkt. Er war blass, sah jedoch eher wütend und gekränkt aus als schmerzgeplagt.
»Was ist denn passiert?«, fragte Antonia ihn, als er auf der Untersuchungsliege Platz genommen hatte und sie vorsichtig den Mull abzog, um sich die Wunde genauer anzusehen.
Pia Moor schwieg, sie ließ meistens ihren Bruder reden, wenn sie der Ansicht war, dass er eine Frage besser beantworten konnte als sie. Also war sie bei dem Unfall – oder was immer zu dieser Wunde geführt hatte – nicht dabei gewesen.
»Da ist mir jemand blöd gekommen«, nuschelte Valentin.
Er war ein hübscher, lang aufgeschossener Junge, schon jetzt fast so groß wie seine vierzehn Jahre ältere Schwester. Beide hatten braune Haare, aber bei Pia Moor waren sie lang und glatt, bei ihrem Bruder kurz und lockig. Er hatte außerdem Sommersprossen auf der Nase, die bei seiner Schwester fehlten. Ihr Gesicht war eher schmal und fein geschnitten, seins war rund, die braunen Augen blickten angriffslustig in die Welt.
»Blöd gekommen?«, fragte Antonia, während sie die Wunde untersuchte.
»Na ja, der hat mich als Weichei bezeichnet, da musste ich ihm natürlich eine reinhauen, und danach hat er mir eine reingehauen, und dann kam noch ein Kumpel, der ihm geholfen hat, zu zweit haben sie mich geschubst, und ich bin geflogen und auf ’ner scharfen Kante gelandet.« Valentin hatte schnell gesprochen und weiterhin in diesem nuscheligen Ton, ohne seine Schwester oder Antonia anzusehen. Gegen Ende seines СКАЧАТЬ