Jesus war kein Europäer. Kenneth E. Bailey
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Jesus war kein Europäer - Kenneth E. Bailey страница 8

Название: Jesus war kein Europäer

Автор: Kenneth E. Bailey

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783417228694

isbn:

СКАЧАТЬ (Bezug zu 1 mit seinem „Bund“/„Vertrag“, der von der Natur der Sache her ein gewisses Maß an „Glauben“ erfordert) b) wird nicht ängstlich eilen (steht in Verbindung zu 8, wo „nicht bestehen bleiben“ und „zertreten werden“ den wertlosen Bund charakterisieren, der aus den Angeln gehoben werden wird)

      Manch einer mag diese Art von Betrachtung für „interessant“ und „künstlerisch ansprechend“ halten, doch hat sie auch eine Bedeutung für die Auslegung? Jahrhundertelang hat die Kirche die meisten Texte, die in diesem Buch untersucht werden, als linear betrachtet: ein Punkt folgt auf den nächsten. Doch selbst wenn man die Darstellung dieser rhetorischen Muster nur in manchen Fällen überzeugend findet, hat dies Konsequenzen für die Auslegung. Dazu einige Hinweise:

       1. Wenn der Autor seine Argumentation in einer ABC-CBA-Struktur vorbringt, erscheint die Hälfte von dem, was er über „A“ zu sagen hat, in der ersten Zeile; die zweite Hälfte muss in Zeile 6 nachgelesen werden. Das Gleiche gilt für die zweite Zeile (B) und die fünfte Zeile (B), die wiederum ein Paar bilden. Wenn man diese Gedankenpaare übersieht, entgeht einem ein wichtiger Teil der Argumentation des Sprechers.

       2. „Gespiegelte Parallelismen“ stellen den Höhepunkt in die Mitte, nicht ans Ende. Wie bereits angemerkt, wird dieses rhetorische Stilmittel oft als „Ringkomposition“ bezeichnet, weil die Gedanken des Autors im Kreis verlaufen und wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren. Ein einfaches Beispiel für dieses Phänomen findet sich in Lukas 16,13.

      Kein Haussklave kann zwei Herren dienen;

      denn entweder wird er den einen hassen

       und den anderen lieben,

       oder er wird dem einen anhängen

       und den anderen verachten.

       Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.

      Die erste und letzte Zeile zusammengenommen machen deutlich, dass es sich bei den zwei Herren, von denen Jesus hier spricht, um Gott und um materiellen Besitz handelt. Beide erheben Anspruch auf das Leben des Glaubenden und dieser muss die grundlegende Entscheidung treffen, wem er dieses Recht gewährt. Zudem wird im Höhepunkt in der Mitte die Liebe und Hingebung zu einem Herrn (Gott) betont. Der auf lineare Logik geschulte Verstand geht davon aus, dass der Höhepunkt immer am Ende steht. Wenn das jedoch nicht der Fall ist, muss der Ausleger wissen, wie er den Klimax findet.

       3. Es lässt sich oft viel genauer feststellen, wo eine bestimmte Erzählung beginnt und endet, wenn ihre rhetorische Form erkannt wird. In 1. Korinther 1,17–2,2 schreibt Paulus einen großen Hymnus auf das Kreuz. Die in der westlichen Welt übliche Trennung zwischen Kapitel 1 und 2 findet jedoch an der falschen Stelle statt. Der Hymnus eröffnet mit dem Hinweis auf die Verkündigung Christi, des Gekreuzigten. Er wird in der Mitte und am Ende noch einmal erwähnt.11 Die rhetorische Form kennzeichnet den Anfang und das Ende dieses Meisterstücks und ermöglicht, es im Ganzen zu betrachten.

       4. Eine rhetorische Analyse legt kleinere Abschnitte frei, die als Einheiten erkannt werden können, anstatt sie zu übersehen oder in einzelne Teile zu zerlegen.

       5. Eine rhetorische Betrachtung befreit den Leser auch von der Tyrannei des Zahlensystems. Sie erlaubt dem Text, seine Gedanken selbst anzuordnen. Zahlen, so nützlich sie auch zur Orientierung sein mögen, führen den Leser unbewusst dazu, die Gedanken oder Geschichten linear, der Zahlenabfolge entsprechend zu verstehen. Eine rhetorische Betrachtung befreit uns von 1650 Jahren Herrschaft der Kapitelüberschriften und 450 Jahren unterschwelliger Steuerung durch Verszahlen.

       6. Manchmal ist die rhetorische Anordnung des Materials eine wichtige Entscheidungshilfe für die Wahl der griechischen Lesart, wenn es mehrere davon gibt. Äußere Belege dafür, welche Texte die ältesten und zuverlässigsten sind, besitzen große Wichtigkeit. Doch auch die inhärenten Belege durch die rhetorischen Stilmittel verdienen Beachtung.

       7. Die Parallelen zwischen den Strophen (linear, spiegelverkehrt oder in Stufen) erschließen oft wichtige Bedeutungsebenen, die andernfalls im Dunkeln blieben. In Jesaja 28,14-18 spricht der Prophet über die Gefahr für die Nation durch das assyrische Heer unter dem gefürchteten Sanherib. Die „Beherrscher dieses Volkes, das in Jerusalem ist“ (V. 14) hatten einen Bund mit Ägypten geschlossen und versicherten dem Volk, es sei in Sicherheit. Jesaja war nicht davon überzeugt. Die ägyptische Welt drehte sich um einen Totenkult. Jesaja bezeichnet diesen Bund mit Ägypten als „Bund mit dem Tod“ (lies: Ägypten). In Strophe 1 stellt der Prophet die Position der Regierung dar und widerlegt sie in Strophe 7 Zeile für Zeile. Der Leser sollte in der Lage sein, ihm in seiner vernichtenden Kritik zu folgen.

       8. Hin und wieder finden sich in den Evangelien kunstvoll gestaltete Textstellen, zu denen „Fußnoten“ hinzugefügt wurden. Dies ist in Lukas 12,35-38 der Fall, wo die Formulierung „wenn er in der zweiten Wache und wenn er in der dritten Wache kommt“ das Gleichgewicht der Zeilen stört. Eine weitere „Fußnote“ taucht in der zweiten Hälfte von Lukas 4,25 auf. Diese Anmerkungen lassen sich erkennen, wenn man die rhetorische Grundstruktur freilegt. Solche „Fußnoten“ sind ein Beleg für das hohe Alter des zugrunde liegenden Textes.

       9. Wie bereits erwähnt, sind diese rhetorischen Stilmittel typisch jüdisch und lassen sich nicht nur bis zu den Schriften der Propheten zurückverfolgen, sondern auch darüber hinaus. Ihr erneutes Erscheinen im Neuen Testament zeigt, dass diese Texte der jüdischen und nicht der griechischen Welt entstammen – ein weiterer Beleg für die historische Authentizität des zugrunde liegenden Textes.

      10. Nicht erst im zwanzigsten Jahrhundert wurden intelligente Menschen geboren. Angesichts dieser durchdachten und kunstvollen rhetorischen Stilmittel wird unser Respekt vor ihren Verfassern weiter zunehmen.

      Mit der rhetorischen Betrachtung biblischer Texte ist es wie mit dem Saxofon: Schlecht spielen lässt es sich leicht.12 Die hier vorgetragene rhetorische Analyse ist ein Anfang, und ein weiterer Feinschliff ist unverzichtbar.

      In der westlichen Welt wird bei der Auseinandersetzung mit der Bibel nur selten über die Inspiration der Schrift gesprochen. Paul Achtemeier schreibt, dass die Lehre von der Inspiration „in den letzten zwei oder drei Jahrzehnten eher durch ihre Abwesenheit als durch ihre Gegenwart auffiel. In vielen Kreisen wurde sie durch Nichtbeachtung gewürdigt“.13 Die Kirchen des Nahen Ostens leben seit über tausend Jahren als Minderheit in einem Meer des Islam. In einer solchen Welt kann man der Frage nach der Inspiration der Schrift nicht aus dem Weg gehen. Die islamische Welt glaubt, der Koran sei dem Propheten Mohammed durch den Engel Gabriel diktiert worden, kapitelweise über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg, und zwar im beduinischen Arabisch des siebten Jahrhunderts. Der Stoff selbst gilt sowohl als unerschaffen wie auch als ewig und kann daher nicht übersetzt werden. Dieses Ereignis wird mit dem Ausdruck „nuzūl al-Qur’an“ (das Herabkommen des Koran) bezeichnet. Das gleiche Verb beschreibt den „Abstieg“ eines Bergsteigers von einem hohen Gipfel. Im Islam ist der Koran ein präexistentes Ganzes, das aus der Höhe „herabkommt“.

      Frühe kolorierte Manuskripte der Evangelien zeigen auf der ersten Seite häufig eine Abbildung, wie ein Engel dem Schreiber des Evangeliums die Worte diktiert.14 In manchen Kreisen herrscht eine unausgesprochene Sehnsucht nach der Gewissheit, die dem islamischen Verständnis von Inspiration nahesteht.

      Doch der griechische Grundtext des Neuen Testaments lässt für eine solche Auffassung keinen Raum. Stattdessen sind vier Stufen zu berücksichtigen, die unsere kanonischen Evangelien СКАЧАТЬ