Название: Krise am Golf
Автор: Robert Fitzthum
Издательство: Bookwire
Жанр: Путеводители
isbn: 9783853718773
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Die Forderung der USA, eine Militärmission zum »Schutz« der Seewege im Persischen Golf aufzustellen, an der sich auch die Europäer beteiligen sollen, ist gefährlicher als ein Embargo oder die Blockade des Iran. Derartige Maßnahmen haben in der Geschichte immer wieder das Kriegsrisiko erhöht, wie etwa in der Berlin- und der Kubakrise von 1948 bzw. 1963.
Kriegsrisiko
Die Regierung Trump verhängte eine Reihe von Sanktionen über den Iran, obwohl dieser das Abkommen im Gegensatz zu den USA nicht verletzte. Schrittweise verschärften die USA unter Trump ihre Haltung gegenüber dem Land. Die Ermordung von General Qassim Soleimani durch US-Drohnen am 3. Januar 2020 kam einer Kriegserklärung gleich. Ähnlich hatte sich die Politik von Präsident George W. Bush auf den Irak konzentriert, was sich als dramatischer Fehler herausgestellt hat. Das Nuklearabkommen und das Nuklearprogramm des Iran erscheinen ebenso als Vorwand wie die behauptete Existenz von Massenvernichtungswaffen vor der US-Intervention der USA im Irak 2003. Mit seiner Dämonisierung Teherans hat Trump das Fundament gelegt, auf dem ein neuer Krieg entstehen kann.
Allerdings hat die iranische Wirtschaft über die 40 Jahre seit der Revolution 1979 eine starke Resilienz entwickelt, sodass eine derartige Entwicklung nicht in Sicht ist. Was die innere Kaufkraft betrifft, so liegt der Iran immer noch weltweit an 18. Stelle.40 Sichtbar ist das durch relativ volle Geschäfte, Märkte und Restaurants.41 Doch ist ein Großteil der Mittelschicht indirekt oder direkt vom Staat abhängig. Dieser finanziert sich großteils über Öl- und Gasverkäufe. 40 Prozent der staatlichen Einnahmen stammen daraus. Durch die Sanktionen sank der Ölverkauf allein im Jahre 2019 um 40 Prozent. Die daraufhin erfolgte Erhöhung des Benzinpreises um 50 Prozent und mehr führte zu spontanen Protesten. Anzeichen eines Umsturzes sind aber nicht bemerkbar, wenn auch vereinzelt politische Forderungen erhoben werden. Das negative bzw. stagnierende Wirtschaftswachstum läge ohne Sanktionen bei einem Plus von 7 bis 8 Prozent. Faktisch alle großen international tätigen Unternehmen haben sich aus dem Iran zurückgezogen, weil sie Angst vor den Sanktionen haben, die die USA gegen Unternehmen verhängen, die mit den Iran Wirtschaftsbeziehungen eingehen. Die europäischen Länder wollen ihr Geschäft mit den USA nicht verlieren. Der Handel der EU mit den USA ist schließlich 30 Mal höher als mit dem Iran. Somit brach der Handel der EU mit dem Land zu Beginn 2019 um 70 Prozent ein.
Wie in allen Vorkriegszeiten häuften sich Ereignisse wie Anschläge auf Schiffe im Persischen Golf und deren Beschlagnahme oder Raketeneinschläge auf Ölanlagen in Saudi-Arabien. Dadurch erhöht sich das Kriegsrisiko dramatisch. Solche Zwischenfälle können real sein, hoch- oder heruntergespielt werden oder gar konstruiert sein.
Ein Beispiel für einen konstruierten Zwischenfall war der angebliche Beschuss eines amerikanischen Schlachtschiffes durch ein nordvietnamesisches Schnellboot im Golf von Tonkin im Jahre 1964. Nachdem es eine unbedeutende Auseinandersetzung einige Tage zuvor gegeben hatte, fand dieser nicht statt. Er war aber die Basis für eine Resolution des US-Kongresses, die den zehnjährigen Vietnamkrieg auslöste. Ein anderes Beispiel ereignete sich 1988 nach dem Eintritt der USA im Verlauf des Irak-Iran-Krieges 1980–1988, in dem die USA den Irak unterstützten. Ein US-Kriegsschiff wurde von irakischen (nicht iranischen!) Torpedos getroffen. Die USA vernichteten daraufhin die iranische Tankerflotte und das US-Kriegsschiff »Vincennes«, das sich in iranischen Gewässern befand, schoss ein iranisches Zivilflugzeug ab. Der Airbus 300 wurde laut Angaben der US-Navy mit einer F-14 verwechselt. Von den 290 Insassen überlebte keiner.
Zwischenfälle wie der Abschuss eines ukrainischen Zivilflugzeuges nahe Teheran im Januar 2020 durch iranische Luftabwehrraketen mit 176 Opfern entstehen in derart angespannten Situationen. Dieser war die Folge der völkerrechtswidrigen Ermordung des Kommandanten der Quds-Elitebrigade General Qasem Soleimani im Irak durch US-Drohnen. Damit wurde das Kriegsrisiko dramatisch erhöht. Der Iran reagierte mit einem Gegenschlag auf US-Anlagen, wobei es wegen Vorwarnungen, die wahrscheinlich teilweise vom Iran selbst kamen, keine Opfer gab. Der getötete iranische General Soleimani war ein offizieller Vertreter des Iran (gleichrangig mit dem US-Verteidigungsminister). Wenn die Raketen, die den General töteten, von diesen Anlagen aus gestartet wurden, dann war die iranische Reaktion ein Akt von Selbstverteidigung nach Artikel 51 UN-Charta.
Amerikanische Opfer wären für die USA ein triftiger Grund, militärisch auf iranisches Territorium loszuschlagen, was wieder für den Iran unannehmbar wäre. Wenn aus den Anschlägen kontinuierlich wachsende gewaltsame Akte entstehen, kann die Tötung von Soleimani als Beginn eines Krieges gesehen werden. Die beiden Staaten könnten in einen langen Aufstands- und Abnützungskrieg verwickelt werden. Präsident Trump hat mit der Ermordung von General Soleimani versucht, eine Neugestaltung der US-iranischen Beziehungen, wie das Präsident Obama mit seiner Engagementpolitik anstrebte, zu zerstören.
Europas Schwäche
Die europäischen Parteien des Abkommens (Frankreich, Großbritannien, Deutschland) schufen einen Mechanismus INSTEX (Instrument for Supporting Trade Exchanges) zur Aufrechterhaltung des Handels mit dem Iran trotz US-Sanktionen. Dennoch zogen sich die großen europäischen Unternehmen aus Angst vor den sogenannten Sekundärsanktionen der USA aus dem Iran zurück.42 Somit musste sich INSTEX auf humanitäre und medizinische Produkte beschränken. Die europäischen Staaten sind nicht in der Lage, den Verlust, den der Iran durch die US-Sanktionen erleidet, zu kompensieren, wie der Iran erwartet hatte.43
Als Reaktion darauf begann der Iran, die Begrenzungen im Abkommen langsam zu überschreiten. Derartige Maßnahmen eines Partners sind im Abkommen erlaubt, wenn sich andere Partner nicht daran halten (Artikel 26, 36). Es ist ein Paradoxon, dass US-Präsident Trump und Israels Premierminister Netanjahu dem Iran die Verletzung des Abkommens vorwarfen, nachdem sie es als das schlechteste aller Zeiten bezeichnet und die USA sich daraus zurückgezogen hatten. Allerdings kann der Iran nicht glaubhaft vermitteln, dass er keine Nuklearwaffen anstrebt und gleichzeitig mit dem schrittweisen Ausstieg aus dem Nuklearabkommen die Europäer unter Druck setzen. Der Iran kann aber mit dieser Taktik Präsident Trump in Verlegenheit bringen, wenn er knapp vor den US-Präsidentschaftswahlen im November 2020 die technischen Voraussetzungen erreicht, eine Nuklearbombe zu bauen. Knapp vor den Wahlen würde der Präsident sich entscheiden müssen, zu einer militärischen Aktion zu schreiten oder diesen Zustand zu akzeptieren.
Der Iran kündigte nach der Ermordung von General Qasem Soleimani an, dass er sich nicht mehr an die Vorgaben des JCPOA halten würde. Die USA und Israel werden umgehend dem Iran vorwerfen, eine Nuklearwaffe bauen zu wollen. Das kann einen Vorwand für eine militärische Intervention bieten, wie dies schon vor der Irak-Intervention der USA von 2003 der Fall war.
Um den Iran wieder zur Einhaltung des Abkommens zu zwingen, riefen die EU-3 Mitte Januar 2020 den im Abkommen vorgesehenen Streitschlichtungsmechanismus der »Gemeinsamen Kommission« an. Wenn nach 30 Tagen unter Beteiligung der Außenminister keine Einigung gefunden werden kann, befasst sich der UN-Sicherheitsrat mit dem Vorwurf der Verletzung des Abkommens. Nach weiteren 35 Tagen ohne Einigung treten die UN-Sanktionen gegen den Iran automatisch wieder in Kraft (»snap back«), wenn keine Abstimmung dagegen stattfindet. Das würde das endgültige Aus des JCPOA bedeuten. Nicht nur Trump, sondern auch die Europäer haben damit zum Ende des Abkommens entscheidend beigetragen. Der Iran hat angekündigt, dass er auch den Atomwaffensperrvertrag (NPT) verlassen könnte, sollten die Europäer die Entscheidung an den UN-Sicherheitsrat verweisen. Es gibt die Vermutung, dass die iranische Administration den Europäern gedroht hat, auf Autoimporte 25 Prozent Strafzölle zu verhängen.44
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