Der Junker von Denow und andere Erzählungen. Wilhelm Raabe
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Junker von Denow und andere Erzählungen - Wilhelm Raabe страница 2

Название: Der Junker von Denow und andere Erzählungen

Автор: Wilhelm Raabe

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066115319

isbn:

СКАЧАТЬ der Teufel die meineidigen Schufte und meuterischen Hunde!“ schrie der Hauptmann Burghard Hieronymus Rußwurmb in Verzweiflung, im Lager der dreizehn Fähnlein gewappneter Knechte, Reisiger und Fußsöldner, welche Herr Heinrich Julius, postulierter Bischof zu Halberstadt, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg als Obrister des niedersächsischen Kreises zufolge des Koblenzschen Reichsabschieds für diesen Krieg geworben und aus aller deutschen Herren Ländern zusammengebracht hatte. „Ist denn die Welt ganz umgekehrt? Es ist zum Rasendwerden!... So schlage zum letzten Mal die Trommel, Hans Niekirche — o heiliges Wort Gottes, das ist das Jüngste Gericht!“

      Hans Niekirche aus Braunschweig, der Trommelschläger, ein blutjunger Wicht, welcher einem Schneider seiner Geburtsstadt aus der Lehre gelaufen war, hatte, hierhin gestoßen, dahin gezerrt, sich fast zwischen die langen Beine seines Hauptmanns gerettet und fing nun mit zitternden Händen von neuem an, das Kalbfell zu bearbeiten; während der Hauptmann hin und her lief, mit beiden Händen das Haupthaar durchwühlend. Er hatte wohl das Recht, zornig zu sein, der Wackere! Dicht hinter sich hatte er ein geplündertes Bauernhaus, dessen Fenster und Türen eingeschlagen waren, und auf dessen Schwelle ein junges Weib mit zerrissenen Kleidern, in der im letzten Krampf zusammengekniffenen Hand ein Büschel roter Haare, leblos ausgestreckt lag. An sein linkes Bein hing sich jetzt auch noch ein arm Kindlein in seiner Todesangst, zu seiner Rechten schlug Niekirch seine Wirbel, und rings um ihn her schrie und stampfte, fluchte und drohete sein meuterisch Fähnlein und rasaunte durcheinander, wie ein aufgestört Rattennest.

      „O ihr Schelme, ihr Hunde, das soll euch heimgezahlt werden!“ brüllte der Hauptmann. „Warte, Hans Diroff von Kahla, warte, Koburger, Christoph Stern von Saalfeld, an den Galgen und aufs Rad kommt ihr; oder die Gerechtigkeit ist krepiert auf Erden. Warte, du Schmalz von Gera, dein Fett soll all werden, wie eine Kerze im Feuer! O Tag des Zorns, o Hunde! Hunde!“

      „Gebt Raum, Hauptmann!“ schrie ein riesenhafter Kerl, genannt Valentin Weisser von Roseneck, dem Führer den Büchsenkolben vor die Brust setzend. „Ihr seid die Verräter, die Schelme, Ihr und Eure saubern Gesellen und Euer Graf von Hohenlohe, der Holländer! Wollt Ihr uns nicht etwa über das Wasser, über den Rhein, von des Reiches Boden führen? He, sprecht!“

      „Nicht über den Rhein! nicht über den Rhein! nicht vor Bommel! nicht vor Bommel!“ schrie es von allen Seiten, und weit über das Feld durch alle Tausende wälzte sich dasselbe Wort. Der Hauptmann schlug den Kolben von seiner Brust zur Seite.

      „Du wirst gehängt, wie ein Spatz, Rosenecker,“ schrie er.

      „Ihr sollt es wenigstens nit erschauen!“ brüllte der Schütz wieder, die brennende Lunte über dem Haupte schwingend. Er nahm sich nicht die Mühe, sie aufzuschrauben, das Feuerrohr lag auf der Gabel — im nächsten Augenblick wäre der Hauptmann ein Kind des Todes gewesen, wenn nicht plötzlich zwischen dem Bedrohten und dem Drohenden ein Reiter im vollen Galopp angehalten und dem wütenden Musketierer den Büchsenlauf in die Höhe geschlagen hätte, daß der Schuß in die Luft ging.

      „Der Junker! der Junker!“ schrie es auf allen Seiten. „Der Junker zurück! sprecht, sprecht, was ist’s? was sagt der Graf? Haben sie uns verkauft an die holländischen Juden, ihnen ihre Festung Bommel zu entsetzen?... Der Junker, der Junker! Nicht nach Bommel, nicht vor Bommel! nicht über den Rhein! nicht über den Rhein! In die Spieße der von Hollach!“

      „Ja, schreit nur, bis ihr berstet!“ zischte blau vor Grimm der Hauptmann durch die zusammengebissenen Zähne und ballte die Hände, daß die Nägel tief ins Fleisch drangen. „Schreit nur — es ist noch nicht im Topf, darin es gekocht wird — Christoph von Denow, sprecht zu den Meutmachern! sagt den räudigen Hunden Eure Botschaft!“

      Der junge Reiter richtete sich hoch auf im Sattel, und alle die wilden Gesichter im Fackelschein ringsumher wandten sich ihm zu.

      „Der wohlgeborene und edle Graf Philipp von Hohenlohe, unser gnädiger Feldhauptmann —“

      „Nichts von dem Grafen von Hollach, dem Verräter, dem Judas!“ schrien einige. „Stille! Ruhe! Hört ihn!“ riefen die andern und gewannen die Oberhand, daß der Reiter fortfahren konnte.

      „Der Graf läßt den Fähnlein des braunschweigischen Regiments zu Roß und zu Fuß vermelden, daß ihr Begehren und Gebaren unehrlich und treulos sei, deutscher Nation zu Schimpf und Schande und großem Schaden gereiche —“

      Ein allgemeines Wut- und Spottgebrüll unterbrach den Redner, der erst nach langem Harren weiter rufen konnte.

      „Es sagt der Graf von Hohenlohe, daß er befehle, Generalmarsch zu schlagen vor jeglichem Quartier und auszurücken in die Linien gen Rees, auf weitern Befehl! Da kommt unser gnädigster Obrister, der Herr von Rethen.“

      Neues Geschrei empfing den ebenfalls im vollen Rosseslauf erscheinenden Führer, welcher den schriftlichen Befehl des Grafen mit sich führte; aber ebenfalls vergeblich durch Bitten, Drohungen, Erinnerungen an den Artikelbrief das Volk zur Ruhe zu bringen versuchte. Atemlos, zornesbleich hielt er zuletzt in dem kleinen Kreise der Hauptleute und Offiziere und der wenigen treugebliebenen Söldner. Der Junker aber befand sich, willenlos fortgerissen, inmitten des wildesten Getümmels der aufrührerischen Knechte, die von Mord und Blut sprachen, und bereits ihre Spieße senkten, ihre Feuergewehre richteten auf das Häuflein der Getreuen, welche einen Ring schlossen um die Führer und die geretteten Feldzeichen, und sich rüsteten, ihr Leben so teuer als möglich zu verkaufen.

      Auch das Reiterlager hatte sich in Bewegung gesetzt, von Minute zu Minute wuchs der Tumult, und inmitten all dieser drohenden Spieße, Schwerter und Büchsen, unter all diesen scheu gewordenen, ausschlagenden, stampfenden Rossen und trunkenen Männern taucht jetzt für uns eine Gestalt auf, klein und zierlich gebaut, aber trutzig und unverzagt, im Heerlager aufgewachsen, gebräunt von Wind und Wetter, abgehärtet in mancher bösen Sturmnacht am schwächlichen Lagerfeuer, ein klein Hütlein, geziert mit einer Häherfeder, auf den krausen, wirren Locken, ein Dolchmesser im Gürtel, — bekannt bei Führern, Knechten und Reisigen; zu Roß, zu Fuß, zu Wagen stets dem Heere zur Hand: Anneke Mey von Stadtoldendorf, des braunschweigschen Regiments Marketenderin und Schenkin!

      „Hab’ ich dich auf den Fuß getreten, Anneke?“ fragte ganz kleinmütig der wilde Valentin Weisser, der eben das Feuergewehr gegen den Hauptmann hatte losgehen lassen. „Nimm dich in acht, daß sie dich nicht erdrücken, Engel-Anneke — stelle dich hinter mich, du wirst gleich dein blaues Wunder sehen.“

      „Nehmet Ihr Euch in acht, Rosenecker,“ lachte das wildherzige Kind, „Ihr spielt ein hoch Spiel diese Nacht!“

      Der Riese warf einen trotzigen, lachenden Blick über die hin und her wogenden Massen. —

      „Hoho, sind wir nicht unsrer genug, zu gewinnen? Nicht vor Bommel! Ju — ho! ho! nicht vor Bommel! nicht übern Rhein! Fort mit den Hauptleuten, fort mit dem Grafen von Hollach!“

      In diesem Augenblick riefen wieder Hunderte von Stimmen nach dem Junker — dem Christoph von Denow. Da zuckte ein seltsamer Glanz über das Gesicht des Mädchens. Es stellte sich zuerst auf die Zehen, dann kletterte es mit katzengleicher Behendigkeit und Schnelligkeit auf einen Schutthaufen, wo sich bereits mehrere Soldatenweiber mit ihren Kindern und Habseligkeiten zusammengedrängt hatten und alle zugleich in den Lärm hineinkreischten.

      „Mein Mann! mein Mann! Jesus, sie würgen sich alle! Gottes Sohn — Franz! Franz!“

      „Was macht der Junker? wo ist der Junker?“ rief Anneke Mey, eine Hand, welche ihr entgegengestreckt wurde, ergreifend.

      „Da! da! er spricht zu denen vom vierten Fähnlein — da — da — Jesus, sie werfen den Hauptmann Eberbach nieder, und СКАЧАТЬ