Von der politischen Berufung der Philosophie. Donatella Di Cesare
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Название: Von der politischen Berufung der Philosophie

Автор: Donatella Di Cesare

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783957578907

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СКАЧАТЬ durchstreift die das Gymnasium umgebenden Alleen, hält an den Tischen der Geldwechsler an, steuert sodann auf den Marktplatz zu, diskutiert mit einem namhaften Staatsmann, bleibt nochmals bei einigen Schmieden und Hutmachern stehen, um sodann unermüdlich weiterzuziehen. Was will er mit dieser Fragesucht bloß erreichen? Es scheint, als würde er alles andere einfach vergessen. Sommers wie winters ist er barfuß unterwegs, wie um den Schustern einen Streich zu spielen, stets in denselben zerschlissenen Umhang gehüllt. Ohne Unterlass pflegt er aufzuzählen, was er nicht braucht, und behauptet, nichts zu brauchen wäre göttlich und wenig zu brauchen nahe daran. Skurril ist auch sein Äußeres: hervortretende Augen, eine platte Nase, schwülstige Lippen. Er ähnelt einem Silen oder einem Satyr – wie Marsyas, der trotz seines Äußeren mit seiner Musik zu bezaubern wusste. Unter seinem stolzen, festen und konzentrierten Blick gelingt es auch Sokrates, mit seinen Reden zu betören. Es ist, als verlöre das alte Ideal der Vorväter, die kalogatia, für ihn, der zwar vielleicht etwas »Gutes« hat, agathon, ohne dass ihm dabei jedoch irgendetwas »Schönes«, kalon, anhaftet, an Bedeutung. Wüsste man nicht genau, dass er aus einer alten athenischen Familie stammt, wäre man geneigt, ihn für einen Fremden zu halten.

      Einige Mitbürger ergreifen die Flucht, wenn sie ihn in der Ferne erblicken, denn wer sich in eine Diskussion mit ihm verfängt, ist verloren. Andere halten ihn für einen Tagedieb und Taugenichts, sie äffen ihn nach, stellen ihre Verachtung zur Schau, verspotten und beschimpfen ihn; manche erheben gegen ihn gar die Hand. Welcher Sünden haben sich die Athener schuldig gemacht, um mit einem solchen Schwätzer gestraft zu werden? Der dabei noch derart lästig und pedantisch ist? Anstatt in der Werkstatt des Vaters weiterhin den Beruf des Steinmetzes auszuüben, treibt sich dieser wundersame Kopf herum, um lebhaft über unnütze Fragen zu diskutieren, verkehrt spitzfindig die Reden und dreht die Worte um. So zieht er zwischen zwei Scherzen die gängigsten Ideen in Zweifel, darunter auch diejenigen, bei denen alle ausnahmslos übereinstimmen, schwafelt vom Heiligen, erkennt keinerlei Autorität an, ja verspottet sogar den souveränen demos. Und nachdem er diese ganze Reihe von Problemen aufgeworfen hat, löst er kein einziges davon; im Gegenteil: Überheblich lässt er wissen, dass er nichts wisse. In Wirklichkeit findet er nur Gefallen daran, den anderen zu beweisen, dass auch sie nicht wissen, es scheint, als habe er beinahe seine Freude an der Demütigung. Denn wem könnte es gefallen, ein Nichtswisser genannt zu werden, und das auch noch in der Öffentlichkeit? Viele reagieren verärgert und haben von seinen nutzlosen und gefährlichen Haarspaltereien genug. Nur ein paar müßiggängerische, von seinem leeren Gerede eingenommene Jugendliche folgen ihm auf seinen Streifzügen durch die Stadt.

      Der Absonderlichkeiten jedoch nicht genug. Seine Widerstandsfähigkeit gegen Hunger, Müdigkeit und Kälte ist sprichwörtlich. Während des Feldzugs nach Potidaia, in jenem bitterkalten Winter, als die anderen Soldaten nicht mehr wussten, was sie zum Schutz noch alles anziehen sollten, ging Sokrates barfuß über das Eis und rief damit den Unwillen seiner Mitkämpfer hervor (vgl. Das Gastmahl, 220a-c). In diesem Heerlager ereignete sich zu einem anderen Zeitpunkt zudem ein komischer und völlig erstaunlicher Vorfall. Alkibiades berichtet davon voller Bewunderung. Sokrates versank für 24 Stunden in einer Überlegung, die eine Art von Trance zu sein schien, in einem obsessiven Traum mit geöffneten Augen:

      »Es war ihm etwas eingefallen, und er stand nachsinnend darüber von morgens an auf einer Stelle und, da es ihm nicht vonstatten ging, ließ er nicht nach, sondern blieb immer forschend stehen. Nun wurde es Mittag, und die Leute merkten es und erzählten verwundert einer dem andern, dass Sokrates vom Morgen an über etwas nachsinnend dastehe. Endlich, als es Abend war und man gespeist hatte, trugen einige Ionier, denn damals war es Sommer, ihre Schlafdecken hinaus, teils um im Kühlen zu schlafen, teils um auf ihn achtzugeben, ob er auch die Nacht über da stehenbleiben würde. Und er blieb stehen, bis es Morgen wurde und die Sonne aufging; dann verrichtete er noch sein Gebet an die Sonne und ging fort.« (Das Gastmahl, 220c-d)

      Befremdlich muten seine plötzlichen Abwesenheiten und Selbstvergessenheiten an, numinös seine ekstatischen Entrückungen. Es wird erzählt, dass er – sich in sich sammelnd, von der Umgebung sich lösend und jedem Aufruf gegenüber taub – mitunter in ein lang anhaltendes Schwiegen verfiel. Diese Stille musste den anderen mindestens genauso unheimlich erscheinen wie seine Dialoge. Wieder ist es Alkibiades, der bekennt: »Noch viel wunderlicher [atôpoteros], o Sokrates, kommst du mir nun vor, nachdem du angefangen zu reden, als solange du mir schweigend nachgingest« (Alkibiades I, 106a). Die vielleicht bekannteste Episode bildet die Eröffnungsszene des Gastmahls. Als er das Haus der Gastgeber erreicht, muss Aristodemos feststellen, dass Sokrates ihm nicht gefolgt war, und fragt sich, wo er wohl geblieben sei. Der nach ihm ausgeschickte Diener meldet, dass Sokrates unbeweglich im Vorhof des Nachbarn stehe. Der Freund kommentiert: »Denn er hat das so in der Gewohnheit, bisweilen hält er an, wo es sich eben trifft, und bleibt stehen« (Das Gastmahl

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