Imperium USA. Daniele Ganser
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      Warum nur verkaufte Napoleon ein so großes Gebiet für so wenig Geld? Weil er sich in Europa auf einen großen Krieg mit England vorbereitete und nicht gleichzeitig in der Neuen Welt ein Kolonialreich unterhalten konnte. Napoleon hoffte, mit der prall gefüllten Kriegskasse die Kontrolle über ganz Europa zu erringen und sich danach wieder Nordamerika zuwenden zu können, was ihm aber nicht gelang. 1815 unterlag Napoleon in der Schlacht von Waterloo dem englischen General Wellington und dem preußischen Feldmarschall Blücher. Heute erinnert noch der Name der Stadt New Orleans im Bundesstaat Louisiana am Golf von Mexiko an den einst großen Kolonialbesitz der Franzosen in Nordamerika. Alaska erwarben die USA 1867 für den Spottpreis von 7 Millionen Dollar von Russland und erzielten dadurch einen weiteren riesigen Gebietszuwachs.

      Noch heute erinnert die 1886 eingeweihte Freiheitsstatue im Hafen von New York an den großen Einfluss von Frankreich auf die Geschichte der USA. Die Statue wurde von einem französischen Künstler in Paris gefertigt, mit Schiffen über den Atlantik gebracht und in New York wieder zusammengebaut und ist ein Geschenk des französischen Volkes. Die Freiheitsstatue streckt mit der rechten Hand eine Fackel hoch und hält in der linken Hand eine Inschriftentafel mit dem Datum der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung 1776. Zu Füßen der Statue liegt eine zerbrochene Kette, welche die Befreiung aus der britischen Knechtschaft symbolisiert. Tatsächlich hätten die dreizehn Kolonien ohne die Unterstützung von Frankreich vermutlich nie ihre Unabhängigkeit von Großbritannien erlangt.

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      Grafik 8: 1803: Die USA verdoppeln ihre Fläche durch den Kauf der Kolonie Louisiana hellgrau.

       Der Krieg gegen Mexiko 1846

      Nach der Unabhängigkeitserklärung und dem Sieg über das britische Imperium trafen sich die führenden Männer des neuen Staates USA in Philadelphia und beschlossen im Verfassungskonvent 1788, dass der junge Staatenbund eine eigene Armee aufstellen müsse. »Keine Regierung kann nur auf dem Papier existieren«, argumentierte William Paterson, der Vertreter des Staates New Jersey. »Sie braucht immer ein stehendes Heer, um ihren Machtanspruch auch durchsetzen zu können.« Damit war die Mehrheit einverstanden, und kurz darauf wurde die US-Armee gegründet. Niemand ahnte damals, dass die US-Armee in den folgenden 230 Jahren extrem viel Geld verschlingen und unzählige Länder auf verschiedenen Kontinenten angreifen würde.88

      Den ersten souveränen Staat, den die USA attackierten, war Mexiko. Das Nachbarland der USA hatte 1821 seine Unabhängigkeit von Spanien erkämpft, nachdem die Spanier als Kolonialmacht während 300 Jahren die Gold- und Silbervorräte des Landes ausgebeutet und die einheimische Bevölkerung fast vollständig ausgerottet hatten. Die spanische Sprache und der katholische Glaube prägen Mexiko noch heute und erinnern an das spanische Kolonialreich. Die Fläche des Staates Mexiko war vor dem Angriff der USA bedeutend größer. Die heute in den USA gelegenen Bundesstaaten Texas, Kalifornien, New Mexico, Arizona, Utah, Nevada und die Hälfte von Colorado gehörten alle zum Staatsgebiet von Mexiko und wurden erst im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg von den USA erobert.

      Zuerst versuchten die USA die Provinzen Texas und Kalifornien von Mexiko abzukaufen. Doch Mexiko lehnte dies strikt ab. Danach überquerten immer mehr US-Amerikaner die Grenze zu Mexiko und ließen sich in der mexikanischen Provinz Texas nieder, bis die mexikanische Regierung 1830 die anhaltende Besiedlung von Texas durch US-Amerikaner verbot. Die amerikanischen Siedler ignorierten das Verbot und die US-Regierung unterstützte die Einwanderung amerikanischer Siedler in die mexikanische Provinz Texas aktiv. Die US-Amerikaner in Texas bezeichneten sich stolz als »Texaner« und nicht als »Mexikaner«. Sie waren den Mexikanern gegenüber feindlich gesinnt und sprachen Englisch, nicht Spanisch.

      Die USA dehnten ihren Einflussbereich immer weiter aus. US-Präsident James Polk von der Demokratischen Partei, der im März 1845 mit 49 Jahren ins Weiße Haus eingezogen war, glaubte, es sei die »offenbare Bestimmung« (Manifest Destiny) der weißen US-Amerikaner, sich über den ganzen Kontinent auszubreiten. Als die US-Amerikaner in der mexikanischen Provinz Texas zu den Waffen griffen und erklärten, man müsse Texas von Mexiko abspalten, kam es zum Krieg. Die relativ schwache mexikanische Regierung versuchte die Revolte in ihrer Provinz Texas niederzuschlagen. Doch die Regierung in Washington unterstützte die Aufständischen. Dadurch gelang es den USA, die Provinz Texas von Mexiko abzutrennen. Unter Präsident Polk wurde Texas annektiert und im Dezember 1845 als 28. Bundesstaat in die USA integriert. Mexiko war über den Gebietsverlust erzürnt und verärgert.

      Doch die USA hatten noch nicht genug. Präsident Polk wollte die mexikanischen Hafenstädte am Pazifik erobern, vor allem San Francisco, weil er darin den Schlüssel zum Handel mit Asien sah. Die USA schürten die Spannungen an der Grenze zwischen Texas und Mexiko. Laut Mexiko und dem allgemeinen Verständnis wurde die Grenze durch den Nueces River markiert, während Präsident Polk behauptete, die Grenze verlaufe weiter südlich am Rio Grande. Mexiko wurde dadurch gereizt, dass Präsident Polk im Januar 1846 US-General Zachary Taylor mit einer Armee nach Texas schickte, um von dort den Nueces River und die Grenze zu Mexiko zu überschreiten.

      Im umstrittenen Grenzgebiet befahl General Taylor der US-Armee, eine Festung am Rio Grande zu bauen, etwa 250 Kilometer südlich der allgemein anerkannten Grenze. Das Ziel der Provokation war, Mexiko zum ersten Schuss anzustiften. Die Mexikaner beharrten darauf, dass der Nueces River die Grenze zwischen Texas und Mexiko sei. Als sich Mexiko einer Demütigung als einziger Alternative gegenübersah, leisteten sie nach Monaten des Abwartens Gegenwehr und versuchten die USA mit Gewalt aus Mexiko zu vertreiben.

      »Die Präsenz von Truppen der Vereinigten Staaten am Rand des umstrittenen Territoriums, weit entfernt von den mexikanischen Siedlungsgebieten, war nicht ausreichend genug, um Feindseligkeiten zu erzeugen«, erinnert sich der US-Offizier Ulysses Grant in seinen Memoiren an den Ausbruch des Krieges. Präsident Polk drängte daher darauf, dass ein Zwischenfall inszeniert wurde. »Wir wurden losgeschickt, um einen Kampf zu provozieren, aber es war wesentlich, dass Mexiko ihn begann«, so Offizier Grant. »Ob der Kongress einen Krieg erklären würde, war nämlich sehr zweifelhaft. Würde aber Mexiko unsere Truppen angreifen, könnte die Exekutive den Krieg erklären.«89

      Die USA hatten keinerlei Recht, ihre Truppen auf mexikanisches Territorium zu schicken. Als die Mexikaner am 24. April 1846 am Fluss Rio Grande die eingedrungenen US-Soldaten angriffen und versuchten, sie aus Mexiko zu vertreiben, behauptete Präsident Polk vor dem Kongress, Mexiko habe amerikanisches Blut auf amerikanischem Boden vergossen. Im Repräsentantenhaus war der Abgeordnete Abraham Lincoln aus Illinois, der später selbst US-Präsident wurde, nicht überzeugt. In seiner Rede kritisierte Lincoln Präsident Polk scharf. Der Präsident müsse zeigen, »dass der Boden unser war, auf dem das erste Blut vergossen wurde.« Aber das könne Präsident Polk kaum, vermutete Lincoln, und vermutlich sei sich auch der Präsident selbst bewusst, dass er im Unrecht liege, denn Präsident Polk sei ein »verwirrter, irritierter und jämmerlich ratloser Mann.«90

      Nach dem inszenierten Zwischenfall am Rio Grande erklärten die USA am 13. Mai 1846 dem Nachbarland Mexiko den Krieg. US-Präsident Polk stellte in seiner Rede vor dem Kongress die USA heuchlerisch als Opfer dar. »Da der Krieg trotz aller unserer Bemühungen, ihn zu vermeiden, nun entstanden ist, da Mexiko ihn selbst verursacht hat, sind wir nun auf Grund unserer Verpflichtungen gegenüber unserem Patriotismus beauftragt, unsere Ehre, Rechte und Interessen gegenüber unserem Land zu verteidigen«, behauptete Polk. In Wirklichkeit traf das Gegenteil zu. Präsident Polk hatte den Krieg angestiftet, indem er US-Soldaten auf mexikanisches Gebiet geschickt hatte. Der inszenierte Zwischenfall am Rio Grande verfehlte seine Wirkung nicht: Im Senat stimmten nur zwei Senatoren gegen den Krieg, während ihn 40 befürworteten, und im Repräsentantenhaus votierten 190 Kongressabgeordnete für den Krieg, nur 14 lehnten ihn ab.91

      Zumindest bei einem СКАЧАТЬ