Imperium USA. Daniele Ganser
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СКАЧАТЬ diese dunkle Seite der Geschichte spricht man heute in den USA nur ungern. Während zum Beispiel in Deutschland die Verbrechen des Dritten Reiches aufgearbeitet wurden, werden in den USA die Gräuel der Indianerkriege verdrängt. »Die Zerstörung des indianischen Nordamerika darf als Schlüsselereignis nicht mehr länger aus der Geschichte der USA wegretuschiert werden«, fordert der Schweizer Historiker Aram Mattioli zu Recht. Die USA sind zwar aus einer antikolonialen Revolution hervorgegangen, gebärdeten sich aber selbst rasch als Kolonialmacht, die rücksichtslos nach Westen expandierte. Auch den Cherokee wurde großes Unrecht angetan. In Georgia hatten ihnen die Weißen vertraglich ihr Land zugesichert. Doch als dort Gold gefunden wurde, war dieser Vertrag nichts mehr wert. US-Präsident Andrew Jackson ging rücksichtslos gegen die Indianer vor und schickte 7000 US-Soldaten, welche die Cherokee 1838 zwangen, vom Land ihrer Ahnen auf dem »Pfad der Tränen« über 1600 Kilometer nach Oklahoma umzusiedeln. Viele starben an Kälte, Hunger und Cholera. Wer ausbrechen wollte, wurde niedergemetzelt. »Es war ein Todesmarsch, am Ende säumten 4000 stumme Gräber unseren Weg«, schrieb der Soldat Jesse Burnett.99

      Die US-Filmindustrie hat die gewaltsamen Zusammenstöße zwischen den US-Amerikanern und den Indianern immer wieder behandelt, dabei aber die Rollen der Guten und der Bösen so vertauscht, dass den Indianern oftmals die Rollen der Bösewichte zugewiesen wurde. Und dies, obschon die Indianer die ursprünglichen Bewohner Nordamerikas sind, während die weißen Europäer ihnen das Land raubten. Aber die Bildsprache von Hollywood ist oft mächtiger als die historische Forschung, und durch ständige Wiederholung konnte eine verzerrte Darstellung der Ereignisse weit verbreitet werden. In klassischen Western-Filmen kommt die Kavallerie meist als ersehnte Rettung in der Not, vertreibt die bösen und brutalen Indianer und schützt die hilflosen, unschuldigen, gottesgläubigen weißen Siedler. Durch diese Neuinterpretation versuchen die USA bis heute die Verbrechen, die gegenüber den Indianern begangen wurden, zu verdrängen. Nur wenige Filme, darunter zum Beispiel der im Jahre 1863 spielende Film »Der mit dem Wolf tanzt« mit US-Schauspieler Kevin Costner, zeigen auch die Brutalität der Kavallerie und die Tragik des Landraubes und erwecken beim Zuschauer Sympathien mit den Indianern, in diesem Fall mit dem Stamm der Sioux.

      Die historischen Dokumente lassen keinen Zweifel daran, dass die europäische Einwanderung in Nordamerika für die Indianer ein tödliches Desaster war. Die Ermordung der Indianer war ein schweres Verbrechen. Mehr als vier Millionen Indianer Nordamerikas überlebten den Kulturzusammenstoß mit den Europäern nicht, wobei nicht nur Vertreibung und militärische Gewalt, sondern auch die durch die Europäer verbreiteten Infektionskrankheiten Pocken, Masern, Typhus, Diphtherie und Influenza die Indianer dahinrafften. Zudem raubte die Beinahe-Ausrottung der Bisonherden während des Eisenbahnbaus den Indianern ihre Lebensgrundlage. »Ein kalter Wind blies durch die Ebenen, als der letzte Büffel fiel – ein Todeswind für mein Volk«, beklagte Sitting Bull, der Häuptling der Sioux, das wahllose Abschlachten der Büffel durch die Weißen.100

       Das Massaker bei Wounded Knee 1890

      Der Sioux-Häuptling Sitting Bull hat das rücksichtslose Verhalten der USA als Zeitzeuge beobachtet und scharf kritisiert. »Die Liebe zum Besitz ist eine Krankheit der Weißen«, erklärte Sitting Bull weise. »Diese Menschen haben viele Regeln erschaffen, welche die Reichen brechen dürfen, aber die Armen nicht. Sie haben eine Religion, der die Armen folgen, aber die Reichen nicht. Sie nehmen sogar Abgaben von den Armen, um die Reichen zu unterstützen und jene, die regieren. Sie behaupten, diese unsere Mutter Erde gehöre ihnen, sie sei für ihren Verbrauch da, und sperren die Nachbarn mit Zäunen weg.« Die Gier der weißen Siedler sei unstillbar: »Sogar wenn Amerika doppelt so groß wäre, wie es ist, es wäre immer noch nicht genug für sie.« Damit hatte Sitting Bull eine frühe Kritik am US-Imperialismus formuliert. Doch die Siedler wollten diese nicht hören. Sitting Bull genoss unter den Indianern großen Respekt, weil er 1876 in der Schlacht am Little Big Horn die Truppen von General George Custer vernichtend geschlagen hatte. Die US-Armee stufte Sitting Bull als Unruhestifter ein, und 1890 wurde er während seiner Festnahme getötet.101

      Immer wieder kam es zu brutalen Massakern, so auch am 29. Dezember 1890 bei Wounded Knee in South Dakota, als die US-Armee Sioux-Häuptling Big Foot festnahm und die 120 Männer und 230 Frauen umzingelte, die Big Foot begleiteten. Die Indianer leisteten keinen Widerstand. Als Oberst James Forsyth die Entwaffnung der Sioux anordnete, lieferten diese ihre Gewehre ab, während die US-Armee ihre Revolverkanonen vom Typ Hotchkiss in Stellung brachte, die pro Minute 100 Schuss abfeuern konnten. Der befehlshabende US-Offizier war mit der Zahl der abgelieferten Waffen nicht zufrieden und befahl seinen Soldaten, die Zelte der Indianer zu durchsuchen. Sie fanden noch zwei Gewehre. Eines gehörte einem jungen Indianer namens Black Coyote, der erklärte, er habe viel Geld für das Gewehr bezahlt und daher sei es sein Eigentum. Die Soldaten packten Black Coyote und es löste sich ein Schuss aus seinem Gewehr. Sofort begannen die Soldaten aus den um das Lager aufgestellten Revolverkanonen zu schießen und richteten ein Blutbad an. Die unbewaffneten Indianer, die zu fliehen versuchten, wurden niedergemäht. Zwischen 150 und 350 Indianer, darunter auch Häuptling Big Foot sowie Frauen mit Säuglingen im Arm und Kinder, starben im Kugelhagel. Der befehlshabende Offizier Forsyth wurde nach dem Massaker nicht bestraft, sondern zum Generalmajor befördert. Mit dem Massaker von Wounded Knee endeten die Indianerkriege. Danach gab es keinen bewaffneten Widerstand mehr.102

       Vier Millionen tote Indianer

      Der australische Historiker Ben Kiernan, der an der Yale Universität in den USA lehrt, sagt richtig, dass gegen die Indianer ein »Vernichtungskrieg« geführt wurde. Kiernan geht davon aus, dass mehr als fünf Millionen Indianer nördlich vom Rio Grande lebten, als die ersten Europäer 1492 in Nordamerika landeten. Er schätzt, dass drei Jahrhunderte später, also um 1800, von diesen Indianern noch 600000 am Leben waren. Mehr als vier Millionen Indianer hatten also den Zusammenprall mit den weißen Siedlern aus Europa nicht überlebt. Die massive Gewalt gegen die Indianer sei durch den weit verbreiteten Rassismus ermöglicht worden, erklärt Historiker Kiernan richtig, in dem eine Gruppe von Menschen sich eine Welt wünsche, in der eine andere Gruppe von Menschen nicht mehr vorkommt. Die Ermordung der Indianer war nur möglich, weil sie nicht als Teil der Menschheitsfamilie angesehen wurden.103

      Während die Anzahl der Indianer einbrach, nahm die Anzahl der Einwanderer stetig zu. Mit dem Zustrom aus Europa wuchs die nicht indianische Bevölkerung in den USA von 1800 bis 1900 von 5 auf 75 Millionen Menschen rasant an. In der selben Zeit schrumpfte die schon stark dezimierte Zahl der Indianer von 600000 auf 250000 Menschen. Die überlebenden Indianer waren ab dann und bis heute nur noch eine Minderheit im eigenen Land. Indem die US-Regierung den Indianern ihre Jagdgründe abgenommen und die Bisons getötet hatte, wurde auch die Kultur der stolzen Jäger zerstört. Die überlebenden Indianer wurden in Reservate umgesiedelt, wo viele Selbstmord begingen oder dem Alkohol verfielen.104

      Es ist nicht so, dass es keine Gewalt gab in Nordamerika, bevor die Europäer mit ihren Schiffen den Atlantik überquerten. Auch die verschiedenen Stämme der Indianer haben sich untereinander bekämpft und getötet. Aber sie haben sich nicht ausgerottet. Der Einsatz von Gewalt war weit weniger extrem, weil es immer wieder weise Indianer gab, die darauf hingewiesen haben, dass wir alle zur Menschheitsfamilie gehören. Indianische Medizinmänner vertraten eine Weltanschauung, die man auch in der christlichen Mystik, im Zen und im Sufismus findet. Gemäß dieser Weltanschauung wird das Göttliche als allgegenwärtiger Geist verstanden, verkörpert in allen Menschen, Tieren, Pflanzen und Dingen, vom kleinsten Atom bis zur Galaxie. Die Erde wird als Gaia bezeichnet und ist gemäß dieser Weltsicht ein lebendiger Organismus, der weder gekauft noch besessen werden kann. Der Mensch wird nicht als eine in sich abgeschlossene Einheit gesehen, die bei der eigenen dünnen Haut endet, sondern als Energiefeld, das mit der ganzen Wirklichkeit und daher auch mit dem Göttlichen untrennbar verbunden ist. Niemals wäre es den Indianern in den Sinn gekommen, alle Bisons СКАЧАТЬ