Название: Mami 1979 – Familienroman
Автор: Anna Sonngarten
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Mami
isbn: 9783740958862
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»So, das hätten wir«, sagte Michael und streichelte dem letzten Kalb über den Kopf. »Gibt’s sonst noch was?«
»Nein, alles in Ordnung, Herr Tierarzt. Wollen Sie noch Milch oder Eier mitnehmen?«
»Nein, heute nicht«, antwortete Michael und packte seinen Koffer. Der Bauer begleitete ihn noch bis zu seinem Jeep, kam aber nicht mehr auf die neue Nachbarin zu sprechen.
Michael war froh, endlich nach Hause fahren zu können, denn mittlerweile verspürt er eine bleierne Müdigkeit.
*
Mechthild Schneider saß gerade beim Frühstück, als der Postbote sein typisch kurzes Klingeln verlauten ließ. Sie stand lustlos auf, um die Post hereinzuholen.
Wahrscheinlich doch wieder nur Werbung, dachte sie, fand aber dann eine Karte ihrer Tochter Hanna vor.
»Hm, wird ja auch Zeit, daß sie mal wieder etwas von sich hören läßt«, sagte Mechthild laut zu sich selbst, beziehungsweise zu Jakob, ihrem Papagei, der gelangweilt in seinem Vogelbauer saß, aber aufblickte, als er Mechthilds Stimme vernahm. Mechthild Schneider war nicht gerade angetan von Hannas Plänen, aufs Land zu ziehen. Diese Flausen konnte sie eigentlich nur von Günter, ihrem Vater, geerbt haben. Der Verwaltungsbeamte Günter Schneider hatte auch hin und wieder von einem Leben als Förster geträumt. Eine Spinnerei, die Mechthild stets mit den Worten abgeschmettert hatte: »Ohne mich! Soll ich etwa in irgendeinem Nest den ganzen Tag auf dich warten und in der Zwischenzeit die Hirschgeweihe an der Wand abstauben?« Diese entrüstete Entgegnung war zur Familienanekdote geworden, und bei jeder passenden Gelegenheit kamen die Hirschgeweihe wieder zur Sprache. Nein, Mechthild konnte dem Landleben nichts abgewinnen. Sie brauchte Stadtluft, um sich wohl zu fühlen. Mechthild betrachtete die Ansichtskarte. Es waren mehrere kleine Ortschaften darauf abgebildet. Allesamt sehr idyllisch gelegen in einer hügeligen, bewaldeten Landschaft. Den Ort Thalberg hatte Hanna mit einem Kreuz versehen. Mechthild las, was ihre Tochter geschrieben hatte:
Liebe Mutti! Hier ist es wunderschön. Ich habe das Haus meiner Träume gefunden. Wenn Du es erst siehst, wirst Du mich verstehen. Bitte komm uns so bald Du kannst besuchen! Wir freuen uns auf Dich. Deine Hanna und die Kinder.
Die Karte war auch mit den krakeligen Namen der Kinder unterschrieben, und die kleine Kira hatte noch ein paar Blümchen gemalt.
Mechthilds Stimmung besserte sich plötzlich zusehends. Sie schaute sich noch mal die Ansichtskarte an und sagte zu Jakob:
»Was hältst du von einer kleinen Reise mit dem Zug, Jakob?« Jakob legte den Kopf schief und gab ein zufriedenes Krächzen von sich.
*
Am Abend vor Simones Abreise sagte die Freundin plötzlich: »Weißt du, was ich mir überlegt, habe, Hanna?«
»Nein, schieß los!«
»Ich habe im August noch zwei Wochen Urlaub. Eigentlich wollte ich nach Kreta, aber jetzt könnte ich mir auch gut vorstellen, meinen Urlaub hier zu verbringen. Falls du einverstanden wärst.«
»Das ist eine großartige Idee, Simone«, rief Hanna erfreut. »Natürlich bin ich einverstanden. Ich wußte doch, daß es dir hier gefällt. Ich glaube manchmal, daß du mich in Wahrheit beneidest«, vermutete Hanna.
»Na ja, um das Haus beneide ich dich schon, auch um deine Kinder und um deinen Mut, deine Träume zu verwirklichen…«, sagte Simone mit plötzlichem Ernst.
»Gut, gut… ich wollte nicht nach Komplimenten fischen«, antwortete Hanna schnell. »Wir wissen beide, wo uns das Glück im Stich gelassen hat, mich genauso wie dich.« Hanna zog die Beine hoch und schlang die Arme um ihre Knie. Sie schaute Simone nachdenklich an. Die letzten Tage waren so ausgefüllt gewesen, daß die Dinge, die hinter ihr lagen, schon fast vergessen schienen. Doch natürlich war in Wirklichkeit nichts vergessen, und die Bilder der letzten Wochen mit Bernd tauchten so plötzlich vor ihrem geistigen Auge wieder auf, wie sie vorübergehend verschwunden waren. Aber auch Simone hatte ihren Kummer. Sie war beruflich zwar erfolgreich, aber privat fand sie nicht das erhoffte Glück. Der Mann fürs Leben war ihr noch nicht begegnet. Es wird daran liegen, daß ich nicht gerade eine Schönheit bin, dachte sie. Doch Hanna hatte sie stets ausgelacht, wenn sie davon anfing. »Du hast ein Charaktergesicht, Simone. Und wenn du lachst, muß man einfach mit einstimmen, so ansteckend ist es.« Simone lächelte. Sie freute sich immer, wenn Hanna so etwas sagte, aber insgeheim dachte sie, daß Hanna halt ein guter Mensch war, der einer Freundin etwas Nettes zu sagen wußte, auch wenn es nicht ganz der Wahrheit entsprach. Sie gingen zeitig ins Bett, denn Simone wollte am nächsten Morgen früh los.
*
»Ich will mit meinem eigenen Fahrrad fahren, Mama«, sagte Kira, verschränkte die Ärmchen vor der Brust und sah ihre Mutter mit Schmollmund an. Nils kurvte auf dem schmalen kurzen Feldweg von ihrem Haus bis zur Straße hin und her. »Wann geht’s endlich los?« fragte er zum wiederholten Mal. »Nils darf ja auch mit seinem eigenen Fahrrad fahren«, maulte Kira weiter.
»Schätzchen, das ist nicht dasselbe. Nils fährt schon viel länger allein. Er ist doch auch älter. Er kommt schon bald in die Schule. Wenn du in die Schule kommst, kannst du auch allein Fahrrad fahren«, versuchte Hanna ihre kleine Tochter zu überzeugen.
»Da steig’ ich nicht drauf«, sagte sie mit entschlossener Miene auf den Fahrradsitz deutend.
»Weißt du eigentlich, daß ganz in unserer Nähe ein Reiterhof ist? Da wollte ich mal mit euch hin. Vielleicht haben die auch Ponys, auf denen du mal reiten kannst. Was meinst du?«
Kiras Miene hellte sich auf.
»Wirklich?« fragte sie und kam einen Schritt näher.
»Wann kommt ihr denn endlich?« fragte Nils, der wieder eine Runde gedreht hatte.
»Wir kommen«, rief Kira und ließ sich von Hanna ohne Widerstand in den Sitz heben.
Endlich konnte es losgehen. Hanna wollte erst einmal ins Dorf fahren. Der Weg dorthin führte über eine schmale gewundene Straße. In weniger als fünf Minuten erreichten sie den Marktplatz, das Zentrum von Thalberg. Die gepflegten Häuser, die sich im Rund um den Marktplatz gruppierten, standen allesamt unter Denkmalschutz. Im Erdgeschoß einiger Häuser befanden sich die wenigen Geschäfte. Hanna ging mit den Kindern zum Bäcker und zum Obsthändler, um für ihren kleinen Ausflug etwas Proviant einzukaufen.
Sie wurden überall freundlich empfangen. Sybille Meyer, die Bäckerin gab den Kindern je ein Brötchen umsonst, und Herr Biermann steckte ihnen zwei Äpfel mehr zu. Auf dem Weg Richtung Gut Steinbeck, von dem Hanna schon gehört hatte, kamen sie an der Tierarztpraxis vorbei. Da der Jeep nicht vor der Tür des großen alten Hauses stand, vermutete Hanna, daß der Tierarzt unterwegs sei. Deshalb hielt sie und schaute sich das Anwesen ein bißchen genauer an. Im hinteren Teil des Gartens sah sie im kniehohen Gras eine Schaukel und eine Rutsche stehen, die aber offensichtlich schon lange nicht mehr benutzt wurden. Auf dem Praxisschild las sie.
Dr. Michael Hollstein
Tierarzt
Kleintiersprechstunde nur nach Vereinbarung
»Was steht da, Mama?« fragte Nils, der das Interesse seiner Mutter nicht recht verstand. Sie hatten schließlich kein Tier, obwohl sich Nils schon lange einen Hund wünschte.
»Nichts СКАЧАТЬ