Finnische Träume | Roman. Joona Lund
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Название: Finnische Träume | Roman

Автор: Joona Lund

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Erotik Romane

isbn: 9783862774234

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СКАЧАТЬ dem sich Szenen aus der letzten Nacht fortsetzten. In einer Zeitschrift fand er einen Artikel über Traumyoga in Tibet, das man dort seit tausend Jahren praktizierte: Schlafende lernen erkennen, was sie träumen und sind durch nachhaltiges Training imstande, den Traum zu lenken. Jan ging es nicht nur um Wiederholung, sondern mehr um die Ausgestaltung von Traumsituationen, in denen Inku die Hauptrolle spielte. Der Artikel beschrieb, künstlerisch und spielerisch veranlagten Menschen gelinge es, so genannte Klarträume herbeizuführen; manche steigerten sich so hinein, dass sie die Klartraumwelt der Wirklichkeit vorzögen.

      Sobald ihn derartige Fantasien heimsuchten, fragte sich Jan, so wie es der Artikel empfahl, ob er träumte und irgendwann übertrug sich die Frage tatsächlich in den Traum. Er übte, beim Aufwachen auf die Uhr zu gucken und zu testen, ob alles um ihn herum logisch und plausibel war. Nach Wochen gelang es ihm, Träume herbeizuführen und im Halbschlaf zu erfassen, dass er träumte. Wenn er sich konzentrierte, gelang es ihm, den verschlungenen Windungen des Gehirns ausgewählte Szenen zu entlocken. Er schaffte es, in lockende Situationen einzutauchen und sich in ihnen zu verlieren. Es war eine frivole Welt, in der sich Gefühle weder kontrollieren noch zügeln ließen, dort hatten sie genügend Raum, konnten sich ausleben. Er träumte sich Inku herbei, wie er sie sehen wollte, flog mit ihr über Städte, in denen sie nie gewesen waren, erlebte mit ihr Abenteuer und spielte mit ihr Szenen durch, die mit realistischen Momentaufnahmen begannen und sich in fantastische Vorstellungen vorwagten.

      Am Morgen wachte er verwirrt und aufgeräumt auf. Schwieriger war der Umgang mit den Tagträumen, die sich wie Nebel über andere Gedanken legten und seine Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit für sachliche Inhalte minderten. Ein Lehrer ermahnte ihn, lieber mitzuarbeiten statt immer vor sich hin zu träumen. Aufwühlende Gefühle begleiteten die Bilder und Träume, verselbständigten sich, brachen manchmal unvermutet hervor. Die Wucht dieser nicht steuerbaren Empfindungen verstörte ihn, sie hinterließen eine befremdliche Leere. Waren andere zugegen, verdeckte ein Lächeln wie eine Maske die Gefühle, um sich nicht durch sein Mienenspiel zu verraten. Und ohne es zu wollen, legte er ausgerechnet Inku gegenüber Verhaltensweisen an den Tag, die ihn hinterher ärgerten, trug sie doch keine Schuld an seinen wirren Gefühlen. Das schroffe Verhalten brach manchmal gerade dann aus ihm hervor, wenn sie seine Nähe suchte. Da sie nicht ahnte, warum er sich plötzlich so seltsam verhielt, zog sie sich gekränkt zurück, wurde kratzbürstig. Versuchte er einzulenken, indem er seine schlechte Laune auf die Schule schob, zuckte sie die Schultern.

      »Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück.«

      Die gereizte Atmosphäre, die auch Mutter auffiel, störte ihre bisher harmonische Beziehung erheblich. »Warum seid ihr auf einmal so hässlich zueinander? Ihr habt euch doch bisher so gut verstanden wie es Geschwister selten tun!«

      Schweigend übergingen die beiden die Frage. Anders als in seinen Träumen behandelte er sie mitunter, als wäre sie Luft. Irgendwann drehte sie den Spieß um und forderte ihn so lange heraus, bis er ihr seine volle Aufmerksamkeit widmete. Seit Mutter ihn zurechtgewiesen hatte, es gehörte sich nicht, mit Mädchen in diesem Alter zu raufen, balgten sie sich kaum mehr. Aber die Ermahnung hinderte Inku nicht daran, ihn immer wieder zu reizen, bis er ihr Einhalt gebot.

      So nahm sie einmal seinen Vier-Farben-Kugelschreiber, mit dem er gerade geschrieben hatte, an sich und lief in ihr Zimmer, hielt die Tür zu. Mit der Schulter drückte er die Tür auf, schnell steckte sie den Kuli in den Ausschnitt, grinste triumphierend. Ein kurzes Zögern, dann packte er ihre Hände, presste sie mit der Linken zusammen, griff mit der Rechten unter den BH. Als er ihren Busen berührte, schaute sie ihn starr an, ohne sich zu rühren. Da zuckte er zurück, ließ ihre Hände los und ging. Minuten später warf sie den Kuli auf seinen Schreibtisch und lachte. Ein unschönes befremdendes Lachen.

      Es gab auch harmonische Phasen, etwa wenn sie klassische Musik oder Jazz hörten. Manchmal stand sie vom Sofa auf und begann, sich nach der Musik zu drehen, vor ihm zu tanzen.

      Einmal schaute zufällig Mutter herein, freute sich, dass sie die Musik mochten, aber da war etwas, das sie störte, ohne dass sie hätte sagen können, was es war. Leise schloss sie die Tür. Die beiden waren so in die Klänge des Boleros von Ravel vertieft, dass sie Mutters Kommen nicht bemerkt hatten. Lange sann sie über die Szene nach: Inku hatte verträumt, wie in Trance, vor ihm getanzt, irgendwie hatte es – sie fand kein passenderes Wort – schamlos gewirkt. Mutter hatte nur Sekunden zugesehen, doch der lockende und herausfordernde Gesichtsausdruck der Tochter blieb ebenso im Gedächtnis wie seine Augen, die ihren Bewegungen wie in Hypnose folgten. Die Situation war befremdend, die Kinder erschienen so fern, der Raum war von einer seltsamen Atmosphäre erfüllt gewesen, die ihr, je länger sie darüber nachdachte, geradezu intim vorkam. Sie nahm sich vor, mit Jan zu reden. Doch sie verschob es, wusste nicht recht, wo sie ansetzen sollte. Im Grunde war es harmlos, und doch ... Sie war nicht gewohnt, über schwer in Worte zu fassende Befürchtungen zu reden, sah voraus, Jan würde sie nur schweigend ansehen und verwundert den Kopf schütteln.

      Half er Inku bei den Aufgaben, lehnte sie sich an ihn, um besser über seinen Arm ins Heft gucken zu können. Das seltsame Prickeln, das ihn erfasste und ein Schauer, der zitternd durch den Körper lief, war eine völlig neue Erfahrung. Er musste sich zur Konzentration zwingen. Und verblüfft konstatierte er, dass jeder Versuch, die von ihr ausgehende Anziehungskraft zu ergründen und sie abzuschwächen, abgeblockt wurde, als würde eine Kraft sein logisches Denkvermögen lahmlegen. Nie zuvor hatte er ein so starkes Gefühl verspürt und es verstörte ihn, dass es ihm gerade bei Inku passierte. Er kämpfte dagegen an, doch der alle Sinne ansprechende Reiz erwies sich als stärker denn der Wille. Auch wenn sie nur an den Schrank gelehnt dastand und ihre Figur zur Geltung brachte, so verspürte er das Bedürfnis, hinzugehen und sie zu berühren. Dinge, denen er bislang kaum Beachtung geschenkt hatte, riefen Regungen hervor, die ihn verwirrten. Mutter schimpfte, wenn Inku den gebrauchten Büstenhalter im Badezimmer hängen ließ, das gehörte sich nicht. Aber am nächsten Tag hing er wieder dort. Es erschreckte Jan, dass ihn das feine Gemenge aus Körpergeruch, Schweiß und Seife, das ihm in die Nase stieg, und das er unter hunderten erkannt hätte, erregte. Statt den Geruch zu meiden, wühlte er sein Gesicht in den BH hinein, steckte ihn in die Hosentasche, um hin und wieder daran zu schnuppern.

      Als die Entwicklung viel später eskalierte, warf er sich vor, der Faszination des Verbotenen nicht widerstanden zu haben, im Gegenteil, sie hatte ihn animiert. Ausschlaggebend für die Entfaltung seiner Gefühle war Inkus gesamte Erscheinung: Die Art zu gehen, sich zu bewegen, den Zopf nach hinten zu werfen, der staunende Blick aus den großen Augen, der oft nachdenklich auf ihm ruhte, wenn sie sich unbeobachtet wähnte, und eben ihr Geruch. Unversehens hatte sich Gewohntes in eine völlig andere Kategorie verwandelt. Er las im Tagebuch und stellte verblüfft fest, die beschriebenen Empfindungen und Gedankengänge glichen den Äußerungen eines Verliebten. Sich selber gegenüber war er ehrlich genug, die Ausrede, die Heftigkeit seiner Gefühle sei eine Folge der Einsamkeit auf dem abgelegenen Hof in der schwermütigen Landschaft, als Selbstbetrug zu entlarven. Bisweilen erfassten ihn die Gefühlswallungen wie ein Fieber; die Ausschläge der Kurve flachten sich zwar bald ab, doch er wusste, die Fieberglut würde wiederkommen. Und er begann darauf zu warten, es war ihm egal, dass die Anfälle jedes Mal kräftiger wurden, von Heilung konnte keine Rede sein. Und im Grunde wünschte er auch gar nicht, geheilt zu werden, im Gegenteil: Er behielt nicht nur die Gewohnheit bei, vor dem Einschlafen im Tagebuch zu lesen, um einen Klartraum anzulocken, sondern stellte seine ganze Fantasie der Traumwelt zur Verfügung. Mit der neuen Gefühlslage konnte er noch nicht umgehen, mitunter hatte sie ähnliche Auswirkungen wie zu viel Alkohol. All das änderte sein Verhalten zu Inku von Grund auf. Im Tagebuch beschrieb er bestimmte Szenen sehr ausführlich, wie jene, die ein Schrei aus dem Badezimmer einleitete.

      »Oh Gott, nicht schon wieder!«, drang der erregte Ruf durch die Tür.

      Er eilte hin, klopfte, drückte die Klinke, es war nicht abgeschlossen. »Hast du dich verletzt?« Noch während der Frage registrierte er, dass Inku nur im Höschen auf der Waage stand und mit aufgerissenen Augen auf die Gewichtsanzeige schaute. Sie drehte sich ihm zu. СКАЧАТЬ