Название: Lebensbilder
Автор: Оноре де Бальзак
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783955014735
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weil ja das dichterische Schaffen für Schiffs zügelloses Leben nur ein Vorwand war, während sein Leben seine Dichtung nicht bedingte. »Riesen-« oder »titanenhaft« ist Schiffs Aufbäumen gegen des Lebens Notwendigkeiten kaum zu nennen; es waren nur Versuche eines ungezügelten Menschen, sich über alles Hergebrachte hinwegzusetzen und unangefochten tolle Streiche zu begehen.
Leider war Schiff zeitlebens von der fixen Idee, daß er als romantischer Dichter keinerlei Gesetz über sich dulden müsse, nicht abzubringen. Er war gewiß nicht verfolgt von dem »malheur d'être poète«, wie es August Sauer in glücklicher Erweiterung des berüchtigten d'Alemberlschen Wortes »malheur d'être« von Sappho und ihrem Dichter Grillparzer geprägt hat. Schon deshalb nicht, weil bei Schiff nicht die exzentrische Dichtung, sondern das exzentrische Leben das Primäre war. Er wollte ungezügelt dahinleben und suchte, diesen Trieb in seiner Dichtung zu rechtfertigen. Von ihr kam ihm kein Leid; nur seine Lebensführung brachte es ihm, aus der seine seltsamen, häufig fast an Wahnsinn grenzenden Werke erwuchsen. Ubrigens kann vielleicht die bizarre, von Rechts- und Unrechtsbegriffen wenig angefochtene Art, wie sich Schiff betrug, echt gewesen sein; aber in seinen Dichtungen war er ein oft recht nüchterner Verstandesmensch, dessen erzwungene Kälte und raffiniert-psychologische Behandlung seiner Stoffe nicht selten die frostigsten Eindrücke hinterläßt. – –
Schiffs erste dichterische Periode, die 1825 einsetzt – von den Jugenddichtungen hat sich nichts erhalten – zeigt ihn als getreuen Schüler der Romantik. E. Th. A. Hoffmann und Ludwig Tieck sind seine ersten Vorbilder. Eine Fortsetzung des »Kater Murr« ist das erste Buch, das er veröffentlichte. Es führt den Titel »Nachlaß des Katers Murr. Eine Fortsetzung der Lebensansichten des Katers Murr von E. Th. A. Hoffmann. Nebst einer Vorrede des Herausgebers.« (Leipzig 1826, bei Wilhelm Lauffer). Diese Fortsetzung des Hoffmannschen Fragmentes wird am prägnantesten durch eine Äußerung Heines charakterisiert, der an Moser schrieb [*Sämtliche Werke ed. Strodtmann, XIX, 237] : »Hast Du schon gehört, daß mein Vetter Schiff Hoffmanns »Kater Murr« fortsetzt? Ich habe von dieser Schreckensnachricht fast den Tod aufgeladen.« Dieses Urteil, das ohne Kenntnis der Schiffschen Arbeit gefällt wurde, trifft trotz seiner Impulsivität ins Schwarze. Ein neuerer Beurteiler, Franz Leppmann, in seinem anregenden Buche »Kater Murr und seine Sippe« [* Eine Katzendichtung, die Leppmann entgangen ist, rührt von Eduard Maria Öttinger her. (»Argus« (Hamburg) 1837 Nr. 32.) Es ist ein »Tiergespräch zwischen einer Katze und einem Mops«] (München 1908, Seite 26 ff.) ist geneigt, der Fortsetzung nicht allen Wert abzusprechen. Sie ist aber, was wohl den schwersten Vorwurf bedeutet, stillos und vom Geiste des Originals ganz und gar nicht erfüllt. Sie knüpft recht äußerlich an Hoffmanns Dichtung an, hat aber innerlich mit ihr sehr wenig zu tun. Auch in der Form, die bei Schiff unheimlich verkünstelt und wenig übersichtlich ist, hält er sich nicht an das große Vorbild. Er wollte anscheinend der Hoffmann des Hoffmann sein, wie Karoline Schlegel von Tieck meinte, daß er im »Gestiefelten Kater« den Tieck des Tieck habe spielen wollen.
Schon in diesem Erstlingswerke begegnet Schiffs später immer wiederkehrende Vorliebe für Binnenerzählungen. Das geht wohl auf die Vorliebe der Romantiker für das Theater im Theater, für Rahmen- und Binnenerzählungen zurück, die Schiff bei ihnen kennen zu lernen, vielfach Gelegenheit hatte. Da er im »Kater Murr« die eigenartigste Form der Einschalterzählung gefunden hatte, fühlte er sich wohl zu der Fortsetzung angeregt. Allerdings verzerrte er das Hoffmannsche Vorbild bis zu den äußersten Grenzen des Möglichen. Im »Nachlaß des Kater Murr« finden sich nicht nur ineinandergeschaltete Erzählungen, sondern auch noch zwei Supplemente, die mit der Hauptgeschichte in den engsten Beziehungen stehen. Nur erfolgt die Verknotung der Geschehnisse recht äußerlich; von einem Ineinanderweben, wie etwa der Begebenheiten in den »Bekenntnissen einer schönen Seele« in die Fäden der eigentlichen Handlung von »Wilhelm Meisters Lehrjahren«, ist bei Schiff keine Rede.
Um von dem Inhalte des »Nachlasses des Katers Murr« auch nur eine schwache Vorstellung zu geben, ist es nötig, die einzelnen Geschichten gesondert und ausnahmsweise etwas breiter zu charakterisieren.
In der Vorrede versichert Schiff den Leser zunächst weitläufig seiner Hochachtung und behauptet, daß das Werk wirklich von einem Kater herrühre und von ihm nur herausgegeben werde. Allerdings verkennt er nicht, daß die Leser sehr gelehrt sind und wissen, daß Tiere nur in der Fabel reden, und daß nichts für wirklich gehalten wird als das, wovon sich die Existenz beweisen läßt. So obliegt es ihm also, diese Existenz wissenschaftlich darzutun. Vorher aber bespricht er den Inhalt seines Buches, das aus dem ersten Hefte der Reisen des Katers besteht (anscheinend waren also mehrere Hefte solcher Reisen geplant) nebst hindurchlaufenden Makulaturblättern (vermutlich eines Manuskriptes, das der Autor auf seinen Reisen gefunden und verbraucht hat). Da des Katers Manuskript für einen Band nicht völlig ausgereicht, ein zweites Heft seiner Reiseschilderungen den Band aber zu unförmig gemacht hätte, habe der Herausgeber (Schiff) von dem zweiten Hefte des Katers so viel abgerissen, als für das Ausmaß des Buches nötig war. So entstanden die zwei Makulaturblätter des Anhanges. Das zerrissene Heft war aber nichts anderes als die Biographie Johannes Kreislers. Es folgt eine eingehende Beweisführung über die Existenz des Katers in Form einer unendlich weit verzweigten Disposition. Die Vorrede schließt damit, daß Schiff seinen eigenen bis dahin gebrauchten ernsten, wissenschaftlich tuenden Ton verwirft und (als echter Romantiker) »das freundliche Antlitz der geliebten Ironie« zu Hilfe ruft.
Im ersten Abschnitt geht Murr auf Reisen. Das Werk fährt unmittelbar dort fort, wo Hoffmann aufgehört hat. Meister Abraham klagt, daß die weiße Glaskugel seit dem Verschwinden der Chiara nicht wieder ertönte. Er ist ganz melancholisch, ebenso wie Kreisler, von dem der Kater es fühlt, daß ihn sein musikalischer Enthusiasmus zum Wahnsinn treiben müsse. Um ihn diesem zu entreißen, schilt er seine musikalische Begeisterung, die nicht der höchste Zweck des Daseins sei; denn wäre sie das, so hätte sie nicht einem einzelnen Menschen wie Kreisler zuteil werden dürfen, sondern allen Menschen, damit der Schöpfer gegen die anderen Geschöpfe nicht ungerecht hätte erscheinen müssen. Diese Argumentation versetzt Kreisler in solche Wut, daß er den Kater schlägt, der mit Mühe entwischt und nun beschließt, in die Welt zu gehen. Der Anfang seiner Wanderung entzückt ihn, nur der Hunger quält ihn. Plötzlich sieht er Abraham, der ihn mit Kreisler zu versöhnen sucht. Abraham eröffnet Murr, daß er der Sohn einer Prinzessin sei, die, in eine weiße Katze verwandelt, von einem Kater entführt worden sei. Er verschafft ihm ein leckeres Mahl und fordert ihn auf, nach einem Schmetterlinge zu haschen; wenn er ihn erreiche, so werde er ein Prinz sein und die schönste Prinzessin werde ihm gehören. Der Kater setzt zum Sprunge an, da sieht er sich von Hunden verfolgt. Er bittet einen Herrn und eine Dame, die im Wagen fahren, ihn aufzunehmen. Es geschieht. Als Verfasser der »Lebensansichten«, die Hoffmann herausgegeben hat, wird er freundlich auf das Schloß des Paares geladen. In dem Wirtshaus, in dem bald darauf gespeist wird, sind anwesende Bauern über Murr erbost, da sie sein Benehmen und seine Fähigkeit zu sprechen, für Hexerei halten, die sie nicht dulden wollen. Sie bewerfen ihn mit Steinen, er muß flüchten, was den Grafen sehr betrübt, der sich schon früher vergeblich bemüht hatte, den Gespensterglauben unter seinen Untertanen zu vertreiben. In einer Soiree, bei der die bedeutendsten Literaten zugegen sind, gibt Murr Aufschlüsse über die Abfassung seines Erstlingswerkes. Er kommt ins Theater, worüber die Zeitungen ausführlich berichten. »Der Hund des Aubri« wird gegeben, aber der Pudel, den man bewundern wollte, tritt hinter dem Interesse der Zuschauer für den Kater zurück. Das Zeitungsblatt, das seinen Ruhm verkündet, sendet Murr an Kreisler. Er spricht sich in seinem Briefe an ihn auch eingehend über die Gestalt des Baron von Wallborn (in Fouqués »Gefühle, Bilder und Ansichten«. 1819, Seite 145) aus. Auf die Naturphilosophie fallen immerfort Ausfälle. Dem Kater wird bewiesen, daß es nach den Lehren der Naturphilosophien mehr Geschöpfe seiner Art gebe. Endlich wird ihm in Aussicht gestellt, über seine tierischen Schicksalsgenossen unterrichtet zu werden. Da bricht das Fragment ganz unvermutet ab [* Ein Bruchstück daraus ist abgedruckt In Pappes »Lesefrüchten« 1825, III. Band, 2. Stück, Seite 337–347].
In diese Geschichte sind »Makulaturblätter« eingeschaltet, die mit Hoffmanns Erzählung nichts zu tun СКАЧАТЬ