Eine dunkle Geschichte. Оноре де Бальзак
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Eine dunkle Geschichte - Оноре де Бальзак страница 12

Название: Eine dunkle Geschichte

Автор: Оноре де Бальзак

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783955014636

isbn:

СКАЧАТЬ Soldaten mit, deren einer auf Kundschaft vorausging, während der andere zurückblieb, um im Fall eines Unglücks den Rückzug zu decken. Dank diesen militärischen Vorsichtsmaßregeln hatte das wertvolle Häuflein ungefährdet den Wald von Nodesme erreicht, der zum Treffpunkt bestimmt war. Siebenundzwanzig andere Edelleute kamen aus der Schweiz und durch Burgund; sie wurden unter gleichen Vorsichtsmaßregeln nach Paris geleitet. Herr von Rivière zählte auf fünfhundert Leute, darunter hundert junge Edelleute, die Offiziere dieser heiligen Schar. Die Herren von Rivière und von Polignac, deren Benehmen als Führer äußerst bemerkenswert war, wahrten unverbrüchliches Schweigen über alle diese Mitverschworenen, und so wurden sie nicht entdeckt. Daher kann man heute in Übereinstimmung mit den während der Restaurationszeit erfolgten Enthüllungen sagen, dass Bonaparte den Umfang der Gefahren, in denen er damals schwebte, so wenig kannte wie England die Gefahr, in die es durch das Lager von Boulogne gebracht ward; und doch wurde die Polizei zu keiner Zeit geistvoller und geschickter geleitet.

      In dem Augenblick, da unsre Geschichte beginnt, machte ein Feigling, wie es deren stets bei allen Verschwörungen gibt, die nicht auf eine kleine Zahl gleich starker Männer beschränkt werden, ein Verschworener, der mit dem Tode bedroht wurde, Angaben über das Ziel des Unternehmens, die zum Glück für dessen Umfang unzureichend, aber ziemlich genau waren. Und so ließ die Polizei, wie Malin zu Grévin gesagt hatte, die überwachten Verschwörer frei handeln, um alle Verzweigungen des Komplotts aufzudecken. Immerhin war der Regierung durch Georges Cadoudal, der den Anschlag ausführen sollte, gewissermaßen die Hand gebunden, denn er folgte nur seinem eignen Rat und hielt sich mit fünfundzwanzig Chouans in Paris verborgen, um den Ersten Konsul anzufallen.

      In Laurences Denken verband sich Hass mit Liebe. Bonaparte vernichten und die Bourbonen zurückführen – hieß das nicht, Gondreville wiedererlangen und das Glück ihrer Vettern machen? Diese beiden Empfindungen, deren eine der Gegenpol der andern ist, reichen besonders mit dreiundzwanzig Jahren hin, um alle Fähigkeiten der Seele und alle Lebenskräfte zu entfalten. Und so erschien denn Laurence seit zwei Monaten den Bewohnern von Cinq-Cygne schöner denn je. Ihre Wangen waren rosig geworden; die Hoffnung gab ihrer Stirn bisweilen einen Anflug von Stolz. Wenn man dann aber abends die »Gazette« mit den konservativen Maßnahmen des Ersten Konsuls las, senkte sie die Augen, damit man in ihnen nicht die drohende Gewissheit vom baldigen Sturz dieses Feindes der Bourbonen las. Niemand im Schloss ahnte also, dass die junge Gräfin ihre beiden Vettern in der letzten Nacht wiedergesehen hatte. Die beiden Söhne des Ehepaars Hauteserre hatten die Nacht im Zimmer der Gräfin verbracht, unter dem gleichen Dache wie ihre Eltern; denn um keinen Verdacht zu erregen, war Laurence, nachdem sie die beiden Hauteserres zur Ruhe gebracht hatte, zwischen ein und zwei Uhr morgens zum Stelldichein mit ihren Vettern gegangen und hatte sie mitten in den Wald geführt, wo sie sie in der verlassenen Hütte eines Forsthüters untergebracht hatte. Da sie des Wiedersehens gewiss war, zeigte sie nicht die geringste Freude, nichts, was die Erregung der Erwartung verriet; selbst die Spuren der Freude über dies Wiedersehen hatte sie verwischt und war völlig kalt. Die hübsche Katharina, die Tochter ihrer Amme, und Gotthard, die beide ins Geheimnis gezogen waren, passten ihr Benehmen dem ihrer Herrin an. Katharina war neunzehn Jahre alt. In diesem Alter ist ein junges Mädchen so fanatisch wie Gotthard in dem seinen und lässt sich den Hals abschneiden, ohne ein Wort zu sagen. Gotthard aber hätte, wenn er nur das Parfüm roch, das seine Herrin in ihr Haar und an ihre Kleider tat, die Folter ertragen, ohne ein Wort zu sagen.

      In dem Augenblick, als Martha, von der drohenden Gefahr benachrichtigt, rasch wie ein Schatten auf die von Michu bezeichnete Bresche zueilte, sah es im Salon des Schlosses Cinq-Cygne höchst friedlich aus. Seine Bewohner ahnten so wenig, welcher Sturm über sie daherbrausen sollte, dass ihr Benehmen das Mitleid des ersten besten erregt hätte, der ihre Lage gekannt hätte. In dem hohen Kamin, der mit einem Wandspiegel geschmückt war, über dessen Scheibe Schäferinnen im Reifrock tanzten, brannte ein Feuer, wie es nur in Schlössern möglich ist, die am Waldrande liegen. An diesem Kamin lag die junge Gräfin in einem großen Lehnstuhl aus vergoldetem Holze, der mit wunderbarer grüner Seide gepolstert war, in der Haltung völliger Erschöpfung hingestreckt. Sie war erst um sechs Uhr von der Grenze von Brie zurückgekehrt, nachdem sie dem kleinen Trupp als Kundschafterin vorausgeritten war, um die vier Edelleute richtig nach dem Obdach zu bugsieren, wo sie ihre letzte Rast vor dem Einzug in Paris halten sollten, hatte Herrn und Frau von Hauteserre gegen Ende ihres Nachtessens überrascht und, vom Hunger getrieben, sich zu Tisch gesetzt, ohne ihr schmutzbespritztes Reitkleid und ihre Stiefel auszuziehen. Statt sich nach der Mahlzeit auszukleiden, hatte sie, von all ihren Anstrengungen überwältigt, ihren schönen entblößten Kopf mit seinen tausend blonden Locken in die Lehne des riesigen Fauteuils sinken lassen und die Füße vor sich auf ein Taburett gelegt. Das Feuer trocknete die Spritzflecken ihres Reitkleides und ihrer Stiefel. Ihre Wildlederhandschuhe, ihr kleiner Biberhut, ihr grüner Schleier und ihre Reitpeitsche lagen auf der Konsole, auf die sie sie geworfen. Sie blickte bald auf die alte Boulle-Uhr, die auf dem Kaminsims zwischen zwei geblümten Leuchtern stand, um zu sehen, ob die vier Verschwörer nach der Zeit schon im Bett lagen, und bald auf den vor dem Kamin aufgestellten Bostontisch, an dem Herr und Frau von Hauteserre, der Pfarrer von Cinq-Cygne und dessen Schwester saßen.

      Selbst wenn diese Personen nicht mit unserm Drama verknüpft wären, hätten ihre Gesichter doch das Verdienst, die Aristokratie von einer der Seiten darzustellen, die sie seit ihrer Niederlage von 1793 kennzeichneten. In dieser Hinsicht hat die Schilderung des Salons von Cinq-Cygne den Reiz der Geschichte im Negligé.

      Der damals zweiundfünfzigjährige Edelmann, groß, hager und vollblütig, von robuster Gesundheit, hätte als kraftvoll erscheinen können, hätten seine großen fayenceblauen Augen nicht so einfältig dreingeschaut. In seinem Gesicht, das in ein schuhförmiges Kinn auslief, war zwischen Nase und Mund ein nach den Gesetzen der Zeichnung übermäßiger Zwischenraum, der ihm einen unterwürfigen Ausdruck verlieh, der völlig zu seinem Charakter passte, ebenso wie die geringsten Einzelheiten seiner Physiognomie. So bildete sein graues Haar, das durch den fast den ganzen Tag lang getragenen Hut verfilzt war, gleichsam eine Kappe auf seinem Kopfe und ließ dessen birnenförmigen Umriss hervortreten. Seine Stirn, durch das Landleben und seine beständigen Sorgen stark gerunzelt, war platt und ausdruckslos. Seine Adlernase belebte sein Gesicht etwas; das einzige Anzeichen von Kraft lag in seinen schwarz gebliebenen buschigen Brauen und in seiner lebhaften Gesichtsfarbe. Aber dies Anzeichen trog nicht; wiewohl schlicht und sanft, hielt der Edelmann am monarchischen und katholischen Glauben fest, und keine Rücksicht hätte ihn zu einem Parteiwechsel vermocht. Dieser Biedermann hätte sich verhaften lassen; er hätte nicht auf die Munizipalgardisten geschossen und lammfromm das Schafott bestiegen. Seine dreitausend Franken Leibrente, sein einziger Besitz, hatten ihn von der Auswanderung zurückgehalten. Er gehorchte also der gegenwärtigen Regierung, ohne von seiner Liebe zum Königshause zu lassen, dessen Wiedereinsetzung er wünschte. Aber er hätte sich geweigert, sich durch Teilnahme an einem Anschlag zugunsten der Bourbonen bloßzustellen. Er gehörte zu jenem Schlage von Royalisten, die es nie vergaßen, dass sie geschlagen und beraubt worden waren, die seitdem stumm dahinlebten, sparsam, grollend, ohne Tatkraft, aber unfähig zu irgendeiner Entsagung und irgendeinem Opfer, bereit, das siegreiche Königtum zu begrüßen, Freunde der Religion und der Priester, aber entschlossen, jeden Schimpf des Unglücks zu ertragen. Das heißt nicht mehr eine Meinung haben, sondern eigensinnig sein. Das Wesen der Parteien ist Handeln. Geistlos, aber bieder, geizig wie ein Bauer und doch von edlem Benehmen, kühn in seinen Wünschen, aber zurückhaltend in Worten und Taten, aus allem Nutzen ziehend und bereit, sich zum Bürgermeister von Cinq-Cygne ernennen zu lassen, vertrat Herr von Hauteserre ausgezeichnet jene ehrenwerten Edelleute, die über ihre Edelsitze und ihre Köpfe die Stürme der Revolution dahinbrausen ließen, die sich unter der Restauration dank dem Wohlstand ihrer versteckten Ersparnisse wieder erhoben, stolz auf ihre verschwiegene Anhänglichkeit, und die nach 1830 auf ihre Landsitze zurückkehrten. Seine Kleidung, die ausdrucksvolle Hülle dieses Charakters, malte den Mann und die Zeit, Herr von Hauteserre trug einen jener haselnussbraunen Überröcke mit kleinem Kragen, die der letzte Herzog von Orléans bei seiner Rückkehr aus England in Mode gebracht hatte und die während der Revolution gleichsam ein Mittelding zwischen den abscheulichen Volkstrachten und den eleganten Röcken der Aristokratie bildeten. Seine Samtweste mit geblümten Streifen, deren Schnitt an die СКАЧАТЬ