Die Frau von dreißig Jahren. Оноре де Бальзак
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Название: Die Frau von dreißig Jahren

Автор: Оноре де Бальзак

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783955013356

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СКАЧАТЬ Gesicht Arthurs mit jedem Tage reiner und schöner, aber flüchtig; denn sie wagte nicht, sich bei dieser Erinnerung aufzuhalten. Die schweigsame, schüchterne Liebe des jungen Engländers war das einzige Ereignis, das in der Zeit ihrer Ehe einige sanfte Spuren in ihrem traurigen, einsamen Herzen hinterlassen hatte. Vielleicht dass alle enttäuschten Hoffnungen, alle fehlgegangenen Wünsche, die nach und nach Julies Geist verdüsterten, sich durch ein natürliches Spiel der Phantasie auf diesen Mann bezogen, dessen Art, Gefühl und Charakter so viel Einklang mit den ihrigen aufzuweisen schienen. Doch dieser Gedanke kam ihr immer wie ein Traum, eine Laune vor. Sie erwachte aus diesen immer in Seufzern endenden Wahngebilden unglücklicher als zuvor und fühlte ihre verborgenen Schmerzen hernach um so stärker, wenn sie diese unter den Fittichen eines erträumten Glückes eingeschläfert hatte. Oft gewannen ihre Klagen einen Charakter von Torheit und Verwegenheit, sie wollte Glück um jeden Preis; aber öfter noch verharrte sie in irgendeiner stumpfen Betäubung, hörte zu, ohne zu verstehen, oder fasste so vage und unbestimmte Gedanken, dass sie keine Worte hätte finden können, sie auszudrücken. Sie war in ihren innersten Regungen verletzt, durfte ihr Leben nicht so führen, wie sie es als junges Mädchen erträumt hatte, und es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihre Tränen zu ersticken. Bei wem hätte sie sich beklagen sollen? Wer hätte sie verstanden? Überdies hatte sie jenes äußerste weibliche Zartgefühl, jene köstliche Schamhaftigkeit, die darin besteht, jede unnütze Klage zu unterdrücken und keinen Vorteil daraus zu ziehen, dass der Triumph den Sieger und den Besiegten in gleicher Weise beschämen muss. Julie versuchte, Monsieur d'Aiglemont mit ihren eigenen Tugenden und Gaben auszustatten, und rühmte sich, das Glück zu genießen, das sie entbehrte. Sie wandte ihre ganze weibliche Klugheit auf, ihren Mann zu schonen, der nie etwas davon erfuhr und im übrigen durch ihre Art nur noch mehr in seinem Despotismus bestärkt wurde. Zeitweise war sie wie trunken von Unglück, völlig gedankenlos, zügellos; zum Glück führte ihre aufrichtige Frömmigkeit sie dann über das Irdische hinaus; sie flüchtete sich in den Glauben an ein künftiges Leben und fand so die Kraft aufs neue, ihre schmerzliche Pflicht auf sich zu nehmen. Diese fürchterlichen Kämpfe, diese innere Zerrissenheit blieben unbemerkt, ihre tiefe Schwermut hatte keinen Zeugen. Niemand fing ihren stumpfen Blick auf, niemand sah die bitteren Tränen, die sie heimlich in der Einsamkeit vergoss.

      Die Gefahren der kritischen Situation, in die die Marquise allmählich durch den Zwang der Verhältnisse gelangt war, enthüllten sich ihr in ihrer ganzen Schwere an einem Januarabend des Jahres 1820. Wenn zwei Gatten sich voll und ganz kennen und sich lange aneinander gewöhnt haben, wenn eine Frau die leisesten Gebärden eines Mannes zu deuten versteht und die Gefühle und Dinge, die er ihr verbirgt, erraten kann, dann werden zufällige, erst sorglos hingeworfene frühere Bemerkungen und Betrachtungen mit einem Schlag erhellt. Oft erwacht dann eine Frau plötzlich am Rande oder in der Tiefe eines Abgrunds. So wurde der Marquise, die glücklich gewesen war, ein paar Tage allein zu verbringen, mit einem Male das Geheimnis dieses Alleinseins klar. Sei es, dass ihr Mann treulos oder ihrer müde, großmütig oder mitleidvoll gegen sie war, er gehörte ihr nicht mehr. In diesem Augenblick dachte sie nicht mehr an sich noch an ihre Leiden und Opfer; sie war nur noch Mutter und hatte die Zukunft, das Glück, das Vermögen ihrer Tochter im Auge, ihrer Tochter, des einzigen Wesens, von dem ihr etwas wie Glückseligkeit kam, ihrer Hélène, des einzigen Gutes, das sie ans Leben fesselte. Jetzt wollte Julie leben, um von ihrem Kinde das schreckliche Joch fernzuhalten, unter das eine Stiefmutter das Leben des teuren Geschöpfes zwingen könnte. Als dieses düstere Zukunftsbild vor ihr aufstieg, verfiel sie in solch ein fieberhaftes Nachdenken, das ganze Lebensjahre aufzehrt. Zwischen ihr und ihrem Gatten sollte künftighin eine ganze Welt von Gedanken sein, deren Gewicht auf ihr allein lasten würde. Bis dahin hatte sie sich, in der Gewissheit, von Victor auf seine Weise geliebt zu werden, zu einem Glück hergegeben, das sie nicht teilte; nun aber, da sie nicht einmal mehr die Genugtuung hatte, dass ihre Tränen ihren Mann erfreuten, da sie allein in der Welt war, blieb ihr nur, unter den vielfachen Leiden zu wählen. Inmitten der Mutlosigkeit, die in der Stille der Nacht ihre Energie lähmte, in dem Augenblick, da sie von ihrem Diwan an dem fast erloschenen Feuer aufgestanden war, um im Schein einer Lampe sich mit trockenem Auge in den Anblick ihrer Tochter zu versenken, trat Monsieur d'Aiglemont sehr angeregt ins Zimmer. Julie hieß ihn die schlafende Hélène bewundern, doch er hatte für die Begeisterung seiner Frau nur eine banale Redensart.

      »In diesem Alter«, sagte er, »sind alle Kinder niedlich.« Dann küsste er seine Tochter flüchtig auf die Stirn, ließ die Vorhänge der Wiege herab, blickte Julie an, nahm sie bei der Hand und ließ sie neben sich auf dem Diwan niedersitzen, auf dem sie soeben ihren trüben Gedanken nachgehangen hatte.

      »Sie sind heute abend sehr schön, Madame d'Aiglemont!« rief er mit der unerträglichen Lustigkeit, deren Hohlheit die Marquise nur zu gut kannte.

      »Wo haben Sie den Abend verbracht?« fragte sie ihn mit erheuchelter Gleichgültigkeit. »Bei Madame de Sérisy.«

      Er nahm einen Lichtschirm von dem Kamin und betrachtete interessiert den durchsichtigen Stoff, ohne die Tränenspuren auf dem Gesicht seiner Frau zu bemerken. Julie schauerte zusammen. Die Sprache ist nicht imstande, die Gedanken auszudrücken, die wie ein Strom aus ihrem Herzen hervorstürzen wollten und die sie zurückhalten musste.

      »Madame de Sérisy gibt nächsten Montag ein Konzert und wünscht brennend, dich kennenzulernen. Gerade weil du schon so lange nicht in Gesellschaft gegangen bist, möchte sie dich bei sich sehen. Es ist eine prächtige Frau, die dir sehr zugetan ist. Du würdest mir einen Gefallen tun, wenn du hingingst, ich habe beinahe schon für dich zugesagt ...« – »Ich werde hingehen«, antwortete Julie.

      Der Klang der Stimme, der Ausdruck und Blick der Marquise hatten etwas so Durchdringendes, Eigentümliches, dass Victor trotz seiner Sorglosigkeit seine Frau erstaunt ansah. Doch das war alles. Julie hatte erraten, dass Madame de Sérisy die Frau war, die ihr das Herz ihres Mannes geraubt hatte. Sie versank in ein verzweifeltes Brüten und starrte selbstvergessen ins Feuer. Victor drehte den Lichtschirm in den Händen hin und her und hatte das gelangweilte Aussehen eines Mannes, der anderswo glücklich gewesen ist und ermattet vom Vergnügen heimkommt. Er gähnte mehrmals, ergriff dann mit einer Hand einen Leuchter, tastete mit der andern lässig nach dem Hals seiner Frau und wollte sie küssen; aber Julie bückte sich, reichte ihm ihre Stirn und empfing den Gutenachtkuss, einen lieblosen, mechanischen Kuss, eine grimassenhafte Gebärde, die sie nur zu sehr hasste. Als Victor die Tür geschlossen hatte, sank die Marquise in einen Stuhl; die Knie wankten ihr, sie brach in Tränen aus. Man muss selbst ähnliche Qualen erlitten haben, um alles, was diese Szene Schmerzliches barg, zu verstehen, um einen Begriff von der langen, schrecklichen Tragödie zu bekommen, die sie herbeiführte. Diese einfachen, nichtssagenden Worte, das Schweigen zwischen den beiden Ehegatten, die Mienen, die Blicke, die Art, in der der Marquis vor dem Feuer Platz genommen hatte, die Haltung, mit der er versucht hatte, den Hals seiner Frau zu küssen, alles war zusammengekommen, dass diese Stunde zu einer tragischen Wende in dem einsamen, schmerzensreichen Leben Julies führte. In wildem Taumel warf sie sich vor ihrem Diwan nieder, grub ihr Gesicht in die Kissen, um nichts zu sehen, und flehte zum Himmel, wobei sie den gewohnten Gebetsworten einen innigen Klang, einen neuen Sinn verlieh, die das Herz ihres Mannes hätten zerreißen müssen, wenn er sie gehört hätte. Sie beschäftigte sich acht Tage lang unaufhörlich mit ihrer Zukunft, ging völlig in ihrem Unglück auf, studierte es, suchte nach Mitteln, ihre Macht über den Marquis wiederzugewinnen, ohne ihr Herz zu belügen, und lange genug zu leben, um über das Glück ihrer Tochter zu wachen. Sie beschloss alsdann, mit ihrer Rivalin zu kämpfen, sich wieder in der Gesellschaft zu zeigen, dort zu glänzen, für ihren Mann eine Liebe zu heucheln, die sie nicht mehr empfinden konnte: ihn zu verführen. Wenn sie ihn sich dann durch ihre Künste wieder unterworfen haben würde, wollte sie die Koketterie jener launischen Mätressen gegen ihn spielen lassen, die sich ein Vergnügen daraus machen, ihre Liebhaber zu quälen. Dieses widerwärtige Spiel erschien ihr als das einzige Mittel, sich gegen ihr Unglück zur Wehr zu setzen. Indem sie sich ihren Mann unterwarf und unter ein schreckliches Joch zwang, würde sie Herrin ihrer Leiden bleiben, ihnen gebieten können und ihre Anfälle seltener machen. Sie fühlte keine Gewissensbisse, ihm ein schweres Leben zu bereiten. Jählings stürzte sie sich in kaltblütige Berechnung. Um ihre Tochter zu retten, СКАЧАТЬ