Название: Die dreißig tolldreisten Geschichten
Автор: Оноре де Бальзак
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783955014674
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Darauf dachte der großmütige Stoffel, in dem die Tugend so eklatant ihre Belohnung erhielt, dass es gescheit wäre, sich jetzt nach dem Hause des guten Chorherrn zu verfügen, wo unterdessen die Erbschaftsfrage sich mit der Gnade Gottes ganz wunderbar vereinfacht hatte. Also machte er sich mit großen Schritten auf den Weg nach Saint-Pierre am Ochsenmarkt, und nicht lange, so schlief er wie ein Neugeborner auf seinem Strohsack, als ob es in Ewigkeit keine Vettern auf der Welt gegeben hätte. Am andern Morgen aber erhob er sich nach Art der Hirten und Bauern mit dem Aufgang der Sonne und begab sich nach dem Zimmer seines Onkels, um sich zu erkundigen, ob er kein Blut spucke, ob er keinen Hustenanfall gehabt, ob er überhaupt gut geschlafen habe. Aber ein alter böser Kauz von Haushälterin sagte ihm, der Chorherr sei zur Mette gegangen, weil man das Fest des heiligen Kriegsmanns Mauritius feierte, des vornehmsten Patrons von Notre-Dame, und weil zu diesem Tag das ganze Kapitel beim Erzbischof von Paris zur Tafel geladen war.
›Der Chorherr muss nicht mehr recht bei Sinnen sein‹, dachte Stoffel, ›um sich in so früher Morgenluft einer Erkältung auszusetzen. Wenn er sich mit Gewalt umbringen will, mir kann's recht sein. Ich will ihm aber unterdessen ein gutes Feuer anzünden, an dem er sich erholen kann bei seiner Heimkehr.
Der gute Stoffel ging also nach dem Saal, wo sein Onkel sich für gewöhnlich aufhielt; aber wie erschrak er! Denn hier saß, leib und leibhaftig, auf seinem gepolsterten Ledersessel niemand anders als der Chorherr.
»Aber was hat denn die alte Catherine gefabelt«, sagte er zu dem Mann im Lehnstuhl; »ich wusste doch, dass Ihr viel zu vernünftig seid, um zu dieser Stunde Euer Vergnügen in einem kalten Chorstuhl zu suchen.«
Der Chorherr blieb stumm. Keinen Piepser gab er von sich. Der ehemalige Viehhirt war aber wie alle diese Art Leute nicht ohne Verständnis für das Wesen heiliger Betrachtung. Er wusste auch, dass hohe Greise sich oft in einem entrückten Zustand befinden, wo sie mit den Dingen, die wir nur durch eine übernatürliche Wissenschaft kennen, geheimen Verkehr pflegen und dann Worte murmeln und Reden halten, die gewiss einen tiefen Sinn haben, die wir aber nicht verstehen. Und in ehrfürchtiger Scheu vor einem so außerordentlichen Zustand setzte er sich etwas entfernt in eine Ecke, um zu sehen, was aus alledem herausschlüpfen möchte. Ohne ein Wort zu sagen, wunderte er sich über die langen Nägel des guten Onkels, die sich kurios durch die Schuhe bohrten. Er sah dann nach den Knien seines lieben Onkels, und da gewahrte er eine noch viel mirakulösere und seltsamere Sache: die Beine des guten Mannes waren rot, so feuerrot, dass sie wie glühende Kohlen durch die Maschen der Strümpfe leuchteten.
›Ist er denn tot?‹ fragte sich der Stoffel.
Aber in demselben Augenblick tat sich die Tür auf, und wer da eintrat, war noch einmal der Chorherr, der mit frostroter Nase geradewegs aus der Messe kam.
»Aber, mein Onkel«, rief Stoffel, »was ist Euch denn unter die Hirnschale gekrochen? Ihr solltet Euch wirklich ein bisschen zusammennehmen und nicht da zur Tür hereinkommen, während Ihr schon dort am Kamin in Eurem Sessel sitzt; Ihr könnt wahrlich wissen, dass es einen Kanonikus wie Euch nicht noch einmal auf der Welt gibt.«
»Oh, Stoffel«, antwortete der Chorherr, »es hat eine Zeit gegeben, wo ich mich oft gern verdoppelt hätte, aber das kann nun einmal der Mensch nicht, er wäre sonst zu glücklich; du aber scheinst das zweite Gesicht zu haben, denn was mich betrifft, ich sehe wahrhaftig nichts von einem zweiten Chorherrn.«
Da wandte Stoffel seine Augen nach dem Sessel, und zu seinem höchsten Erstaunen, wie ihr euch wohl denken könnt, fand er ihn leer; er näherte sich ein wenig und gewahrte auf der Diele ein Häufchen Asche, das noch ein wenig rauchte und gewaltig nach Schwefel stank.
»Zum Kuckuck!« sagte der Stoffel, »aber das muss ich sagen, dass sich der Teufel wie ein Kavalier gegen mich betragen hat. So wahr ich Michael Christoffer heiße, ich will für seine Seele beten.«
Dann erzählte er seinem Onkel in aller Unschuld, wie der Teufel für ihn die Vorsehung gespielt hatte und ihm behilflich gewesen war, sich der Herren Vettern auf eine ehrliche Weise zu entledigen. Der Chorherr zeigte viel Bewunderung und ein lebhaftes Verständnis für die lustige Geschichte; denn seine Augen leuchteten noch immer wie die eines Basilisken, und es waren ihm in seinem langen Leben mehr Fälle vorgekommen, wo fromme Christen vorn gezogen und der Teufel hinten geschoben hatte. Auch gab der alte Priester bei dieser Gelegenheit der hohen Weisheit Ausdruck, dass man im Bösen meist ebensoviel Gutes als im Guten Böses entdecken kann und dass man es darum am besten Gott und dem Teufel überlässt, wie sie in dieser und in der andern Welt miteinander auskommen mögen.
Im Grunde war dies nun freilich eine starke Ketzerei, die schon von manchem Konzil verurteilt worden ist.
So aber hat sich die Geschichte zugetragen, wie die Stoffels reich geworden sind, also reich, dass sie später den Pont Saint-Michel mit dem großen Brunnen bauen konnten, allwo unter dem erzenen Erzengel Michael auch der Teufel keine üble Figur macht, zur Erinnerung der hier erzählten Abenteuer, die wir aus den wahrhaftigsten Geschichtsbüchern ausgezogen haben.
Die Belustigungen König Ludwig des Elften
Der König Ludwig der Elfte war ein guter Gesell, der zu scherzen liebte und, solange es sich nicht um das Wohl seines Staates und die Sachen unsrer heiligen Religion handelte, gern lustig zechte und den ungefiederten Schnepfen nicht weniger gern nachjagte als den gefiederten und andrem königlichem Hochwild. Einige griesgrämige Skribifaxe haben uns diesen guten König als einen bigotten Duckmäuser
und Kopfhänger geschildert, ihr Geschrei ist erstunken und erlogen. Der König war seinen Freunden ein guter Freund, er war ein Spaßvogel und Lacher wie nur einer seines Königreichs. Er war es, der in guten Stunden gern zu sagen pflegte, vier köstliche Dinge gäbe es im Leben: »Frisch trinken, warm scheißen, Hartes eingeben und Weiches schlucken.« Einige haben ihm den Vorwurf gemacht, dass er sich gern mit lasterhaften Weibern eingelassen. Aber auch das ist erlogen, da ja jedermann weiß, dass seine Töchter der Liebe, deren eine legitim gemacht wurde, aus hochangesehenen Familien stammten und große Häuser gegründet haben. Er hasste freilich allen Flitterkram und alles verschwenderische und prahlerische Getue. Auf den Schein und die Außenseite gab er keinen Dreck. Haushälterisch war er wie einer, den Leuteschindern, Volksaussaugern und sonstigen Blutegeln gab er auch kein Bröselchen zu verdienen. Sie haben ihn darum gehasst und verleumdet. Aber die wahren Gelehrten und Liebhaber der Wahrheit wissen, dass der genannte König in seinem Privatleben ein guter und charmanter Kerl war, und niemals hat er einen seiner Freunde den Kopf abschlagen lassen, womit er dennoch nicht knickerig umging, als wenn er schmählich von einem betrogen worden; seine Rache war immer gerecht. Nur in einem Fall, den Meister Verville erzählt, hatte sich der würdige König geirrt; aber einmal ist keinmal, und außerdem trifft die Schuld mehr den Tristan, seinen Gevatter, als den König selbst. Wenn ihr wollt, erzähle ich euch die Geschichte, wie sie Meister Verville berichtet hat, den ich im Verdacht habe, dass er sich einen Spaß damit machen wollte. СКАЧАТЬ