Название: Physiologie der Ehe
Автор: Оноре де Бальзак
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783955014742
isbn:
Finden diese Züge, die wir auf gut Glück unter tausend herausgreifen, sich bei jenen Geschöpfen wieder, deren Hände schwarz sind wie Affenhände, deren gegerbte Haut an alte Pergamente aus Olims Zeit erinnert; deren Gesicht von der Sonne verbrannt, deren Hals runzlig ist wie ein Truthahnhals? deren Stimme ein Gekrächze, deren Intelligenz gleich Null, deren Geruch unerträglich ist? die mit Lumpen bedeckt sind; die nur an ihren Backtrog denken; die fortwährend mit krummem Rücken die Erde bearbeiten; die hacken, eggen, heuen, Ähren lesen, mähen, Brot kneten, Hanf pochen? die in einem kunterbunten Durcheinander mit Vieh, Kindern und Männern in Löchern wohnen, wo sie kaum ein Strohbund haben? denen es endlich wenig darauf ankommt, wenn es ihnen Kinder ins Haus regnet? Viele Kinder zu erzeugen, um viele dem Elend und der Arbeit zu überliefern, ist ihre ganze Aufgabe; und wenn sie ihre Liebe nicht als eine Arbeit betrachten wie die Feldarbeit, so ist sie zum mindesten eine Spekulation.
Ach! wenn es auf der ganzen Welt Kaufmannsfrauen gibt, die den ganzen Tag zwischen Kerzen und Farinzucker sitzen; Pächtersfrauen, die Kühe melken; Unglückliche, die man in den Fabriken als Lasttiere benutzt, oder die mit Hacke, Hucke und Gemüsekorb sich schleppen; wenn es unglücklicherweise nur zu viele gemeine Geschöpfe gibt, für die das Leben der Seele, die Wohltaten der Erziehung, die köstlichen Stürme des Herzens ein unerreichbares Paradies sind, und wenn die Natur gewollt hat, daß sie ein Zungenbein und zweiunddreißig Wirbel haben – so mögen sie für den Physiologen in der Gattung Orang verbleiben! Hier beschäftigen wir uns nur mit den Müßigen; mit denen, die Zeit und Geist haben, um zu lieben; mit den Reichen, die sich um ihr Geld den Besitz der Leidenschaften erworben haben; mit den Geistigen, die sich das Monopol phantastischer Träume gewonnen haben. Verflucht sei alles, was nicht geistig lebt! Sagen wir ›Racha!‹ und wieder ›Racha!‹ zu allem, was nicht heißblütig, jung, schön und leidenschaftlich ist! Dies ist der öffentliche Ausdruck für das geheime Gefühl der Menschenfreunde, die lesen können oder sich eigene Equipage zu leisten vermögen. In den von uns mit dem Bann belegten neun Millionen sehen der Steuereinnehmer, der Verwaltungsbeamte, der Gesetzgeber, der Priester ohne Zweifel Seelen, Untertanen, Gerichtssassen, Steuerpflichtige – aber der feinfühlige Mensch, der Boudoirphilosoph essen wohl das Kaffeebrötchen aus dem von jenen Geschöpfen gesäten und geernteten Korn, aber sie werden sie, wie wir es tun, aus der Gattung ›Frau‹ ausschließen. Für sie ist ›Frau‹ nur eine solche, die Liebe einflößen kann; daher gibt's als Frau nur ein Geschöpf, das durch eine gewählte Erziehung zum Priestertum des Gedankens geweiht ist; in dem der Müßiggang alle Macht der Einbildungskraft entwickelt hat – mit einem Wort ein Wesen, dessen Seele in der Liebe ebenso hohe geistige Genüsse wie körperliche Wonnen erträumt.
Wir wollen indessen darauf hinweisen, daß diese neun Millionen weiblicher Parias hier und da einige tausend Bauernmädchen hervorbringen, die seltsamerweise schön wie Liebesgöttinnen sind; diese kommen nach Paris oder in andere große Städte und steigen schließlich zum Range feiner Damen empor; aber auf diese zwei oder dreitausend Bevorzugte kommen hunderttausend andere, die Dienstmädchen bleiben oder sich einem schrecklichen Lasterleben ergeben. Trotzdem wollen wir dem weiblichen Pöbel diese Dorfpompadours in Rechnung stellen.
Diese unsere erste Berechnung gründet sich auf die statistisch festgestellte Tatsache, daß es in Frankreich achtzehn Millionen Arme, zehn Millionen Wohlhabende und zwei Millionen Reiche gibt.
Es sind also in Frankreich nur sechs Millionen Frauen vorhanden, mit denen feinfühlige Männer sich beschäftigen, sich beschäftigt haben oder sich beschäftigen werden.
Unterziehen wir diese gesellschaftliche Auslese einer philosophischen Prüfung!
Wir sind – ohne Widerspruch zu befürchten – der Meinung, daß die Ehemänner, die eine zwanzigjährige Ehe hinter sich haben, ruhig schlafen dürfen, und nicht mehr Übergriffe der Liebe und den Skandal eines Prozesses wegen strafbaren Verkehrs zu befürchten brauchen. Von diesen sechs Millionen muß man also ungefähr zwei Millionen Frauen abziehen, die außerordentlich liebenswürdig sind, weil sie mit vierzig Jahren und darüber die Welt gesehen haben; da sie aber keine Herzen mehr in Wallung bringen können, so kommen sie für die vorliegende Frage nicht in Betracht. Nenn sie das Unglück haben, daß ihre Gesellschaft nicht wegen ihrer Liebenswürdigkeit gesucht wird, so packt sie die Langeweile; sie verlegen sich auf Frömmigkeit, Katzen, Hündchen und andere Liebhabereien, die sie nur vor Gott zu verantworten haben.
Die vom Statistischen Amt angestellten Berechnungen der Bevölkerung berechtigen uns, von der Gesamtzahl ferner zwei Millionen kleiner Mädchen abzuziehen; sie sind zum Anbeißen hübsch, aber sie stehen noch beim Abc des Lebens und spielen in aller Unschuld mit andern Kindern, ohne eine Ahnung zu haben, daß sie über diese kleinen ›Mannis‹, über die sie jetzt lachen, eines Tages weinen werden.
So bleiben also zwei Millionen Frauen. Welcher vernünftige Mensch wird uns nicht zugeben, daß hiervon hunderttausend arme Mädchen abzuziehen sind: Häßliche, Bucklige, Hysterische, Rachitische, Kranke, Blinde, Verkrüppelte, Arme? Sie alle sind Mädchen von guter Erziehung, aber sie alle bleiben Mädchen und können infolgedessen gegen die heiligen Gesetze der Ehe nicht verstoßen.
Wird man uns hunderttausend andere Mädchen abstreiten: Schwestern der heiligen Camilla, barmherzige Schwestern, Nonnen, Lehrerinnen, Gesellschaftsfräuleins usw.? In die fromme Nachbarschaft dieser Mädchen wollen wir die ziemlich schwer zu bestimmende Zahl von solchen stellen, die zu groß sind, um noch mit kleinen Jungen zu spielen, und noch zu jung, um schon ihre Orangeblütenkränze entblättern zu lassen.
Endlich wollen wir von den fünfzehnhunderttausend Frauen, die wir in unserm Probiertiegel haben, noch fünfhunderttausend abziehen: die Töchter Baals, an denen die wenig zartfühlenden Männer ihr Vergnügen haben. Wir wollen sogar – ohne zu befürchten, daß sie sich gegenseitig etwas zuleide tun könnten – zu ihnen noch hinzurechnen: die ausgehaltenen Frauen, die Modistinnen, Laden- und Geschäftsmädchen, Schauspielerinnen, Sängerinnen, Tänzerinnen, Statistinnen, Haushälterinnen, Dienstmädchen usw. Die meisten von diesen Geschöpfen wissen auch ihre Leidenschaften zu erregen, aber sie finden es unanständig, für den Tag und Augenblick, wo sie sich ihrem Liebhaber ergeben, einen Notar, einen Bürgermeister, einen Geistlichen und eine ganze Schar lachlustiger Menschen vorher zu bestellen. Ihr System, das von einer neugierigen Gesellschaft mit Recht verdammt wird, bietet den Vorteil, sie gegen die Männer, gegen den Herrn Bürgermeister, gegen die hohe Justiz zu nichts zu verpflichten. Da sie nun in keiner Weise gegen einen von der Behörde vorgeschriebenen Eid verstoßen, so haben diese Frauen nichts mit einem Werk zu schaffen, das ausschließlich den legitimen Ehen geweiht ist.
Man wird vielleicht sagen, auf diese Weise beschränkten wir uns auf ein recht kleines Stoffgebiet für das Thema, das dieser Betrachtung zugrunde liegt – dafür wird aber dieses Kapitel einen Ausgleich bilden für andere, die nach der Meinung von Liebhabern zu sehr anschwellen СКАЧАТЬ