Physiologie der Ehe. Оноре де Бальзак
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Physiologie der Ehe - Оноре де Бальзак страница 3

Название: Physiologie der Ehe

Автор: Оноре де Бальзак

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783955014742

isbn:

СКАЧАТЬ baut doch nicht, es ißt doch nicht ein jeder Mensch, nicht jeder hat eine Krawatte oder wärmt sich an einem Kaminfeuer – verheiraten aber tut sich jedermann mehr oder weniger ... aber sieh mal da!«

      Er machte eine Handbewegung, und es war, als enthüllte er in der Ferne einen Ozean, in welchem alle Bücher des Jahrhunderts hin und her wogten. Die Oktodezbände prallten von der Wasserfläche ab, die Oktavbände sanken mit einem tiefen Ton auf den Grund und arbeiteten sich nur mit großer Mühe wieder an die Oberfläche, behindert durch die Fülle von Duodez- und Sedezbänden, die sich zu einem leichten Schaum auflösten. Die wilden Wogen waren voll von Journalisten, Druckereifaktoren, Papierhändlern, Setzerlehrlingen und Buchdruckern, von denen man nur die Köpfe in buntem Gewimmel unter all den Büchern sah. Tausende von Stimmen schrien wie Schüler im Bade. In ihren Booten fuhren einige Menschen hin und her, fischten die Bücher auf und brachten sie ans Ufer zu einem großen schwarzgekleideten Mann mit hochmütiger, gefühlloser und kalter Miene: die Leute waren die Buchhändler, und der Mann war das Publikum. Der Teufel zeigte auf ein neugetakeltes Schiffchen, das unter vollen Segeln dahinfuhr und als Flagge ein Plakat trug; dann las er mit einem hämischen Lachen und schneidender Stimme: ›Physiologie der Ehe‹.

      Der Verfasser verliebte sich; der Teufel ließ ihn in Ruhe – denn er hätte zu schweren Stand gehabt, wäre er in eine Wohnung gekommen, wo eine Frau waltete. Einige Jahre vergingen ohne andere Qualen als die der Liebe, und der Verfasser konnte glauben, er sei von einer Krankheit durch eine andere geheilt worden. Aber als er eines Abends in einem Pariser Salon mit einigen andern Herren im Halbkreis vor dem Kamin saß, ergriff einer von der Gesellschaft das Wort und erzählte mit Grabesstimme folgende Anekdote:

      »Als ich in Gent war, passierte eine Geschichte. Eine seit zehn Jahren verwitwete Dame lag todkrank in ihrem Bett. Auf ihren letzten Seufzer warteten drei Erben, Seitenverwandte, die nicht von ihr wichen, weil sie befürchteten, sie könnte ein Testament zugunsten des Beginenklosters der Stadt machen. Die Kranke lag stillschweigend wie betäubt da, und der Tod schien sich langsam ihres stummen, bleichen Gesichtes zu bemächtigen. Sehen Sie nicht die drei Verwandten vor sich, wie sie schweigend in der Winternacht vor dem Bette sitzen? Eine alte Krankenwärterin ist da und schüttelt den Kopf; der Arzt sieht voller Unruhe die Krankheit bei ihrem letzten Stadium angelangt, hält in der einen Hand seinen Hut und macht mit der andern den Verwandten ein Zeichen, wie wenn er ihnen sagen wollte: ›Ich brauche hier keinen Besuch mehr zu machen.‹ In dem feierlichen Schweigen konnte man das gedämpfte Sausen eines Schneetreibens hören, das die Fensterläden peitschte. Damit nicht die Augen der Sterbenden vom Licht getroffen würden, hatte der jüngste der drei Erben die neben dem Bett stehende Kerze mit einem Schirm versehen, so daß der Lichtkreis kaum das Kopfkissen erreichte, von dem das vergilbte Gesicht sich abhob wie ein schlecht vergoldeter Kruzifixus von einem Kreuz aus mattem Silber. Die aufzuckenden blauen Flammen eines prasselnden Kaminfeuers beleuchteten also allein dieses düstere Zimmer, worin ein Drama seinen Abschluß finden sollte. Plötzlich rollte nämlich ein glühendes Holzstückchen aus dem Kamin auf das Parkett, wie wenn es ein Ereignis voraussagen wollte. Auf dieses Geräusch richtet die Kranke sich rasch empor und reißt ihre Augen auf, die so hell funkeln wie die einer Katze. Alle Anwesenden blicken sie erstaunt an. Sie sieht nach der rollenden Kohle, springt, ehe jemand daran denkt, sich dieser unerwarteten Bewegung einer Fieberkranken zu widersetzen, aus dem Bett, ergreift die Feuerzange und wirft die Kohle in den Kamin zurück. Die Wärterin, der Arzt, die Verwandten stürzen herzu und fangen die Sterbende in ihren Armen auf; sie wird wieder zu Bett gebracht und legt den Kopf auf das Pfühl. Und kaum sind einige Minuten verflossen, da stirbt sie, und auch nach ihrem Tode bleibt ihr Blick noch auf dem Brettchen des Parketts haften, bis zu dem die Kohle gerollt war. Kaum war die Gräfin von Ostroem verschieden, so warfen die drei Erben sich einen mißtrauischen Blick zu und zeigten sich das geheimnisvolle Parkett; an ihre Tante dachten sie schon nicht mehr. Da sie Belgier waren, so ging bei ihnen das Rechnen ebenso schnell wie das Sehen. Drei leise Worte wurden ausgetauscht, und sie kamen überein, keiner von ihnen solle das Zimmer verlassen. Ein Lakai holte einen Arbeiter. Ihre Verwandtenherzen pochten lebhaft, als die drei Belgier, die das schatzbergende Parkett bewachten, einen kleinen Schreinerlehrling erscheinen sahen. Er setzt den Meißel an; das Werkzeug dringt in das Holz ein.

      ›Tante hat sich gerührt‹, sagt der jüngste von den Erben.

      ›Nein, das kommt nur von dem flackernden Licht!‹ antwortet der älteste, der mit dem einen Auge den Schatz, mit dem andern die Tote ansieht.

      Die leidtragenden Verwandten fanden genau an der Stelle, bis zu der die Kohle gerollt war, eine kunstvoll von einer Gipsschicht umhüllte Masse.

      ›Vorwärts!‹ sagte der älteste.

      Im selben Augenblick legte der Meißel des Lehrlings einen Menschenkopf bloß, und an irgendeinem Kleidungsüberrest erkannten sie den Grafen, der nach der Meinung der ganzen Stadt auf Java gestorben war und dessen Verlust seine Witwe leidenschaftlich beweint hatte.« – –

      Der Erzähler dieser alten Geschichte war ein großer dürrer Mann mit gelben Augen und braunen Haaren, und der Verfasser glaubte eine entfernte Ähnlichkeit zwischen ihm und dem Teufel zu bemerken, der ihm früher so arg zugesetzt hatte; aber der Fremde hatte keinen Klumpfuß. Plötzlich klang wie eine Art Glockenton das Wort ›Ehebruch‹ dem Verfasser in die Ohren und erweckte in seiner Phantasie die grausigsten Gestalten des Gefolges, das früher hinter diesen Wundersilben hergezogen war.

      Seit diesem Abend begannen von neuem die gaukelnden Verfolgungen eines noch nicht existierenden Werkes; in keiner Epoche seines Lebens wurde der Verfasser von so viel trügerischen Gedanken über den unglückseligen Gegenstand dieses Buches bestürmt. Aber er leistete dem Geiste mutigen Widerstand, obwohl dieser die unbedeutendsten Lebensereignisse mit jenem noch unbekannten Werk in Verbindung brachte und wie ein Zollschreiber an alles die Plombe mit seinem spöttisch in die Augen springenden Zeichen anhängte.

      Einige Tage darauf befand sich der Verfasser in Gesellschaft zweier Damen. Die erste war eine der liebenswürdigsten und geistreichsten Frauen des Napoleonischen Hofes gewesen. In ihrer hohen gesellschaftlichen Stellung wurde sie von der Restauration überrascht und gestürzt; sie war Einsiedlerin geworden. Die zweite, jung und schön, spielte in diesem Augenblick in Paris die Rolle einer Modekönigin. Sie waren Freundinnen, da die eine vierzig und die andere zweiundzwanzig Jahre alt war und daher die Ansprüche ihrer Eitelkeit sich selten auf demselben Gebiet begegneten. Die eine der beiden Damen brauchte sich vor dem Verfasser nicht zu genieren, und da die andere dies erraten hatte, so setzten sie in seiner Gegenwart ein ziemlich freies Gespräch über ihren Frauenberuf fort.

      »Haben Sie bemerkt, meine Liebe, daß die Frauen im allgemeinen nur Dummköpfe lieben?«

      »Was sagen Sie da, Herzogin? Wie wollen Sie diese Bemerkung mit ihrer Abneigung gegen ihre Ehemänner in Einklang bringen?«

      ›Aber das ist ja eine Tyrannei!‹ dachte der Verfasser bei sich selber.

      »Nein, meine Liebe, ich spaße nicht!« sagte die Herzogin; »und seitdem ich mit kaltem Urteil die Leute, die ich früher gekannt hatte, mir näher betrachtet habe, meine ich, daß wir Frauen Anlaß haben, um uns selber zu zittern. Geist hat immer etwas Glänzendes an sich, was uns verletzt; der Mann, der viel Geist hat, erschreckt uns vielleicht, und wenn er stolz ist, wird er nicht eifersüchtig sein, kann uns also nicht gefallen. Endlich erheben wir vielleicht lieber einen Mann zu uns empor, als daß wir zu ihm hinaufsteigen ... Das Talent läßt uns allerdings an Erfolgen teilnehmen, aber der Dummkopf verschafft uns Genüsse; und wir ziehen es stets vor, sagen zu hören: ›Ah! das ist aber ein schöner Mann!‹ – als unsern Liebhaber zum Mitglied des Instituts erwählt zu sehen.«

      »Jetzt ist's aber genug, Herzogin! Sie haben mich wirklich erschreckt!«

      Und die junge Kokette begann die Porträts aller Liebhaber zu entwerfen, in die die Frauen ihrer Bekanntschaft vernarrt waren; sie СКАЧАТЬ