Physiologie der Ehe. Оноре де Бальзак
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Название: Physiologie der Ehe

Автор: Оноре де Бальзак

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783955014742

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       Physiologie der Ehe

       Eklektisch-philosophische Betrachtungen über Glück und Unglück in der Ehe

      Impressum

      ISBN 9783955014742

      2013 andersseitig.de

      Covergestaltung: Erhard Koch

      Digitalisierung: Erhard Koch

      andersseitig Verlag

      Dresden

      www.andersseitig.de

      [email protected]

      (mehr unter Impressum-Kontakt)

      Widmung

      Beachten Sie die Worte auf Seite 56:

       Der überlegene Mensch, dem dieses Buch gewidmet ist ... Heißt das nicht einfach ›Ihnen‹ –?

      Einleitung

      Die Frau, die sich durch den Titel dieses Buches versucht fühlen sollte, es aufzuschlagen, kann sich das ersparen: sie hat es bereits gelesen, ohne es zu wissen. Der allerboshafteste Mann wird niemals über die Frauen so viel Gutes und so viel Böses sagen, wie sie selber von sich denken. Sollte trotz dieser Vorbemerkung eine Frau durchaus das Werk lesen wollen, so wird das Zartgefühl ihr zur Pflicht machen müssen, nicht auf den Verfasser zu schmälen – denn auf den Beifall verzichtend, der für alle Künstler der allerschmeichelhafteste ist, hat er sozusagen auf dem Titelkupfer seines Buches die vorsichtige Inschrift eingegraben, die man zuweilen über Türen liest: ›Nicht für Damen!‹

      Die Ehe hat mit der Natur nichts zu tun. Die morgenländische Familie ist völlig verschieden von der abendländischen Familie. – Der Mensch ist der Diener der Natur, und die Gesellschaft wird dieser aufgepfropft. – Die Gesetze sind um der Sitten willen gemacht, und die Sitten wechseln.

      ›Für die Ehe kann also dasselbe Gesetz allmählicher Vervollkommnung gültig sein, dem, wie es scheint, alles Menschliche unterworfen ist.‹

      Diese von Napoleon bei der Erörterung über das Bürgerliche Gesetzbuch gesprochenen Worte machten auf den Verfasser dieses Buches einen bedeutenden Eindruck; vielleicht senkten sie, ihm unbewußt, in ihn den Keim des Werkes, das er heute dem Publikum darbietet. Als er nämlich – er war damals viel jünger – französisches Recht studierte, verursachte das Wort ›Ehebruch‹ ihm eigentümliche Gefühle. In ungeheurer Größe von all den Paragraphen des Gesetzbuches sich abhebend, trat dieses Wort niemals ohne ein grausiges Trauergefolge vor seine Phantasie: Tränen, Schande, Haß, Todesangst, geheime Verbrechen, blutige Kriege, Familien ohne ihr Oberhaupt, Unglück – alle diese Begriffe nahmen Fleisch und Blut an und richteten sich plötzlich auf, wenn er dieses große Wort ›Ehebruch‹ las. Als er dann später an den in höchster Kultur stehenden Gestaden der Gesellschaft landete, bemerkte der Verfasser, daß die Strenge der ehelichen Gesetze ziemlich allgemein durch den Ehebruch gemildert wurde. Er fand, daß die Gesamtsumme der schlechten Ehen bei weitem die der glücklichen Ehen übertreffe. Endlich glaubte er, als erster die Bemerkung zu machen, daß von allen menschlichen Kenntnissen die Kenntnis vom Wesen der Ehe am weitesten zurückgeblieben sei. Aber dies war eine Beobachtung, wie ein junger Mann sie macht: es erging ihm wie so vielen andern, und wie ein in einen See geworfener Stein verschwand sie im Abgrund seiner stürmischen Gedanken. Der Verfasser beobachtete indessen unbewußt weiter; und so bildete sich in seiner Phantasie langsam ein Schwarm mehr oder weniger richtiger Gedanken über die Natur der Eheangelegenheiten. Bücher bilden sich in den Seelen vielleicht ebenso geheimnisvoll, wie in den duftenden Ebenen von Périgord die Trüffeln sprießen. Aus der einfältig-frommen Angst, die der Ehebruch ihm einjagte, und aus der gedankenlos gemachten Beobachtung entsproß eines Morgens ein winziger Gedanke, worin seine Idee Form gewann. Es war ein Spaß über die Ehe: zwei Gatten liebten sich zum erstenmal, nachdem sie siebenundzwanzig Jahre verheiratet gewesen waren. Er hatte seine Freude an diesem kleinen Pamphlet gegen die Ehe und verbrachte eine ganze Woche mit der köstlichen Beschäftigung, um dieses harmlose Epigramm die vielfältigen Ideen zu gruppieren, die er unbewußt gewonnen hatte und zu seinem eigenen Erstaunen in sich fand. Infolge einer schulmeisterlichen Bemerkung wurde diese Tändelei aufgegeben. Gehorsam diesem Rate, ergab der Verfasser sich wieder der Sorglosigkeit seiner Faulenzergewohnheiten. Indessen vervollkommnete sich dieser kleine Erstlingsversuch in scherzhafter Wissenschaft ganz allein auf den Gefilden des Gedankens: jeder Satz des verurteilten Werkes faßte dort Wurzel und erstarkte, wie ein Zweiglein, das, an einem Winterabend auf dem Sande liegen geblieben, am nächsten Morgen mit jenen bizarren weißen Kristallformen bedeckt ist, in denen sich die launenhafte Zeichenkunst des Nachtfrostes ergeht. So blieb auch dieser Entwurf am Leben und wurde der Ausgangspunkt für eine Menge moralischer Verästelungen. Er war gleichsam ein Polyp, der sich aus sich selber erzeugte. Die sinnlichen Empfindungen seiner Jugend, die Beobachtungen, die eine freundliche Macht ihn anstellen ließ, fanden Stützpunkte in den geringsten Ereignissen. Noch mehr – diese Ideenmasse gewann Harmonie und Leben, beinahe körperliche Gestalt und wandelte in jenen phantastischen Reichen, in denen die Seele gern ihre ausgelassenen Sprößlinge vagabundieren läßt. Mitten im Getriebe der Welt und des Lebens hörte der Verfasser stets eine innere Stimme, die ihm gerade, wenn er mit dem größten Vergnügen eine tanzende, lächelnde oder plaudernde Frau beobachtete, die boshaftesten Bemerkungen zuflüsterte. Wie Mephistopheles auf dem Hexensabbat des Brockens seinem Faust grausige Gestalten zeigt, so spürte der Verfasser überall die Gegenwart eines Teufels, der mitten auf einem Ball ihm vertraulich auf die Achsel klopfte und sagte: »Siehst du dies Zauberlächeln? Es ist ein Lächeln des Hasses.« Bald stolzierte der Teufel einher wie ein renommistischer Kapitän der alten Hardyschen Komödien, schüttelte die Purpurfalten seines gestickten Mantels und bemühte sich, die alten Kinkerlitzchen und Flitter des Ruhmes wieder aufzufrischen; bald lachte er ein Rabelaissches breites, offenes Lachen und schrieb auf der Straße an eine Häuserwand ein Wort, das jenem ›Trink!‹ – dem einzigen Orakel, das aus der göttlichen Flasche herauszubekommen war – als Gegenstück dienen könnte. Oft saß dieser literarische Trilby auf einem Haufen zerfetzter Bücher und zeigte mit seinen Krallenfingern boshaft auf zwei Bände mit gelbflammenden Umschlägen. Wenn er dann sah, daß der Verfasser aufmerksam wurde, buchstabierte er mit einer Stimme, die auf die Nerven fiel wie die Töne einer Harmonika, den Titel: ›Physiologie der Ehe!‹ Aber fast immer erschien er abends, im Augenblick, wo die Träume kommen. Liebkosend wie eine Fee versuchte er durch sanfte Worte die Seele, die er sich unterjocht hatte, zutraulich zu machen. Ebenso spöttisch wie verführerisch, geschmeidig wie eine Frau, grausam wie ein Tiger – war er in seiner Freundschaft gefährlicher als in seinem Haß; denn er konnte nicht liebkosen, ohne zu kratzen. Eines Nachts versuchte er auch wieder die Macht aller seiner Zauberkünste und krönte sie durch eine letzte Bemühung. Er kam, er setzte sich auf den Bettrand wie ein junges verliebtes Mädchen, das zuerst schweigt, aber mit seinen glänzenden Augen zuletzt doch sein Geheimnis sich entschlüpfen läßt – und sagte:

      »Dies hier ist der Prospekt eines Schwimmapparates, mittels dessen man trockenen Fußes auf der Seine wird spazieren gehen können. Dieser andere Band ist ein Bericht des Instituts über eine Bekleidung, mit deren Hilfe wir durch Flammen schreiten können, ohne uns zu verbrennen. Willst du denn nicht etwas vorschlagen, was die Ehe vor den Leiden des Frostes und der Hitze beschützen könnte? Aber höre! Hier habe ich: ›Die Kunst, Nahrungsmittel aufzubewahren‹; ›Die Kunst, das Rauchen der Kamine zu verhindern‹; ›Die Kunst, seine Krawatte zu knoten‹; ›Die Kunst, den Braten vorzulegen‹.«

      Er zählte in einer Minute eine so ungeheure Menge von Büchern auf, daß dem Verfasser ganz wirblig zumute wurde.

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