Название: Dzieci północy
Автор: Салман Рушди
Издательство: PDW
Жанр: Контркультура
Серия: Mistrzowie literatury
isbn: 9788381887243
isbn:
Es ist vorbei. Er hat mich entdeckt und nun wird wieder alles gut. Ich muss nur abwarten. Eryn döste eine Weile im Sitzen vor sich hin, dann erinnerte er sich an die Fußfessel und holte sich jenes Messer, in das er inzwischen ein paar Kerben gehauen hatte. Das war das beste Werkzeug, das er hatte und damit kratzte er jetzt auf der Eisenfessel herum. Es war nicht so, dass er dabei große Fortschritte gemacht hätte, doch es war eine Beschäftigung und irgendwie hatten diese ständigen Wiederholungen in der Bewegung etwas Beruhigendes.
„Das ist sinnlos.“
Diesmal erschrak Eryn nicht ganz so sehr wie beim ersten Mal, doch er hielt sofort in seinem Tun inne. „Ich weiß, doch du könntest mir die Fessel abnehmen. Ein Leichtes für einen Magier.“
Diesmal stand Ador in der anderen Ecke. „Warum sollte ich das? Du hast dich doch selbst in diese Situation gebracht.“
Eryn fuhr mit dem Gekratze fort. „Habe ich nicht. Du hast mich in Elverin gefangen gehalten und mit Rauschkraut vollgepumpt.“ Dann sah er doch auf und in seinen Augen glitzerte es gierig.
„Hast du welches dabei?“
„Vielleicht“, meinte Ador vage und Eryns ganze Aufmerksamkeit war geweckt.
„Gib mir etwas davon. Ich brauche es. Du weißt, dass ich es brauche und das Hybridenrecht verbietet, dass du mich unnütz quälst.“
„So, jetzt bist du also doch ein Hybrid?“, verspottete ihn Ador und Eryn reagierte plötzlich übertrieben heftig und schrie:
„Ja! Und jetzt gib mir das Rauschkraut.“ Dabei warf er das Messer nach Ador, doch das flog einfach durch die Gestalt Adors hindurch und prallte mit einem Klirren gegen die Wand. Daraufhin verschwand die Illusion und Eryn tobte umso mehr: „Eine verfickte Illusion. Er ist nicht einmal richtig hier, sondern schickt nur ein lächerliches Trugbild. Verdammtes poxiges Arschloch. Die Dämonen der Hölle sollen dich fressen.“ Nachdem er seinem Ärger freien Lauf gelassen hatte, glitt er wieder in den apathischen Zustand hinüber, in dem er sich die meiste Zeit über befand.
Noch ein drittes Mal an diesem Tag bekam er Besuch. Er stand gerade vor dem Fenster und überlegte, wie lange es wohl noch hell sein würde, als er das Gefühl hatte, jemand stünde direkt hinter ihm. Eryn fuhr herum und da saß Meister Raiden im Schneidersitz auf dem Sandbett.
„Du bist also zu unfähig, um den Magieblocker zu entfernen, Nurin.“
Er lässt mich immer dumm aussehen. „Dann zeig es mir doch“, brauste Eryn auf.
Prinz Raiden ging auf diese Forderung gar nicht ein, sondern meinte lediglich:
„Aus dir wird nie ein brauchbarer Magier werden, Nurin. Es ist nur recht und billig, dass du dich selbst eingesperrt hast. Ein Fennrebell wie du gehört weggesperrt. Du bist eine Gefahr für dich und andere.“
Warum ist Prinz Raiden überhaupt hier? Spielt Ador seine Spielchen mit mir? Aber dann kam Eryn noch eine andere Erklärung. „Das hier ist nicht real.“ Es ist mein eigener Geist, der mir diesen üblen Streich spielt. Hier manifestieren sich meine Ängste und meine Wünsche. Halluzinationen eines verwirrten Hirns. Eryn sah weg und konzentrierte sich auf die Fische, die in dem Vorratsbecken schwammen. Als er wieder aufsah, war Prinz Raiden verschwunden und das Bett war wieder leer.
Das brachte ihm einen Moment der Erleichterung, denn seine Flucht war nicht vergebens gewesen. Natürlich bestand immer noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Ador ihn mit diesen Trugbildern heimsuchte, denn die Illusionen kamen immer wieder. Meist war es Ador, doch auch Meister Raiden und andere Personen, die er kannte, tauchten auf. Vor allem jene, zu denen er ein schwieriges Verhältnis gehabt hatte. Sir Haerkin befand sich darunter und auch Meister Tellenor und Meister Savyen, obwohl ihm dieser zur Flucht verholfen hatte. Einmal tauchte auch der Forscherdrache auf und verkündete, dass er das Forschungsobjekt Nummer eins fressen wolle, um den unterschiedlichen Geschmack der Forschungsobjekte zu katalogisieren.
Eryn gewöhnte sich schnell an diese Halluzinationen. Manchmal unterhielt er sich mit ihnen sogar ganz gerne, denn sie vermittelten ihm das Gefühl, nicht alleine zu sein.
So verstrichen die nächsten Tage und wenn er gerade keinen Besuch hatte, lag Eryn oft antriebslos auf dem Haufen Seegras und döste. Manchmal aß er etwas und hin und wieder unternahm er einen Versuch, die Fußfessel zu zerstören. Aber bisher hatte er nicht mehr zustande gebracht, als eine dünne Rille in die Oberfläche des Metalls zu kratzen. Etwas mehr Erfolg hatte er beim Anker in der Mauer. Dort war es ihm gelungen ein paar Gesteinssplitter herauszuschlagen. Allerdings nicht genug, um den tief sitzenden Anker freizubekommen. Doch selbst wenn er die Kette vom Felsen lösen könnte, dann verhinderte immer noch der metallene Magieblocker um seinen Knöchel, dass er seine Magie würde gebrauchen können. Doch ohne Magie war es so gut wie unmöglich, von diesem kargen Felsen zu entkommen. Die Kette selbst war lang genug, sodass er sogar problemlos den Raum verlassen konnte.
Um den Wind abzuhalten hatte Eryn nämlich einen schmalen Einlass in den Stein gegraben, der steil eineinhalb Schritte nach oben führte und dann in einem ovalen Durchlass nach draußen mündete. Dort gab es dann nur mehr einen kleinen Vorsprung, bevor der Fels kerzengerade in die Tiefe abfiel.
Manchmal stand Eryn dort am Abgrund und sah den Wellen zu, wie sie in der Ferne immer kleiner wurden, bis sich Wasser und Himmel in der verschwommenen Linie des Horizonts trafen.
Zunächst war ihm nichts wichtig gewesen und die Zeit trieb nur so dahin, doch mit zunehmender Klarheit wurde er sich auch wieder der Probleme seiner derzeitigen Situation bewusst.
Abgesehen mal von dem gierigen Verlangen nach Rauschkraut, welches er immer noch nicht kontrollieren konnte, würde ihm irgendwann auch die Nahrung ausgehen. Die Muscheln hatte er schon allesamt gegessen und nur, um noch etwas anderes als Fisch zu essen zu haben, kaute er auf dem Seegras herum und spuckte dann den faserigen Brei aus, wenn er ihn nicht gerade auf die Scheuerstelle am Fußgelenk aufbrachte.
Fischhaufen und Wasservorrat hatten sich bereits halbiert und wenn diese Vorräte zur Neige gingen, dann hatte er ein richtiges Problem. Doch noch hoffte er auf eine Eingebung, wie es ihm gelingen könnte, die Fessel zu lösen.
Meister Raiden hat immer behauptet, sich eines einzelnen Magieblockers zu entledigen, wäre einfach. Manchmal hatte er das sogar demonstriert, nur um Eryn zu verspotten. Aber der Herr des Schwarzen Turmes hatte seinen Schüler nie in dieses Geheimnis eingeweiht. Eine andere Möglichkeit war es, sich den Fuß abzuhacken. Dann könnte der eiserne Ring mit Leichtigkeit entfernt werden. Ein zerstörtes Glied konnte mit Magie wieder ersetzt werden, doch trotz dieses Wissens war Eryn zu solch einer drastischen Maßnahme noch nicht bereit. Somit blieben ihm lediglich die unmagischen Methoden und er kratzte mit dem zackigen Messer, benutzte die inzwischen abgebrochene Gabel wie einen Meißel und manchmal schlug er mit dem Stein auf das Eisen ein. Doch dabei hatte er sich bereits mehrfach verletzt und nun zierten weitere Abschürfungen und mehrere dunkle Blutergüsse sein Bein.
Etwa eine weitere Woche verging und langsam wurde Eryns Verlangen nach dem Rauschkraut geringer, die Illusionen kamen seltener, sein Geist wurde deutlich klarer und die lethargische Antriebslosigkeit nahm ab. Allesamt gute Zeichen. Doch seine Vorräte nahmen ebenfalls stetig ab und im Trinkwasserbecken war der Wasserspiegel bereits auf eine Handbreite abgesunken.
Ich muss das Wasser rationieren, dachte Eryn und etwas anderes bereitete ihm ein flaues Gefühl im Magen. Wenn ich den verdammten Reif nicht bald zerstören kann, dann muss ich meinen Fuß abschneiden. Und er begann damit, sich eine bessere Säge zu basteln. Dafür musste ein СКАЧАТЬ