Название: Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman
Автор: Viola Maybach
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Der kleine Fürst
isbn: 9783740927226
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Er umarmte die beiden Frauen zum Abschied und ging wieder.
»Er ist nett«, stellte Lili fest.
»Und sehr, sehr gut«, setzte Helen hinzu. »Mein bester Autor – ohne ihn könnte mein kleiner Verlag einpacken. Wenn ein neues Buch von ihm herauskommt, kann ich sicher sein, dass es sich gut verkauft. Wenn ich doch bloß noch einen wie ihn fände!« Sie erinnerte sich an Lilis Neuigkeit und zog ihre jüngere Schwester zu dem bequemen Sofa, mit dem sie eine Ecke ihres Büros möbliert hatte. »Aber nun reden wir nur noch von dir. Beziehungsweise von dir und Moritz. Erzähl endlich!«
Das tat Lili nur zu gern.
*
»Alexa!«, sagte Henning von Rabenfels bittend. »Du warst doch neulich schon viel weiter – aber jetzt haderst du wieder mit deinem Schicksal. Nimm es doch einfach, wie es ist!«
»Nein«, sagte sie so heftig, dass er erschrak. »Das kann ich nicht. Die Zwillinge sind süß, ich habe sie von Herzen gern. Aber darum geht es nicht. Ich kann mich nicht damit abfinden, dass unsere Tochter sich durch ihr Verhalten selbst ins Abseits gestellt hat. Sie wird von niemandem mehr eingeladen werden, sie hat sich gesellschaftlich ins Aus manövriert. Die schlimmsten Folgen können wir vielleicht zunächst abfedern, aber wie wird das später sein? Miriam und Paul bleiben nicht immer die niedlichen Babys, bei deren Anblick die Leute in Entzückensschreie ausbrechen. Irgendwann werden sie unleidliche Teenager sein – und Bettina eine alleinerziehende Mutter von zwei schwarzen Kindern, die keinen Vater haben. Damit kann ich mich nicht abfinden, ich bin schließlich ihre Mutter!«
Sie schwieg einen Augenblick, bevor sie hinzusetzte: »Und ich verstehe wahrhaftig nicht, wie du das so leicht nehmen kannst. Sie ist auch deine Tochter – und dir muss so klar wie mir sein, was auf sie zukommt.«
»Ich glaube nicht, dass das, was du erwartest, auf sie zukommt«, erwiderte Henning bedächtig.
Sie starrte ihn ungläubig an. »Ach, und wieso glaubst du das nicht? Du bist doch nicht blind, Henning. Und du kennst die Regeln, die bei uns herrschen. Davon hat Tina gleich mehrere verletzt. Sie wird auf keinen Fall ungeschoren davonkommen, das weißt du so gut wie ich.«
»Doch, ich denke schon«, widersprach Henning, »und ich will dir auch sagen, warum.«
»Da bin ich aber gespannt.«
Er überging ihren spitzen Tonfall und hielt ihr eine längere Rede, der sie mit wachsender Verwunderung lauschte.
»Aber wie kommst du denn darauf?«, rief sie schließlich. »Hast du mit ihr gesprochen? Hat sie etwas in der Richtung gesagt?«
»Kein Wort. Dennoch glaube ich, dass ich Recht habe. Ich kenne Tina – und du kennst sie auch.«
Sie ließ sich alles, was er gesagt hatte, noch einmal durch den Kopf gehen.
»Könnte sein«, gab sie endlich zu, »aber eine Garantie ist das nicht. Genauso gut ist es möglich, dass du dich irrst.«
»Das stimmt«, gab er ohne zu zögern zu, »aber mein Gefühl sagt mir, dass es sich so verhält, wie ich denke. Ich kenne die Gründe nicht, aber irgendwann werden wir sie erfahren, da bin ich ganz sicher.«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich fühle mich etwas benommen«, gestand sie. »Warum hast du mir nicht schon früher gesagt, was du vermutest?«
»Ich wollte sicher sein, dass ich mir nichts einbilde. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto weniger Zweifel habe ich an der Richtigkeit meiner Theorie.«
»Und wann, denkst du, wird sie uns das sagen?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, Alexa. Komm her.«
Sie ging zu ihm, und er schloss sie in die Arme. Lange standen sie so, ohne sich zu rühren. Endlich murmelte sie: »Danke, Henning, dass du mir gesagt hast, was du denkst. Ich hoffe, du hast Recht.«
Statt einer Antwort küsste er sie.
*
»Sie spricht Französisch«, sagte Anna.
Christian grinste. »Ich bin nicht taub, Anna, das höre ich selbst.«
Sie waren in den Ställen gewesen und hatten soeben Bettina entdeckt, die mit einem Handy am Ohr auf einer der Bänke im Park saß.
Sie liefen langsam auf sie zu und hörten sie sagen: »Non, non, ne t’inquiète pas, ils sont bien. Personne …« Sie sah Anna und Christian auf sich zukommen, murmelte noch etwas, das die beiden nicht verstehen konnten und beendete das Gespräch.
»Sie hat gesagt: Beunruhige dich nicht, es geht ihnen gut«, raunte Anna ihrem Cousin zu.
Christian blieb stehen. »Ich habe schon ein Jahr länger Französisch als du, Anna!«
Bettina beendete ihr Gespräch. »Streitet ihr etwa?«, fragte sie.
»Nee«, antwortete Christian, »aber Anna meinte, sie müsste mir übersetzen, was du gerade gesagt hast – dabei habe ich das selbst verstanden.«
»Was habe ich denn gesagt?« Bettinas Stimme klang ein wenig erschrocken.
»Du hast gesagt: ›Beunruhige dich nicht, es geht ihnen gut.‹ Das stimmt doch, oder?«
»Ja, das stimmt«, antwortete Bettina und stand auf. »Wollen wir zurückgehen?«
Die beiden nickten. Christian wusste, dass Anna die Frage auf der Zunge lag, ob Bettina mit dem Vater von Miriam und Paul gesprochen hatte, denn das hätte er selbst auch gern gewusst. Aber eine innere Stimme sagte ihm, dass sie diese Frage nicht stellen durften, und so warf er Anna beschwörende Blicke zu.
Sie nickte zum Zeichen, dass sie ihn verstanden hatte.
Bettina wirkte nervös, und Christian musste daran denken, dass sie sich schon vorher, im Salon, ein wenig seltsam benommen hatte. Als die Rede davon gewesen war, dass sie mit den Zwillingen häufiger nach Sternberg kommen sollte, hatte sie zwar genickt, aber den Blick gesenkt und sich auf die Lippen gebissen. Und dieses französische Gespräch eben – sie hatte unglücklich und besorgt ausgesehen. Allmählich begann das Geheimnis, das sie um den Vater ihrer Kinder machte, auch ihn zu interessierten. Er hatte das deutliche Gefühl, dass etwas nicht stimmte.
Eine Viertelstunde später saß er mit Anna in deren Zimmer, und seine Cousine sprach aus, was er selbst dachte: »Da stimmt was nicht. Mit Tina und den Zwillingen, Chris.«
»Der Gedanke ist mir auch schon gekommen«, gestand er. »Aber ich weiß nicht, in welcher Hinsicht.«
»Na, es hat mit dem Vater zu tun!«, erklärte Anna im Brustton der Überzeugung. »Das ist doch völlig klar.«
»Ich weiß nicht«, murmelte Christian.
»Sie redet nicht über ihn, niemand weiß, wer er ist – und er ist nicht bei ihr«, sagte Anna. »Irgendwas ist mit dem Vater, da könnte ich wetten. Er hätte doch sonst einfach mitkommen können.«
»Vielleicht sind sie schon nicht mehr zusammen«, meinte Christian. »Das kommt ja vor.«
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