Gesammelte Erzählungen (Über 110 Titel in einem Band). Joachim Ringelnatz
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Название: Gesammelte Erzählungen (Über 110 Titel in einem Band)

Автор: Joachim Ringelnatz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027203710

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СКАЧАТЬ zu beschreiben. Jedoch er lenkt ab und scheint ihr ernster – traurig geworden. So erzählt sie ihm von Offizieren, die sie im Seebad kennengelernt hat, und von anderem und reizt ihn dabei manchmal zu Gegenbemerkungen. Aber seine Antworten klingen jetzt müde oder zerstreut. An seinem Atem oder irgendworan erkennt sie, daß er noch immer wie erwartungsvoll in die Umgebung lauscht.

      Und auf einmal streicht ihre kleine, mit Sammetleder bekleidete Hand über seine Wange, und die berühmte, anmutige Stimme mit dem unbeschreiblichen, glockenhaften Nachhall fragt: »Wissen Sie denn auch, Herr Fritsche, daß ich eine schöne und reiche Dame bin?«

      »Ja«, erwidert er trocken und wehrt unhöflich ihre Hand ab.

      »Gommd da nich ä Offizier? Ä Soldat?«

      »Es ist dunkel, Herr Fritsche. Wenn er die Laterne passiert, wird sich's herausstellen. Aber haben Sie keine Furcht. Niemand bemerkt Sie hier und – ja, es ist Leutnant Daniel.«

      »Gä'm Se mir mal Ihre Hand«, flüstert der Sachse. Er ist lächerlich ängstlich erregt.

      »Pfui, wie kann ein Soldat solche Angst haben. – Au! Au! Was machen Sie denn? Sie tun mir doch weh!«

      Er hat ihr Handgelenk mit seinen zehn groben Fingern schmerzhaft fest umklammert und an sich gezogen.

      »Lassen Sie doch los! Au! Lassen Sie los, oder ich schreie!«

      Er sagt kein Wort. Er hält krampfhaft fest.

      »Au! Ich werde um Hilfe schreien. Ich schreie!« – Er hält fest.

      »Fritsche! – Robert! Sei lieb zu mir!« – Er hält eisern fest. Sie schlägt ihn mit der freien Hand ins Gesicht. »Hilfe! Hilfe!« Sekunden danach reißt der Schein einer Taschenlampe die Gruppe aus dem Dunkel.

      »Um Gottes willen, befreien Sie mich von dem Menschen.«

      »Was ist denn los? Wollen Sie sofort die Dame loslassen, Kerl!«

      »Nee, Herr Leidnand«, schreit Fritsche laut. Sein Sächsisch wirkt in dieser Stärke abscheulich roh, »nee, ich lasse nich los. Die Frau is eene Schbionin; ich habe de Beweise.«

      »Was bin ich? Er ist wahnsinnig. Ich setzte mich zu ihm, weil er blind ist – au! au! Helfen ...«

      »Lassen Sie augenblicklich los, frecher Bursche! Ich kenne die Dame ...«

      »Nee, se muß uff de Wache, se darf nich endwischen ...«

      »Herr Leutnant, bitte hei ... au ... Hilfe! Hilfe!«

      »Was fällt Ihnen ein? Ich befehle Ihnen – ich bürge – lassen Sie los, oder ich ...« Er läßt los. Mehrere andere Personen sind inzwischen herbeigeeilt.

      »Gnädige Frau, wie peinlich! Ich werde den Kerl exemplarisch bestrafen. Ich bin natürlich überzeugt; ich kenne Sie doch genau – aber – meine Pflicht als Soldat – vergeben Sie! – die Form –. Wir werden das auf der Wache im Nu klarstellen. Der Kerl wird eingesperrt –.«

      »Pardon, Herr Leutnant«, sagt ein Herr in Zivil, »Kunstmaler Eckers. Ich bitte, die Denunziation dieses mir fremden Matrosen unterstützen zu dürfen.« – –

      »... Betreten des Strandes ... nach acht Uhr ausdrücklich – – khä – verboten, und Sie wußten, daß Sie vorläufig noch den Militärgesetzen – khä unterstehen ...« Der Admiral hat eine schweratmige, rauhe, sozusagen satte Sprache, die nach Sachlichkeit ringend immer vier, fünf Worte zusammenrafft und dann einen Moment innehält. Da der Admiral heute, wie stets, von Dienstgeschäften gedrängt wird, fällt seine Ansprache kurz aus. »Ich bestrafe Sie also ... in Anbetracht Ihrer bisherigen ... khä ordentlichen Führung nach dem Mindestmaß ... mit einem strengen Verweis ... Es hat sich also herausgestellt, ... daß Sie in dem Spionage – khä Affäre ... gut aufgepaßt haben ... Wie Sie das – khä angedreht haben ... bleibt mir freilich ...«

      »Nu, Herr Admiral, wir Blinden hamm ä'm de Oochen in d'n Ohren.«

      »Reden Sie nich, wenn Sie nicht gefragt sind ... khä – Sie haben das Glück gehabt ... Gelegenheit zu haben, Ihre Pflicht zu tun ... und durch Opfer dem Vaterlande ... khä gute Dienste zu erweisen; ... Ich beneide Sie darum ... Bilden Sie sich aber nichts drauf ein! ... khä Seine Königliche Hoheit hat geruht ...«

      Flaggenparade

       Inhaltsverzeichnis

      Spät hatte V 133 angelegt. Es schickte sich zum Schlafen an, wurde still und klappte ein Auge nach dem anderen zu, das heißt: seine farbigen Lichter erloschen nacheinander. Nur am Fallreep pendelte nunmehr eine weiße Lampe. Als noch ein Urlauber an Land eilte, musterte ihn der Posten im Scheine dieser Laterne etwas neidisch, doch nicht ohne aufrichtige Bewunderung. »Ah, Bootsmaat Dauke. Schlenk – Kulani – Scharfmacherstrümpfe. Selbstverständlich Kurs: Chausseekrug.«

      Ja, ihr Aktiven, ihr habt den Bogen raus. Alle tragen sie diesen Kulani aus seidigem Stoff, Handschuhe in der Flosse, in der Mütze den gewissen Kniff, und alles an ihnen hat Schmiß, was sie »schlenk« nennen. Lauter junge, blühende Burschen; aber im Dienste jederzeit fix auf Posten, verteufelte Draufgänger. Und wenn sie an Land gehen, laufen ihnen die Weiber zu wie das Deckwasser dem Speigatt. – Da dockt er sich nun jede Freizeit im Krug ein und legt einen bigwonschen Speech bei der dicken Alma an und klönt und klönt. Na, und sie ist ein sauberes Weibstück, und der Alte hat Koks. Dabei seine treuherzige Art – ich wette zwei Dekaden –

      Willy Dauke rief ein leeres Privatgefährt an, das gleicher Richtung fuhr, und erhielt Erlaubnis, mit aufzusitzen. »Mein Herr ist auch im Krug mit noch einem; die haben heute einen Abstecher gemacht, ich bin auf sieben Uhr hinbestellt. – Was hast du in dem Tuch; das lebt ja?«

      »Einen Aal, für Bades Alma.«

      »Aha, der Dicken. Da willst du also mit dem Aal nach der Speckseite werfen?«

      »Nix zu wollen.« Dauke winkte ernstlich unwillig ab. »Das ist ein anständiges Mädchen; wir sind so halbwegs verlobt.« –

      Zahnarzt Dr. Welke und sein Freund Emmerich waren angenehmst überrascht, in dem abgelegenen Chausseehaus so vorzüglichen Wein anzutreffen. Sie hatten die Tochter der Wirtin an den Tisch und in eine Unterhaltung genötigt, die sich rasch amüsant und zutraulich gestaltete. Alma Bade besaß die Unbefangenheit und den gesellschaftlichen Halbschliff, welche simple Wirtsleute im Verkehr mit den Gästen sich aneignen, außerdem trotz ihrer auffälligen Korpulenz eine natürliche, kokette Grazie, und ihre gesunde, häusliche Heiterkeit tat den Lebemännern wohl. War auch dem kränklichen Emmerich sein Behagen nicht recht anzumerken, so blieb der Doktor dafür mit den launigsten Einfällen auf der schiefen Ebene.

      Obwohl beide das Mädchen gern nahmen, wie es war, versagten sie sich doch nicht hin und wieder das eitle, billige Vergnügen, ihr zu imponieren, etwa durch die deplacierte Anrede »Gnädiges Fräulein« oder durch irgendeine Galanterie aus höherer Etikette.

      »Ich hatte einmal Petrusen einen hohlen Zahn gezogen. Aus Dankbarkeit trug er mich in den Himmel, ergriff eine riesige Zange und ließ hunderttausend bildhübsche Frauenzimmer antreten. ›Betrachte sie!‹ sagte er. ›Welche Nase gefällt dir am besten?‹ Ich deutete auf ein edel geschnittenes Näschen. Sofort knipste Petrus die Nase mit der Zange ab. ›Welche Augen gefallen dir am besten?‹ Ich suchte СКАЧАТЬ