Gesammelte Erzählungen (Über 110 Titel in einem Band). Joachim Ringelnatz
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Название: Gesammelte Erzählungen (Über 110 Titel in einem Band)

Автор: Joachim Ringelnatz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027203710

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СКАЧАТЬ mit solcher donnernden Kanone hantieren.«

      »Ach, das is garnich so schlimm wie mer dengd. Iwrichens hawe ich gar nich mid geschossen.«

      »Sie waren jedenfalls unten an der Maschine beschäftigt?«

      »Nee, ich bin Schduard; ich ging gerade mid vier Dellern Hammelgohl über Deck.«

      »Nun, das ist ja alles eins – Mirzl, nimm dich endlich einmal zusammen; jeder tut dort seine Pflicht, wo er hinpostiert wird. Und die Gefahr droht allen.«

      »Na ä'm. Bei der Marine gann mer sich de Arweed nich aussuchen.«

      »Nein, das meinte ich auch. Sie konnten ebenso leicht getroffen werden wie die Leute an den Kanonen.«

      »Mich had's ooch erwischd. Ä Granadschblidder haude mir alle vier Deller um die Nase ...«

      »Still! Mirzl, da kommt jemand. Wir sind also nicht die einzigen Nachtschwärmer.«

      »Das is ä Landoffizier mid der Echodame; mer heerd's.«

      »Wie? Kennen Sie die auch?«

      »Nur vom anheeren. Ich genne se alle; ich sitze hier alle Awende.«

      »Aber in bezug auf das rote Licht haben Sie sich doch geirrt; es ist die Fähre von Dänemark.«

      »Ach ja, de Fähre von Dänemark; das deischd manchmal.«

      In der anspruchslosen Frohlaune, worin sich die Damen befanden, blieb ihnen die Unterhaltung mit dem Sachsen noch länger amüsant. Nur bedauerten sie, daß die Dunkelheit sein Gesicht verbarg.

      »Rauchen Sie nie? Rauchen Sie uns doch bitte was vor.«

      »Nee, ich rooche jetz nich.«

      »Sie haben gewiß schon das Eiserne Kreuz?«

      »Ja, das is ooch bei mir hängen gebliem.«

      »O bitte, zeigen Sie doch mal!«

      »Das gann mer jetz nich sehen.«

      »Warten Sie, wir haben Feuerzeug. Friedl!«

      »Nee nee, lassen Se man. Machen Se lieber geen Lichd. Ich darf nämlich, offen geschdanden, nach acht Uhr nich mehr an d'n Schdrand. Das is fier Soldaten ...«

      »Verboten. Richtig, richtig.« –

      »Hm, wo nur Emil heide bleibd?«

      »Erwarten Sie jemanden?«

      »Ja, mei Freund wolde mich abholen.«

      Das gemahnte an die vorgerückte Stunde. Die Damen empfahlen sich mit freundlichen Wünschen für den Matrosen.

      »Freileins«, rief der ihnen nach, da sie einige Schritte gegangen waren. Sie blieben stehen. »Wie?«

      »Nu, 's is schon kud, kude Nachd!«

      »Gute Nacht!« »Gute Nacht!«

      »Ooder hm – wenn Se vielleichd – ...«

      »Was will er noch?« »Ja? – Herr Fritsche?«

      »Mei Freind scheint nämlich nich mehr zu gomm ...«

      »Haben Sie noch etwas auf dem Herzen?«

      »Ja, wenn Se so giedlich sein wolln und de Freindlichgeet hädden, mich bloß ä Schdickchen, bloß ans Geländer om zu bringen; ich bin nämlich ä Bißchen malado uff de Oochen.«

      »Was sind Sie?« – »Ach so, Sie – Sie sehen nicht gut. Selbstverständlich. Friedl, gib mal dein Feuerzeug. Seien Sie unbesorgt, es bemerkt Sie niemand.«

      Durch die Nacht tönte das Rackern des Rädchens am Feuerstein. Beim aufflammenden Lichte blinzelten die Mädchen neugierig nach dem Matrosen hin, der sich halb erhoben hatte, so daß er nun vor ihnen kniete. Ihre übereinstimmenden Blicke begegneten einander. Friedl sagte leise zu Mirzln, aus trockener Kehle heraus: »Er ist blind.«

      »Das wollen wir schon kriegen, lieber Fritsche. Geben Sie mir mal Ihren Arm. Friedl, geh auf die andere Seite. So. – Jedenfalls waren wir recht gemütlich beisammen. Gelt, Herr Fritsche? Ich heiße Mirzl Schwesterling und meine Freundin Friedl Mahler. – Wollen Sie nicht ein Butterbrot bei uns – ach, Sie haben keinen Urlaub? Schade. Dann bringen wir Sie jetzt in Ihr Quartier und morgen abend treffen wir uns hier wieder.« – –

      Andern Tages, im Hotel, beim Kaffee teilte Mirzl ihr Erlebnis dem Admiral und seiner Tischnachbarin, der Frau van Huissen – (mit dem Echo) mit. Der Admiral bemerkte nichts dazu, sondern eilte nach einer korrekten Verbeugung fort. Er hatte heute noch eine Bootsdivision und ein Lazarett zu inspizieren, eine Rekrutenvereidigung zu leiten und einer Gerichtsverhandlung in der Stadt beizuwohnen, ferner ein Gutachten abzugeben und den Erlaß betr. Butterzulagen für die F.P.K. zu prüfen. Außerdem mußte er sich den neuen Flugmotor vorführen lassen und abends eine Rede halten – abgesehen von den laufenden Geschäften. Dagegen äußerte die Echodame starkes Mitleid für den Sachsen. »Wenn Sie gestatten, schließe ich mich abends Ihnen an, Fräulein Schwesterling, und bringe ihm eine Tafel Schokolade mit.«

      Sie fanden Herrn Fritsche zur Dämmerzeit am alten Platze, ohne Zweifel über ihren Besuch höchst erfreut. Friedl Mahler war allerdings nicht erschienen und ließ nur herzliche Grüße nebst einer Schachtel Zigaretten durch Mirzln übergeben. Der Sachse lehnte jedoch sowohl die Zigaretten als auch die Schokolade der Echodame ab. Er fing an, nach seiner Weise sehr aufgeräumt zu plaudern. Das teilnahmsvolle Interesse der Echodame für alles Maritime und Mirzls Lachlust rissen ihn zu ausführlichen, oft mit reichlich derben Anekdoten ausgeschmückten Schilderungen hin, und er gab auch ungeniert über seine persönlichen Verhältnisse Auskunft.

      Man hatte den sechsundzwanzigjährigen Matrosen, nachdem er wochenlang im Lazarett gelegen, zur Erholung ins Seebad geschickt, wo er mit einem zu seinem Beistand abkommandierten Sanitätsgast verweilen sollte, bis die Fragen seiner endgültigen Entlassung, seiner Pensionsansprüche usw. geregelt wären. Und es war für ihn von militärischer wie von zivilbehördlicher, außerdem noch von privater Seite wohlwollend und ausreichend gesorgt. Über seine bereits unterrichtete Frau äußerte Fritsche, sie würde ihm auch ferner treu bleiben, und »im Dunkeln is gerade kud munkeln«. Er spricht heiter, bescheiden, ohne Sentimentalität von der Zukunft und mit hübscher Begeisterung von seinem bisherigen Marineleben. Es ist sein heißer Wunsch und er hofft, »ooch ohne de Oochen noch ämal was fiersch Vaderland zu machen«. Der Prinz hat allerdings zu ihm gesagt: »Fritsche, Se ham Ihre Schuldichgeet gedahn.«

      Während der Unterhaltung horcht der Sachse auf alle nahen und fernen Geräusche und erklärt sie laut. Sein Unterscheidungsvermögen setzt die Damen in Erstaunen. »Das sin ungefähr zwanzich Infandrisden« – »Das wird Haubdmann Brunner uff seiner Fuchsschdude sein« – »Ja, meine Freileins, wir Blinden hamm ä'm die Oochen in d'n Ohren.« –

      Es will aber Mirzln doch bedünken, als ob der Sachse sich nicht so unbefangen gäbe wie tags zuvor. Auch wird er nach und nach wortkarger. Dann unterhalten sie ihn, lustig, vertraulich, jede auffällige Schonung vermeidend; und er hört zu.

      Bis spät. Bis Fräulein Schwesterling sich verabschieden muß. Frau van Huissen wird noch bei Herrn Fritsche bleiben und ihn auch heimgeleiten. Sie dringt, als Mirzl fort ist, nochmals СКАЧАТЬ