Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 241

СКАЧАТЬ meine Beine ganz bleiben oder nicht, da ich die traurige Gewißheit habe, daß ich diese Nacht nicht überleben werde!«

      »So groß ist dein Hunger?«

      »Schauderhaft! Du hast mir grad das Bett geraubt, worüber der Himmel das Aussehen einer vollgestopften Räucherkammer hatte, während über dem meinigen alles leer ist. Auf dein Bett konnte ich nicht treten, weil dich das aufgeweckt hätte; darum suchte ich mir da vorn, ehe du das Licht auslöschtest, diejenige Wurst aus, welche in Beziehung auf ihre Größe und Wohlgestalt meinem heimlichen Zwecke zu entsprechen schien. Um jedes, auch das leiseste Geräusch zu dämpfen, legte ich meine Zudecke unter, auf welche ich den Stuhl stellte. Aber das reichte, wie ich bald bemerkte, leider nicht aus, denn ich durfte die Wurst nicht abschneiden, sondern ich mußte sie empor-weil aus dem Haken heben. Eine Unterlage auf den Stuhl konnte ich im Dunkeln nicht finden, und so – – –«

      »Hättest du doch ein paar Käsekuchen von dort untergelegt!« fiel ich ihm in die Rede.

      »Schweig, gefühlloser Mongolenhäuptling!« antwortete er. »Durch diesen hochverräterischen Vorschlag, den ich mir übrigens merken werde, verrätst du, daß du von tungusischen oder ostjakischen Urahnen abstammst! Also – – ich konnte nicht hoch genug steigen; darum nahm ich mir vor, mich hoch genug zu ziehen. Du weißt doch, daß ich stets eine Anzahl Reiseschnuren bei mir führe?«

      »Reiseschnuren! Dieser Ausdruck ist gut, sehr gut!«

      »Wieso? Spottest du?«

      »Nein. Ich denke dabei an ungarische, russische und andere Pferdediebe, welche auf ihre Reisen Halfter mitzunehmen pflegen, in denen dann, ehe man die Hand umdrehe, fremde Pferde zu stecken pflegen. Also wie war es mit deinen Reiseschnuren, die eigentlich heimliche oder verkappte Wurstschnuren zu sein scheinen?«

      »Ich legte sie, damit sie mich halten könnten, vierfach zusammen, band mir das Ende unter der Achsel fest, weil man da am wenigsten empfindlich ist, wie z.B. das Turnen an den Schwingen beweist. Dann stieg ich wieder auf den Stuhl und warf die vierfache Schnur so in die Höhe, daß sie sich in den Haken fing.«

      »Ein Kunststück ohne Licht!«

      »Es gelang freilich nur nach wiederholtem Versuche. Ich hing also an der Achsel, und die Schnuren liefen oben über den Haken. Indem ich sie um die eine Hand wickelte und mit der andern weiter-und höhergriff, konnte ich mich emporziehen und dann die Wurst aus dem Haken heben. Ich zog und zog; es ging, denn ich half unten dadurch nach, daß ich den Fuß auf die Querleiste der Stuhllehne setzte. Dabei aber stieß ich den Stuhl um; die Nachhilfe fehlte nun, und ich kam nicht weiter; ich mußte dich um Hilfe rufen.«

      »Das war nicht notwendig.«

      »O doch!«

      »Nein. Du brauchtest doch nur die Schnur fahren zu lassen und herunterzuspringen!«

      »Kann man eine fest um die Hand gewickelte Schnur, an welcher man hängt, so leicht fahren lassen? Übrigens konnte ich nicht sehen, wo der Stuhl lag; ich konnte mir, auf ihn fallend, Schaden thun. Nein, ich mußte dich rufen. Schau meine Hand! Sieh diese blauen Streifen! Wärst du nicht gleich erwacht, so hätte die Schnur das Fleisch bis auf den Knochen durchschnitten!«

      Er hatte recht; ich zog es aber vor, ihm ohne Bedauern zu sagen:

      »Das hast du verdient! Ein Pferdedieb wird in Amerika am Halse, ein Wurstdieb in Böhmen aber an der Achsel und den Händen aufgehängt! Und, Mensch, sag, wie hast du dir das denn eigentlich gedacht? Der Wirt oder seine Frau hätte morgen früh doch gleich mit dem ersten Blicke gesehen, daß grad ihre schönste Wurst den Weg aller Würste – –«

      »Nichts hätten sie gesehen, gar nichts!« fiel er schnell ein.

      »Du wolltest ein Stück abschneiden?«

      »Nein.«

      »Sie ganz aufessen?«

      »Nein, obgleich mein Hunger so groß ist, daß ich mich anheischig mache, zwei oder auch drei solche Magenwürste verschwinden zu lassen.«

      »Nicht abschneiden, aber auch nicht ganz verzehren? Ein drittes ist doch gar nicht möglich!«

      »Für ein so harmloses und wohlgenährtes Wickelkind, wie du bist, freilich nicht. Aber der hungrige Löwe, welcher vorhin in meinem Bette brüllte, macht erfinderisch. Ich hatte mir das ganz schön ausgedacht. Sieh die Wurst an! Sie ist nach allen Seiten mit einer Schnur umwickelt, jedenfalls deshalb, daß sie beim Kochen im Wurstkessel nicht zerplatzen sollte. Meinst du nicht auch?«

      »Meinetwegen! Ich halte dieses Problem nicht für hoch und würdig genug, in einer so wichtigen Stunde, wie die jetzige ist, meine Gedanken zu beschäftigen. Lassen wir die Schnur also drumgewickelt! Übrigens sind wir jetzt in Österreich, da heißt es nicht Schnur, sondern Spagat.«

      »Schön, also Spagat! Ich wollte diesen Spagat vorsichtig heruntermachen und dann einen Triangel in die Wursthaut schneiden, vorsichtig, unendlich vorsichtig natürlich. Diese Hautdreiecke hätte ich geöffnet und dann aus dem Innern der Wurst soviel herausgeholt, wie nötig war, den Löwen zu füttern, der meinen Magen jetzt als Raubtierkäfig benutzt. Wenn er dann satt war, wollte ich – – hm!«

      »Was wolltest du? Heraus damit!«

      »Lieber Mongole, du siehst doch ein, daß die Wursthaut wieder gefüllt werden mußte?«

      »Natürlich mußte sie das! Aber womit? Ich bin neugierig, was du dazu nehmen wolltest.«

      »Ja, diese Frage war freilich schlimmer als die orientalische. Dir durfte ich mich nicht anvertrauen; etwas Eßbares, was ich erreichen konnte, gab es nicht als nur die Kuchen dort. Hätte ich ein Stück abgeschnitten und in die Wurst gestopft, so wäre die Lücke bemerkt worden. Nicht?«

      »Ja. Die Kuchen sind leider alle ganz; es ist keiner von ihnen angeschnitten.«

      »Das ist ja die Sache, die mir Schmerzen macht!« sagte er grimmig; dann fügte er in vertraulichem Tone hinzu: »Weißt du, Sappho, wer sich über die Kuchen machen will, der muß gleich einen ganzen essen; das wird nicht so leicht entdeckt, als wenn man ein Stück herausschneidet!«

      »Du, Carpio, du hast doch nicht etwa in dieser Beziehung Gedanken, die mir schrecklich wären?!«

      »Fällt mir gar nicht ein! Ich bin ein Ehrenmann; das weißt du doch!«

      »Ja, ein Ehrenmann, welcher Triangel in die Würste schneidet! Also womit wolltest du sie füllen?«

      »Mit – – mit – – ich habe nämlich bemerkt, daß mein Kopfkissen ein Loch hat. Am Inlet scheint eine Naht aufgegangen zu sein, denn die Federn kommen unten aus dem Überzug heraus. Ahnst du es nun, Sappho?«

      »Carpio, Mensch, Wurst-und Federdieb! Welch ein Gedanke! Du hast die Wurst mit Bettfedern ausstopfen wollen?«

      »Ja, mit Bettfedern,« antwortete er, ich weiß nicht mehr, ob kleinlaut oder triumphierend.

      »Welch verderbte, lasterhafte Welt! Ich sage dir, daß dieser dein Gedanke von einer Bosheit ist, die mich geradezu schaudern läßt! Ich sehe im Geiste den guten Franzl mit seiner Frau am Tische sitzen und die Magenwurst anschneiden. Da quellen Federn heraus! Welche Gesichter! Welch ein Aufwand an Geist und Scharfsinn, um dem Wunder, daß ein Schwein keine Borsten, sondern Federn hat, auf die Spur zu kommen!«

      »Sie СКАЧАТЬ