Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 237

СКАЧАТЬ bedeuteten, dennoch verfehlten sie den Zweck, ihr zu imponieren, nicht. Er wollte ihr durch sein Latein nur zeigen, daß er ihr geistig überlegen sei; mochte sie nun dies anerkennen oder dem Worte pauca einen etwas gewaltthätigen Sinn beilegen, kurz und gut, sie antwortete:

      »Einverstanden! Pauke deine Sapienti jetzt, aber morgen früh sehen wir uns wieder!«

      Sie drehte sich um und ging hinaus.

      »Bei allen Heiligen,« seufzte er, indem er sich wieder niedersetzte, »sie hat gelauscht; sie hat alles gesehen und gehört! Dieses Astloch, das verteufelte! Na, morgen nagle ich es zu; ich nehme das dickste Brett und schlage es drauf!«

      Die Wirtin aber hatte die Thür nicht zugemacht, sondern nur angelehnt; sie war draußen stehen geblieben und hatte seine Worte gehört. Jetzt kam sie wieder herein, ging auf ihn zu, legte ihm die Hand vertraulich auf die Achsel und sagte lachend:

      »Franzl, ich weiß ein Brett, das so dick wie kein anderes ist; du hasts vor deinem Kopf. Nimm das und nagle es vor das Loch; dann geht nicht nur kein Blick, sondern sogar auch keine Kanonenkugel durch! Kennt dieser Mann seine Frau noch nicht! Sollte man das für möglich halten? Bin ich etwa eine Geizkatze, he? Sehe ich dir auf die Finger, wenn du Geld ausgiebst? Ist nicht alles, was wir verdienen, ebenso gut dein wie mein? Aber es ist mir nicht gleichgültig, wer in meinem Hause wohnt, und wenn du eine Christbescherung machst und meine Kleidungsstücke verschenkst, so will ich auch dabei sein und vorher erst gefragt werden! Den Kuchen, den du verschenkt hast, habe ich gebacken, und die Wurst habe ich mir langsam und mit saurer Mühe, weil das Schwein partout nicht fett werden wollte, heranfüttern müssen; da will ichs wenigstens wissen, wenn du etwas davon verschenkst! Also so etwas nicht wieder hinter meinem Rücken machen! Verstanden? Man muß nicht nur geben, sondern auch sparsam sein können! Und nun komm her, du alter überguter, offenhändiger Studente du! Da will ich dir nun auch etwas schenken, wenn es auch keine Speckwurst ist. Hier! Und damit gute Nacht!«

      Sie nahm ihn beim Kopfe und gab ihm einen Kuß von solcher Resonanz, daß er eigentlich eine volkstümlichere Bezeichnung verdiente. Dann ging sie wieder fort und machte die Thür nun wirklich hinter sich zu. Franzl sah ihr schmunzelnd nach, wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab, schlug dann mit der Faust auf den Tisch und rief:

      »Hab ich’s nicht immer gesagt, was für eine kreuzbrave Frau ich hab’? Wer eine andere Meinung von ihr hat, der mag nur herkommen; ich haue ihn zusammen, daß er sich selber nicht mehr finden kann! Das ist eine Frau, die sich gewaschen hat! Verstanden? Es giebt ihresgleichen nicht im ganzen, weiten Böhmerland! Wie hat sie mich geheißen? Du alter, überguter Studente du! Ja, die weiß, was für einen Mann sie an mir hat! Nicht so einen, der den Schnitt eines Buches nicht vom Rücken unterscheiden kann, sondern einen hochgebildeten und studierten Mann, der sein Latein versteht. Qui tangit picem, contaminabitur; so ist die Sache. Was sagen Sie dazu, meine lieben, hochgeehrten, jungen Freunde?«

      Ehe einer von uns beiden antworten konnte, stand Frau Wagner von ihrem Stuhle auf und sagte, indem sie sich mit der Hand über das schmerzlich verzogene Gesicht strich:

      »Auch ich habe gehört, was für eine brave Frau Sie haben und es thut mir leid, daß Sie sich meinetwegen beinahe mit ihr überworfen hätten. Müßte ich nicht Rücksicht auf meinen armen Vater nehmen, so würde ich noch diese Nacht, gleich jetzt, Ihr Haus verlassen; aber er muß und muß heut schlafen, wenn er morgen nicht im Schnee liegenbleiben und erfrieren soll. Dann werden wir Sie keinen Augenblick länger belästigen. Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank, und leben Sie wohl, meine Herren!«

      »Aber, was fällt Ihnen ein?« versuchte Franzl, sie zu halten. »Sie haben ja gehört, daß meine Frau gar nichts dagegen hat, daß Sie hier bei uns bleiben. Sie dürfen sich den Kuchen und die Wurst nicht so zu Herzen nehmen; das hat sie nicht so schlimm gemeint, wie Sie es nehmen, und – – Da ist sie fort, hinaus mit ihrem Knaben! Klang das, was sie sagte, nicht etwas stolzer, als so ein nicht bezahlender Gast eigentlich sein darf, meine Herren?«

      »Sie thut mir leid, außerordentlich leid« antwortete ich.

      »Ich wollte, ich wäre reich, wenigstens wohlhabend genug, ihr helfen zu können. Sie wird früh, wenn wir aufstehen, mit ihrem Vater und mit ihrem Kinde verschwunden sein.«

      »Verschwunden? Fällt ihr nicht ein!«

      »O doch!«

      »Nein. Sie wird ausschlafen und dann Kaffee trinken; hernach werden wir sehen, ob der Alte fortkann oder nicht.«

      »Haben Sie nicht gehört, daß sie Lebewohl und nicht Gutenacht gesagt hat?«

      »Das ist nicht so wörtlich zu nehmen, wie Sie denken.

      Aber, Herr Capp – Carp – Carpio, was ist denn mit Ihnen? Was machen Sie für ein Gesicht?«

      Mein Busenfreund hatte die Ellbogen auf den Tisch gestemmt und das Gesicht in die Hände vergraben. Als er auf die Frage des Wirtes die Hände entfernte, sahen wir, daß seine Wangen bleifarben und seine Augen matt geworden waren. Die Unterlippe hing ihm weit herab.

      »Ihre – – Ihre – – Frau – – Frau!« seufzte er.

      »Was ist mit meiner Frau?«

      »Die ist schuld!«

      »Woran?«

      »Mir ist, als – – als – – als ob ich – – sterben müßte!«

      »Unsinn! Da ist die Cigarre schuld; die Virginias sind für Sie zu schwer gewesen.«

      »Nein – nein – – nein! Über Ihre Frau bin ich – – – so sehr erschrocken – – – aber nicht über die Virginias.«

      »Erschrocken? Warum denn eigentlich?«

      »Sie kam – – herein wie eine – – eine Furie!«

      »Ach was Furie! Meine Frau ist eine Seele von einer Frau und keine Furie. Da, nehmen Sie ein volles Glas, und trinken Sie es aus! Das ist das beste Mittel, wenn einen der Cigarrenteufel in den Magen beißt.«

      »Nein, nicht beißt, sondern hebt – hebt – – hebt und sogar um – – um – – umwenden will!«

      »Trinken Sie nur! Es hilft; ich weiß es genau.«

      Ich wußte nicht, ob das empfohlene Mittel wirklich anzuraten sei, denn meine Bekanntschaft mit dem Weine und seinen Wirkungen war damals genau so tief und umfassend, wie die Kenntnisse eines Eskimo über Datteln und Bananen; aber weil Franzl mit solcher Überzeugung zuredete, unterstützte ich seinen Rat, worauf mein Busenfreund das Glas leerte und dann wie ein Seekranker nach dem Kanapee wankte, um sich auf demselben auszustrecken. Ich bat den Wirt, uns schlafen gehen zu lassen; er aber erklärte lachend:

      »Fällt mir gar nicht ein! Wir bleiben noch recht hübsch beisammen. Ich muß die Gelegenheit ausnützen, denn an Ihr Wiederkommen darf ich doch nicht glauben, denn das mit dem Paschen war doch bloß Phantasie?«

      »Ja; es versteht sich doch ganz von selbst, daß wir keine Schmuggler sind. Wir haben pro Person zwei Cigarren in die Stiefel gesteckt, obwohl ich wußte, daß man mehr mitnehmen darf. Ich wollte Carpio nicht um das Vergnügen bringen, sich für einen staatsgefährlichen Menschen zu halten.«

      Da richtete sich der Genannte kerzengerade vom Kanapee auf und sprach mich mit hohler, drohender Grabesstimme an:

      »Ich staatsgefährlich? Ja! Wenn es mir so bleibt, СКАЧАТЬ