Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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СКАЧАТЬ »Ich muß mich ein wenig erholen.«

      »Und mein Lohn? Ich sollte doch belohnt werden für das Danebenstehen, wenn nach meiner Frau gezischt und gestochen wird, gerade da hinein, wo ihr Herz am weichsten und am leichtesten zu verwunden ist. Die Sache entbehrt überdies nicht eines gewissen grausigen Humors. Die Rose als Sünderin und Frau Mama als verfolgter Unschuldsengel. Und die Rose fällt mit einer solchen unfehlbaren Sicherheit darauf herein.«

      »Lieber Harro, du bekommst deinen Lohn, wenn ich mich ein ganz klein wenig erholt habe.«

      Aber seinen Lohn bekommt der Thorsteiner an diesem Tage nicht. Doch am nächsten, wo die Rose sehr geheimnisvoll ist. Nun liegt sie im Saal in einem weißen weiten Morgenrock und sagt: »Harro, ich wollte dir dienen, aber Lieber, ich weiß wirklich nicht, ob du mich noch brauchen kannst!«

      Er schlägt den Morgenrock auseinander, sie trägt ein grünes, halb durchsichtiges Gewand mit schmalen Goldborten am Halse und den weiten, losen, hängenden Ärmeln. Der Stoff ist so weich wie eine Wolke und hängt um ihre schwanke zarte Gestalt in ganz einfachen Linien. Ihre rührenden leuchtend weißen Arme, die ihre runde Fülle verloren haben und nur noch die schönen Linien zeigen, hängen herunter, und jede Ader zeichnet sich auf ihnen in bläulichem Tone ab... Der Saal ist geheizt, obgleich es draußen nicht kalt ist.

      Sie sieht ihn ängstlich an. Sie hätte ihm so gerne noch eine Liebe getan, und nun betrübt sie ihn vielleicht nur. Er sagt: »Ich kann es nur annehmen, wenn ich ganz sicher weiß, daß du nur so daliegst, wie es dir am allerbequemsten ist. Aber ich fürchte, wir werden es mit Kissen nicht gut genug machen können. Sie geben immer wieder nach. Ich will Ulrike rufen. Sie kann hinter dir ein Stühlchen bekommen, und sie hält dich.«

      »Halt, Harro,« rief sie, »ich bitte dich! Sie wird sagen, es sei heidnisch... sie kann es nicht leiden...«

      »Wo fängt das Heidentum bei dir an, Rose? Geht's von deinen feinen, zarten Knien aus? Deine Schultern würdest du sehr weit hinunter bei jedem Hofball zeigen, sie sind ja übrigens bedeckt. Oder find's die allerschönsten nackten Füße, die so unglaublich beseelt aussehen, gerade so wie du sie hängen läßt? Wie deine Hände sind sie! Man sieht ihnen schon an, daß sie eigentlich nur noch auf weißen Rosenblättern über grünem, weichem Moospolster gehen können. Ulrike sieht dich jeden Tag in deinem Bad. Was für einen Spruch spricht sie da über dich, wenn sie das Wasser über die Brust gehen läßt, die das bittere Leidenszeichen trägt, und über den Leib, der mein Kind getragen hat? Um das Heidentum auszutreiben, meine ich.«

      »Harro, du bist wunderlich, du deklamierst ja.«

      »Tue ich das? Ich bin auch in meinen tiefsten Gefühlen gekränkt. Heidnisch, soll das schamlos heißen?«

      »Du bist mein alter Feuerbrand; ich fürchte, es wird sie verletzen, daß du dabei bist, Harro. Wenn sie allein mit mir ist, findet sie auch nichts Heidnisches an mir.«

      »Ich habe ein Recht an dich,« und er stürmte hinaus.

      Die Rose sah ihm bedenklich nach, rührte sich aber nicht. Die alte Dame kam hinter ihrem Neffen geschritten, offenbar ganz ahnungslos, denn als sie die Rose erblickte, blieb sie wie versteinert stehen.

      »Was soll das heißen, Harro! Das Kind! Wie es daliegt!«

      »Sehr gut liegt es da, Uli,« versichert die Rose. »Du glaubst nicht, wie die schweren Kleider drücken und wie leicht und wohl das tut, daß man nicht immer behängt ist. Und es ist so warm, daß ihr mir leid tut.«

      Harro stand mit blitzenden, gefährlichen Augen da, wartend, was sie jetzt sagen würde.

      »Harro,« sagte sie, »es ahnt mir, daß du dies malen willst. Diesen Kindermord von Bethlehem?«

      »Uli; Kindermord? Dann haben die aber lange Kinder gehabt.« Und Harro zischte: »Du bist ein ahnungsvoller Engel. Ich male das.«

      »Und dann sollen die Menschen kommen und das Kind ansehen, wie es daliegt mit seinen nackten Füßchen! Nichts am Leibe als das bißchen graue Wolke! Harro, laß mich reden.«

      »Uli, wenn Harro das gemalt hat, so ist es ein großes Kunstwerk geworden, ich bin es nicht mehr. Es wird leben wie die alten Bilder dort an der Wand, wenn wir zwei wie Schatten verschwunden sind. Wer denkt da noch an die Rosmarie Brauneck, die ihren Körper dazu einmal hergegeben hat!« »Ihren beseelten Körper,« warf Harro ein, »die gottgeschaffene Hülle ihrer Seele!«

      »Du wirst sehen,« tröstete die Rose, »daß ich es nicht mehr bin. Es ist ein Gedicht über mich, was dort sein wird.« Sie weist auf die Leinwand. »Alles Zufällige fällt weg. Alles wird auf seine höchste Höhe erhoben. Er malt mich nicht, wie ich wirklich bin, sondern er malt den Gedanken Gottes, der in mir werden sollte. Wir sind doch alle einmal Gedanken Gottes gewesen und sollen es wieder werden. Wir entstellen und verderben uns und übermalen uns und verwachsen uns, und er holt ihn wieder aus mir heraus.«

      »So, das werden wir sehen, ob er es auch kann,« sagte Ulrike. »Im übrigen seid ihr mir zu klug. Wenn du behauptest, daß du bequem liegst, so glaube ich es nicht.«

      »Deshalb sollst du dich hinter sie auf das Stühlchen setzen. Ein bißchen reichlich unbequem, aber es geht nicht anders, und sollst sie unterstützen. Es muß ihr so wohl sein, als man es überhaupt machen kann.«

      »Nun, das läßt sich hören.« Und die alte Dame setzte sich friedlich auf das Stühlchen und hatte bald ihr Kind so gebettet, daß die Rose meinte, besser könne es ihr nicht mehr werden.

      Dann sagte Ulrike scharf: »Nun male, Harro, und ich will mein Urteil noch aufsparen, bis ich sehe, was du kannst. Ich kenne sie sehr genau, Harro, und du mußt dich schon zusammennehmen. Und du darfst die Hartnäckigkeit nicht vergessen. Du lieber Himmel, die wird sie wohl auch von Gott haben. Und all die allerschönsten Dinge, die weißt du nicht einmal, und wenn man die nicht darauf sieht, dann bist du dem Gedanken doch nicht nachgekommen.«

      »So, weiß ich die nicht?« rief Harro eifersüchtig.

      »Harro, du und die Tante, ihr seid eine Verschönerungskommission.«

      »Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz, es gilt uns heut zu rühren des Königs steinern Herz,« summte Harro, als er seine Farben zurecht mischte, »Übrigens bitte ich mir Ruhe aus. Nur noch eins! Wenn die Rose müde wird, laß dich nicht betrügen, Uli! Weißt du, ich vergesse mich. Ich male, bis ich vom Stengel falle. Sechs Rosen halten mich nicht aus.« »Fürchte nichts für das Kind, wenn ich dabei bin,« wehrte die eiserne Dame ab.

      Und Harro begann seine Arbeit. Er malte nicht wie sonst mit seinem heißen Eifer, sondern langsam und bedächtig. Er stand manchmal vor seiner Leinwand und schien zu warten, dann machte er ein paar bedächtige Striche. Und er vergaß seine Rose doch nicht wie sonst... die ja schon alle Schmerzen eines übergeduldigen Modells kannte.

      Und Ulrike dachte, diese Malerei ist das allerbeste, was man der Rose tun kann. Sie ist glücklich dabei, und sie hält still, redet nicht, regt sich nicht auf, gibt sich nicht zu viel aus, spinnt keine schlimmen Gedanken aus, denn das würde er ihr ansehen. Wenn er es nicht täte, glaube ich seinem ganzen Zauber nicht. Und so floß der schöne Morgen dahin. Nur die alte Dame wurde herzlich müde, aber sie gehörte zu den alten eisernen Thorsteinern, die sich von jeher plagen konnten. Und sie wäre viel zu stolz gewesen, etwas merken zu lassen. Jeden Morgen von neun Uhr an, je nach der Rose Befinden, war Bildzeit, wie sie sagten, und alle, die sonst etwas von der Rose wollten, mußten zu der Tante großer Befriedigung draußen bleiben.

      Gegen Abend machte die Rose ihren СКАЧАТЬ