Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 125

СКАЧАТЬ noch kein Wort der Teilnahme gefunden. Er hebt seine müden Augen zu ihr auf. Wird sie denn keines finden! Auch in dem furchtbaren Jammer nicht, der ihn betroffen hat!

      Groß und strahlend sind ihre Augen und mit einem ganz leisen Lächeln in den Mundwinkeln steht sie da. Und es fällt ihm plötzlich Harros Bild ein.

      »Welch ein Glück, daß die Gefahr schon vorüber ist, Fried!«

      »Wir hoffen's, Charlotte... Aber ob sie ihre Frische je wieder erlangen wird! Das konnte mir der Professor nicht versprechen.«

      »Ach, sie ist ja so jung, Fried.«

      Der rote Schein ist verglommen. Eine schwere Düsterkeit erfüllt die hohe Stube. Die Augen des Seelchen schauen wie durch einen grauen Schleier nach dem Fürsten. Die Fürstin zuckt zusammen.

      »Was ist da oben, Fried?«

      Eine Fledermaus ist hereingekommen und fliegt in zackigen Kreisen an der Decke. Wie eine unruhige Seele.

      »Eine Fledermaus, sie wird schon den Ausgang finden.«

      »O die gräßlichen Tiere, schieß sie tot, schieß sie tot!« schreit die Fürstin mit wildem Feuer in den Augen.

      »Charlotte, was ist dir?... ich werde doch nicht die alte schöne Decke verderben...«

      »Sie sind schrecklich, die Tiere, überall gehen sie einem nach. Und schlagen mit ihren grauen Flügeln wie kleine Teufel. Schieß sie tot... schieß sie tot.«

      Der Fürst springt auf.

      »Komm, Charlotte, du gehst hinüber. Das Tier findet hinaus.« Er nimmt ihren Arm und führt sie in ihr Zimmer. Wie sie zittert; er fühlt das Schlagen ihres Herzens durch ihr seidenes Gewand. Sein feiner Sinn findet die beste Erklärung. Das Unglück hat sie doch erschüttert. Sie kann nur keine Gefühle zeigen.

      »Soll der Herr Hofrat nach dir sehen? Alfred mußte ich leider drüben lassen. Er hat wieder einen sehr heftigen Fieberanfall, und sie wollten ihn behalten.«

      Die Fürstin faßt sich schnell.

      »Es ist das beste, er bleibt drüben. Wenn er Fieber hat, kann er nicht in die Nachtluft. Man kann jemand hinüber schicken, ich verstehe mich ja nicht auf Pflege.«

      »Ich fand es sehr rührend von Harro, daß er ihn neben seinem eigenen Elend auch noch besorgen will. Er sagt, Alfred habe ihm große Dienste geleistet. Der arme Junge. Er war ganz gebrochen. Und nun gute Nacht.«

      Einen Augenblick wartet er noch auf ein Wort, ein Zeichen, – dann geht er hinaus. Sein schlanker Rücken fängt an sich leise zu biegen, und heute ist's, als trüge er neue Lasten.

      Mit brennenden Augen hat sie ihm nachgesehen, bis sich die Türe hinter ihm schließt. Dann fährt sie auf. Ein Käuzchen schreit am Fenster vorbei, man sieht die gelben Augen leuchten. Was war das? Das graue Tier von vorher, nur noch größer, mit feurigen Augen. Mit einem Ruck reißt sie die gelben seidenen Vorhänge zu. Nun ist's draußen. Es ist so hell innen und freundlich. Wie golden ist das Licht. Nur die Dunkelheit ist entsetzlich. Sie dreht auch die große Krone an. Nun gibt's keinen Winkel, in den sich auch der kleinste Schatten verkriechen könnte. Wenn sie nur stillzusitzen vermöchte. Es ist ein wunderliches Zucken in ihren Füßen. Selbst wenn sie sitzt, muß sie ganz leise auf den Boden pochen. Furchtbar müde ist sie, aber die Unruhe in den Füßen wächst mit der Müdigkeit. Sie schleudert die feinen Schuhe hinweg, an den Hacken muß es liegen.

      Nun geht sie in ihren seidenen Strümpfen auf dem weichen Teppich auf und ab. So ist's besser. Man geht wie über feine, wohlgepflegte Schleichwege, auf denen nicht ein Zweiglein liegt, das knistern könnte. Aber müde wird man von den Wegen. Und morgen wird sie nach Thorstein fahren und selbst nachfragen. Und vielleicht hineingehen, wenn man sie läßt, und Rosmarie daliegen sehen. Nie mehr wird sie auf Wiesen gehen und Blumensträuße gegen den Abendhimmel halten. Nie mehr. Was ist aus dem kleinen roten Feuer geworden? Eine Riesenflamme, rot, glühend rot, vor der der ganze Eispalast geschmolzen ist. Überall Flammen, schier zu viel Flammen. Aber zu frieren braucht man nie mehr. Das ist vorüber. Es ist eine ganz neue Welt, und man muß sich an sie gewöhnen. Alle Dinge nehmen einen roten Schein an. Und unter dem Boden zucken und spielen die Flämmchen, daß es einen nicht auf der gleichen Stelle duldet. Nie mehr geht Rosmarie über die Sommerwiese mit ihrem wehenden Schleier. Rot sind die Flammen, und das Licht ist golden in allen Ecken, und das Nachtgevögel kann nicht herein. Nie mehr geht sie auf der Sommerwiese.

      Nie mehr...

      Siebenunddreißigstes Kapitel.

       Das goldene Band

       Inhaltsverzeichnis

      Die Wolken wandern über den Himmel und der Nachtwind streicht über dunkle, regenmüde Wälder. Und am Horizont hebt sich ein grauer Schein, und die Vögel lassen die ersten halbwachen Töne hören. Drüben in Thorstein hat der Stein im Vogel Rock die ganze Nacht geglüht und bald sind Lichter aufgeblitzt in den großen Scheiben und wieder erloschen. Harro fährt auf von seinem alten Lager im Atelier, und wie ein breiter Sturzbach fließt der Jammer über sein Herz. Er erhebt sich, wie hat er nur so lange schlafen können, und macht sich schleunigst fertig. Er eilt hinüber. Die Schwester empfängt ihn. »Ihre Durchlaucht erwartet Sie sehr, Herr Graf.«

      »Warum weckten Sie mich nicht?«

      »Frau Gräfin wollt' es nicht dulden.«

      Ach, wie ist der Schmerzensreif an ihrer Stirne schärfer geworden, wie brennen die großen dunkeln Augen. »Hast du denn gar keine Ruhe finden können?«

      »Nein, Harro.« Und die großen Tränen laufen über ihre Wangen.

      Er wendet sich an die Schwester. Es muß doch ein Mittel geben. »Herr Professor schläft, und der Herr Assistent darf nicht ohne Erlaubnis...«

      »So werde ich ihn wecken.«

      Er eilt hinaus, und die Schwester mit fliegender Haube hinter ihm drein und erfaßt ihn noch am Rocke. »Herr Graf,« stammelt sie entsetzt, »das ist ganz unmöglich... den Herrn Professor wecken!...«

      »Wir wollen sehen, ob es unmöglich ist,« herrscht Harro.

      »Herr Graf, der Herr Professor wird nicht herauskommen. Er wird nach Puls und Temperatur fragen durch die Tür. Der Herr Professor muß seine fünf Stunden Schlaf haben. Die letzte Nacht in dem Auto! Es warten noch andere Menschen auf ihn..., Herr Graf. Heute abend hat er in Würzburg wieder eine Operation. Wie kann er das Leben denn aushalten, wenn man ihm nicht die fünf Stunden läßt.« Atemlos ist die Schwester, ein junges, blasses Ding mit großen, ernsten Braunaugen neben ihm hergelaufen, den Schlaf ihres Herrn verteidigend.

      Also andere warten auch..., er ist nicht allein auf der Welt mit seiner Qual. Er steht still und sieht die Schwester an... »Sie müssen doch einsehen, daß ich nicht ohne Hilfe zu meiner Frau zurückkehren kann.

      Die Schwester wagt es, seinen Arm zu fassen. »Der Herr Professor, wenn er zornig ist, wird Ihnen doch nichts geben. Er wird sehr zornig sein. Und heute nacht wird eine Mutter von sechs Kindern an Krebs operiert.«

      Harro läßt seine Hand, die schon nach der Klinke gefaßt, wieder sinken. Den Herrn fürchtet er nicht, zornig kann er auch werden, aber er sieht die sechs verlassenen СКАЧАТЬ