Название: Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter
Автор: Adalbert Stifter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237647
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»Ich werde etwas von den Speisen nehmen«, sagte Raimund.
Der Knecht Hando kam zurück, und sagte: »Ich soll Euch zu dem Herrn führen.«
»So führe mich«, antwortete Witiko.
Der Knecht ging voran, Witiko folgte ihm. Aus dem Gange des Vorsaales hinter der eisenbeschlagenen Eingangstür führte der Knecht Witiko in ein Gemach, in welchem Heinrich an einem Tische saß. Er stand auf, da Witiko eingetreten war.
Da der Knecht sich entfernt hatte, sagte Witiko: »Wenn es Euch genehm ist, mich zu hören, so hätte ich Euch etwas mitzuteilen, das Euch und mich betrifft.«
»Sprecht, Witiko«, sagte Heinrich, »das Gemach ist zu meinem Gebrauche.«
Er wies auf einen Stuhl, und als sich Witiko darauf niedergelassen hatte, setzte er sich auf einen andern.
Witiko sprach: »Ich bin vor vier Jahren auf einem Ritte von Passau nach Böhmen in Euern Wald gekommen. Weil des andern Tages ein Sonntag war, ließ ich mein Pferd bei den Köhlern an der Mihel stehen, und ging in den Wald, um zu beten. Ich sah nach dem Gebete an dem Waldrande ein Mädchen stehen, das noch sehr jung war. Das Mädchen trug rote Waldrosen in einem Kranze um das Haupt. Ich sprach mit dem Mädchen, wir setzten uns auf Steine, und redeten Dinge, wie sie Kinder zu reden pflegen. Das Mädchen war Eure Tochter Bertha, und führte mich in Euer Haus. Ich habe das Kind nicht vergessen, und trug es in dem Sinne. Dann dachte ich, wenn ich etwas getan habe, daß ich zu den guten Männern unseres Landes gezählt werde, wolle ich kommen, und fragen, ob Bertha mein Weib werden könne. Die Zeit zu dieser Frage war noch nicht gekommen, weil ich noch nichts zu tun vermocht habe. Ich bin heute zu Euch geritten, Eure Gastfreundschaft für eine Nacht zu erbitten. Ihr gewährtet sie. Dann ging ich zu Eurer Gemahlin, um ihr den Ankunftsgruß zu bringen. Sie sprach mit Güte zu mir. Hierauf ging ich in den Wald. Es war mein Wille, Bertha zu suchen. Ich fand sie, und da kam vorzeitig aus dem Munde, was später hätte gesprochen werden sollen. Ich sagte, daß ich nie ein anderes Weib zu meiner Gattin nehmen werde als Bertha, und Bertha sagte, daß sie nie einen andern Mann zum Gatten nehmen werde als mich, und ich küßte Eure Tochter auf den Mund. Wenn Ihr ein Mann seid, der meint, daß durch diese Handlung die Gastlichkeit verletzt worden ist, so werde ich Euch die Genugtuung leisten, die Ihr gerecht fordern könnet. Morgen muß ich fortreisen. Bestimmt nach vier Tagen einen Tag, ich werde kommen. Was ich zu Bertha gesprochen habe, ist wie eine Handfeste, die gilt. Bertha tue, wie sie muß.«
Witiko schwieg.
Heinrich aber sprach nach einer Weile: »Witiko, jetzt höret mich an. Von dem alten Randshofe, dem Eigen der Pipine und der Söhne Karls, sieht man über die Brunnenau und den Innstrom wasserabwärts einen Fels, darauf die Burg Jugelbach steht. Die Burg ist das Haus unseres Geschlechtes. Ich bin Heinrich von Jugelbach. Man nennt mich Fahrirre, weil ich die Eigen vieler Herren gesehen habe, und über Land und Meer gefahren bin. Ihr seht aber an meinem Waldhause, daß ich auch stille lebe. Mein Vater ist Werinhart von Jugelbach, meine Mutter ist Benedicta von Aschach. Mein Bruder ist Gebhart von Jugelbach, der älteste Bruder Werinhart ist gestorben. Meine Gattin ist Wiulfhilt von Dornberg. Bertha ist unser einziges Kind. Der edle Mann, Adelram von Aschach, unser Großvater und der Vater unserer Mutter Benedicta, ist gestorben, und das Erbe von Aschach mit Mauten und Gebühren diesseits und jenseits der Donau ist an unsere Mutter gekommen, weil Adelram keine anderen Kinder hatte. Da ist in dem Aschachwinkel der Ort Hilkering, der gehört den zwei edlen Brüdern von Schillingsfirst, und der ist der einzige, welcher nicht ein Teil der Erbschaft ist. Ich und mein Bruder Gebhart sind von dem Inn an die Donau nach Aschach herab gestiegen, und werden zwei Burgen bauen. Die eine werden wir auf dem Berge hinter dem Orte Hilkering bauen, und sie wird Stauf heißen, und die andere werden wir auf der Waldhöhe, die von Aschach gegen die alte Stadt Eferdingen geht, bauen, und sie wird Schauenberg heißen, weil sie in das Land über die Donau schaut, darin die Mihel fließt, und in das Land, dahin die Donau geht, und auf die Berge, die gegen die Steiermark sind. Die von Jugelbach sollen in Stauf und Schauenberg groß werden, und in die Geschicke ihrer Länder hinein wachsen. Jetzt, Witiko, kennt Ihr unser Geschlecht. Nun will ich von der Genugtuung sprechen. Ihr habt in der Schlacht die rote Waldrose auf dem weißen Schilde getragen, sehet, daß die Rose in die Geschicke Eurer Länder hinein blühet, und dann kommt. Bis dahin ist Bertha von Euch getrennt, und seid Ihr von Bertha getrennt. Ist Euch diese Genugtuung gerecht?«
»Sie ist mir gerecht«, sagte Witiko, »ich danke Euch für Eure Worte. Ich habe nie gedacht, Bertha anders zu gewinnen als so, und ich habe nie gedacht, anders zu handeln, wenn auch Bertha nicht wäre.«
»Tut so«, sagte Heinrich, »und wenn eine Burg wird, in der die Rose ist, so denke ich, daß die Burg der Rose und daß Stauf und Schauenberg in gleicher Größe und in Wohlvernehmen fortbestehen mögen. Ihr seid als Gast in meinem Hause immer willkommen. Jetzt muß ich den Frauen verkünden, was wir gesprochen haben. Beurlaubet mich.«
Er stand auf, Witiko stand auch auf, die Männer reichten sich die Hände, und Witiko verließ das Gemach.
Da er in den Hof gekommen war, sah er Wolf.
Wolf ging eilig zu ihm, und sagte: »Ihr seid sehr lange nicht mehr in unser Haus gekommen.«
»Ist es dir lange geworden?« fragte Witiko.
»Ja«, entgegnete Wolf, »es ist mir lange geworden.«
»Ich habe nicht anders gekonnt«, entgegnete Witiko.
»Zählt nur auf mich, ich will Euch in allen Dingen beistehen«, sagte Wolf.
»Nun, ich werde es dir sagen, wenn ich deines Beistandes bedarf«, antwortete Witiko, »und werde dir dafür danken.'
»Es ist nicht Dankes halber«, sagte Wolf, »ich tue es gerne. Unser Herr ist strenge, er hat die ganze Welt gesehen, die Leute nennen ihn Fahrirre, ich habe es ihm aber nie gesagt. Sonst ist er auch gut.«
»Ich habe es erfahren«, sagte Witiko, »er ist immer gastlich gegen mich gewesen.«
»Ja, gastlich ist er«, sagte Wolf.
Witiko verabschiedete sich von Wolf, und ging in seine Wohnung.
In derselben saß der Mann, der die braunen Kleider hatte, auf einem Stuhle, und der Knecht Raimund saß auf einem andern Stuhle. Witiko sah, daß von den Speisen und den Getränken etwas verzehrt worden war. Raimund berichtete, daß die Pflege der Pferde vorüber sei, und daß sie jetzt ruhen könnten. Witiko nahm von den Speisen und Getränken nichts, und setzte sich auf einen Stuhl.
Es dauerte noch eine Zeit, bis die Sonne unterging. Da ertönte eine Glocke in dem Hause.
Witiko erhob sich, und ging mit Raimund und dem fremden Manne in den großen Saal.
In demselben war alles so zum Speisen angeordnet, wie es Witiko gesehen hatte, da er zum ersten Male in dem Hause gewesen war. Er wurde an das obere Ende des Tisches zu Heinrich und Wiulfhilt geführt. Heinrich stand obenan, Witiko wurde zu seiner Linken gewiesen, rechts war die Mutter und dann Bertha. Es waren auch noch zwei Männer am oberen Ende des Tisches, die Heinrich Dienstmannen, Hartnit und Liutolt, nannte. Die Leute des Hauses harrten weiter unten, bei ihnen waren auch der Knecht Raimund und der Mann in dem braunen Gewande. Heinrich sprach ein lautes Gebet, in das die Leute antworteten. Nach dem Gebete setzten sich alle nieder, und die Speisen wurden von zwei Mägden gebracht. Sie wurden alle zugleich auf den Tisch gestellt. Auf dem oberen Ende waren Fische, es war gebratenes Geflügel, es war Hirschfleisch, es waren Kuchen, es war Brot und Wein. Auf dem unteren Ende des Tisches war gebratenes Hammelfleisch, Bier und Brot.
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