Sewastopol. Лев Толстой
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Название: Sewastopol

Автор: Лев Толстой

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066112196

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СКАЧАТЬ und Tüchern, stutzerhafte Offiziere, – alles spricht uns von der Standhaftigkeit, dem Selbstvertrauen und der Sicherheit der Einwohner.

      Wir müssen in ein Gasthaus rechter Hand gehen, wenn wir ein Gespräch von Seeleuten und Offizieren hören wollen; hier werden jedenfalls Gespräche über die verflossene Nacht, über Fenjka, über den 24. geführt, darüber, wie schlecht und teuer man die Koteletts bekommt, und wie der und jener Kamerad gefallen ist.

      Hol's der Teufel, wie arg es heut bei uns ist! spricht mit Baßstimme ein bartloser Marineoffizier mit blonden Augenbrauen und Wimpern, der eine grüne, gestrickte Schärpe trägt.

      Wo ist das – bei uns? fragt ihn ein anderer.

      Auf der vierten Bastion, antwortet der junge Offizier, und wir betrachten unfehlbar mit großer Aufmerksamkeit und sogar mit einer gewissen Achtung den blonden Offizier bei den Worten: »auf der vierten Bastion«. Seine übermäßige Ausführlichkeit, sein Herumfuchteln mit den Händen, sein lautes Lachen und Sprechen, die uns erst keck erscheinen, erweisen sich als jene besondere prahlerische Stimmung, die leicht nach einer Gefahr über junge Leute kommt; wir denken, daß er anfangen wird, uns zu erzählen, wie arg es auf der vierten Bastion ist der Bomben und Gewehrkugeln wegen – weit gefehlt! arg ist es dort, weil es schmutzig ist. – »Man kann nicht nach der Batterie gehen, spricht er, indem er auf seine bis über die Waden mit Schmutz bedeckten Stiefel zeigt. Und heut habe ich meinen besten Kommandeur verloren, direkt in die Stirn ist er getroffen worden,« sagt ein anderer. – »Wer war es? Mitjuchin?« »Nein ... Nun, wird man mir endlich den Kalbsbraten geben ... Seid ihr Kanaillen!« fügt er hinzu, zu der Bedienung des Gasthauses gewandt. »Nicht Mitjuchin, sondern Abramow. Es war ein braver Kamerad – sechs Ausfälle hat er mitgemacht!«

      Am andern Ende des Tisches sitzen bei Koteletts mit Schoten und einer Flasche sauren Krimweins, sogenannten Bordeaux, zwei Offiziere von der Infanterie: der eine mit rotem Kragen und zwei Sternen auf dem Mantel, ein junger Mann, erzählt dem andern, mit schwarzem Kragen und ohne Sterne, von dem Treffen an der Alma. Der erstere hat schon ein wenig getrunken, und man merkt es an den Pausen, die er in seiner Erzählung macht, an dem unentschlossenen Blick, der zweifelnd zu fragen scheint, ob man ihm auch glaube, hauptsächlich aber an der allzu großen Rolle, die er in allem spielt, und weil alles zu furchtbar klingt, daß er stark von der strengen Wiedergabe der Wahrheit abweicht. Aber wir sind nicht in der Stimmung, diese Erzählungen mit anzuhören, die wir noch lange an allen Enden Rußlands werden zu hören bekommen; wir wollen so schnell als möglich auf die Bastionen, besonders auf die vierte, von der man uns so vieles und so verschiedenartiges erzählt hat. Wenn jemand sagt, er sei auf der vierten Bastion gewesen, so sagt er das mit besonderer Befriedigung und mit Stolz; sagt jemand: ich gehe auf die vierte Bastion, so sieht man ihm sicher eine kleine Erregung oder allzugroßen Gleichmut an; will man jemanden necken, so sagt man: dich sollte man in die vierte Bastion schicken; begegnet man Tragbahren und fragt: woher? – so bekommt man meist die Antwort: von der vierten Bastion. Es giebt überhaupt zwei völlig verschiedene Meinungen über diese schreckliche Bastion: die Meinung solcher, die nie dort waren und die überzeugt sind, daß die vierte Bastion das sichere Grab für jeden ist, der dorthin geht – und solcher, die dort hausen, wie der blonde Midshipman, und die, wenn sie von der vierten Bastion sprechen, uns sagen, ob es in der Erdhütte trocken oder schmutzig, warm oder kalt ist u. s. w.

      In der halben Stunde, die wir im Gasthaus zugebracht haben, hat sich das Wetter geändert: der Nebel, der über das Meer gebreitet lag, hat sich zu grauen, düsteren, feuchten Wetterwolken geballt und verhüllt die Sonne; ein trauriger Staubregen sprüht vom Himmel und netzt die Dächer, die Straßen und die Soldatenmäntel ...

      Wir gehen noch durch eine Barrikade hindurch, dann treten wir zur Thür heraus, wenden uns rechts und steigen auf einer langen Straße bergauf. Hinter dieser Barrikade sind die Häuser zu beiden Seiten unbewohnt, Schilder fehlen, die Thüren sind mit Brettern vernagelt, die Fenster eingeschlagen, hier ist eine Mauerecke fortgeschossen, dort ein Dach durchgeschlagen. Die Gebäude gleichen Veteranen, die alle Not und Sturm erfahren haben, und scheinen stolz und geringschätzig auf uns herabzusehen. Unterwegs stolpern wir über herumliegende Kanonenkugeln und fallen in Löcher voll Wasser, welche die Bomben auf dem steinigen Grunde gerissen. Auf der Straße treffen wir Soldatendetachements, Grenzkosaken, Offiziere. Bisweilen begegnen wir einer Frau oder einem Kinde, aber die Frau geht nicht in Weiberkleidung; sie ist eine Matrosenfrau und trägt einen alten Pelz und Soldatenstiefel. Wenn wir auf der Straße weitergehen und unter eine kleine Anhöhe gelangt sind, bemerken wir um uns nicht mehr Häuser, sondern sonderbare Trümmerhaufen – Steine, Bretter, Lehm, Balken; vor uns sehen wir auf einer steilen Anhöhe eine schwarze, schmutzige, von Gräben durchzogene Fläche, und dies vor uns ist die vierte Bastion ... Hier begegnen wir noch weniger Menschen, Frauen sind gar nicht zu sehen, die Soldaten gehen schnell, auf dem Wege zeigen sich Blutstropfen, und unfehlbar treffen wir hier vier Soldaten mit einer Tragbahre, und auf der Bahre ein fahlgelbes Gesicht und einen blutigen Mantel. Wenn wir fragen: »Wo ist er verwundet?« sagen die Träger ärgerlich, ohne sich zu uns zu wenden, am Bein oder am Arm, wenn der Kranke leicht verwundet ist; oder sie schweigen mürrisch, wenn auf der Bahre der Kopf nicht sichtbar und der Getragene bereits tot oder schwer verwundet ist.

      Das nahe Pfeifen einer Kanonenkugel oder Bombe, gerade da wir den Berg zu besteigen beginnen, überrascht uns in unangenehmer Weise. Wir begreifen plötzlich, und ganz anders, als wir es vorher begriffen haben, die Bedeutung der Kanonentöne, die wir in der Stadt gehört haben. Ein friedlich tröstliches Erinnern blitzt in unsern Gedanken auf; unser eigenes Ich beginnt uns mehr zu beschäftigen, als die Beobachtungen: die Aufmerksamkeit für alles, was uns umgiebt, nimmt ab, und ein unangenehmes Gefühl der Unentschlossenheit überkommt uns plötzlich. Wir achten dieser kleinlichen Stimme nicht, die bei dem Anblick der Gefahr plötzlich in unserm Innern sich vernehmen läßt, und bringen, – besonders da wir den Soldaten betrachten, der mit ausgebreiteten Händen über den flüssigen Kot schnell lachend an uns vorbei den Berg hinanklimmt, – diese Stimme zum Schweigen, strecken unwillkürlich die Brust vor, heben den Kopf empor und klettern den schlüpfrigen, lehmigen Berg hinauf. Kaum haben wir uns etwas auf den Berg hinaufgearbeitet, so beginnen rechts und links Kugeln aus Stutzen zu pfeifen, und wir denken vielleicht, ob wir nicht besser thäten, den Laufgraben entlang zu gehen, der mit dem Wege parallel läuft; aber der Laufgraben ist so voll von flüssigem, gelbem, übelriechendem, bis über die Knie reichendem Schmutz, daß wir unbedingt den Weg auf dem Berge wählen, umsomehr, als wir alle ihn gehen sehen. Zweihundert Schritt weiter gelangen wir zu einer aufgerissenen, schmutzigen Fläche, die auf allen Seiten von Schanzkörben und von Erdaufschüttungen umgeben ist, in denen sich Pulverkeller und Erdwohnungen befinden, und auf denen große gußeiserne Kanonen, mit regelmäßigen Haufen von Kugeln daneben, stehen. Das alles scheint uns ohne Zweck und Ordnung aufgetürmt zu sein. Da in der Batterie sitzt eine Schar Matrosen, dort in der Mitte des Platzes liegt eine halb in Schmutz versunkene, zerschossene Kanone; da geht ein Infanterist mit seinem Gewehr durch die Batterien und zieht mit Mühe seine Füße aus dem Schmutz. Aber überall, auf allen Seiten und allen Punkten, sehen wir Sprengstücke, nichtgeplatzte Bomben, Kanonenkugeln, Spuren des Lagerlebens, und das alles ist in flüssigen, morastigen Schmutz versunken; wir hören das Aufschlagen einer Kanonenkugel, hören die verschiedenen Töne der Gewehrkugeln, die wie Bienen summen, schnell pfeifen oder wie eine Darmsaite klingen, wir hören furchtbaren Geschützdonner, der uns alle erschüttert und mit furchtbarem Entsetzen erfüllt.