Название: Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth
Автор: Ödön von Horváth
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027226405
isbn:
SLADEK
Immer nur für das Ganze geopfert werden – wo bleibt denn da der Sladek?
FRANZ
Ich lasse mich nicht mehr hindern, hörst du?
SLADEK
Ja.
FRANZ
Du gehst mich nichts an.
SLADEK
Jetzt lügst du.
FRANZ
Meinst du?
SLADEK
Das ist nicht schön von dir.
RICHTER
Keine Privatgespräche! – Angeklagter! Leugnen hat doch keinen Sinn. Denken Sie an Gott.
STAATSANWALT
Gott kennt Sie, Sladek!
SLADEK
Mich kennt kein Gott. Meine Herren, was ist das: Gott? Ein alter Mann mit einem langen Bart. Was kennt der? Nichts kennt der, denn der lebt zu sehr weit droben, da sieht er auch nur das Ganze, das merkt man nämlich, denn wie es hier unten zu guter Letzt zugeht – Meine Herren! Mein Herr Verteidiger war so freundlich zu sagen, daß ich ein Gespenst sei – vielleicht –, aber ich bitte zu berücksichtigen, daß ich wahrscheinlich ein sogenanntes ungeborenes Gespenst bin. Meine Herren! Vielleicht hol ich das alles nach und vergeß das alles – Nehmen wir nur mal an: Ich hätt jemand ermordet, so bitt ich Sie trotzdem: Lassen Sie mich los, vielleicht wird doch was daraus, ich glaub nämlich allmählich selbst, daß ich noch ein sogenanntes ungeborenes Gespenst bin.
RECHTSANWALT
Ich beantrage, den Angeklagten auf seinen Geisteszustand hin untersuchen zu lassen.
SLADEK
Aber –
STAATSANWALT
Ich beantrage lebenslängliches Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte.
SLADEK
Wieso?
XI
Rummelplatz.
Mit Wachsfiguren, Karussell, Flohzirkus und Akrobaten. Die Sonne scheint.
LOTTE DAS MÄDCHEN
Heuer wird der Sommer schön. Ich hoffe, daß der Nordpol jetzt endlich überflogen wird.
EIN ANDERES MÄDCHEN
In der Zeitung steht, daß in London sieben zu eins für gewettet wird.
EIN DRITTES MÄDCHEN
Laß doch die Zeitung! Wart ihr schon bei dem Mann mit den Kamelbeinen und weiblichen Brüsten? Na so was! Da drüben ist übrigens der Zwerg, das ist auch ein Hermaphrodit – und in dem Kabinett steht das Bett von Haarmann, dem bekannten Massenlustmörder.
LOTTE
Nein, nicht in die Schreckenskammer, da streik ich! Ich vertrag keine Wachsfiguren, dann schon lieber richtige Verbrecher!
DAS MÄDCHEN
mit der Zeitung: Habt ihr das gelesen, daß wieder einer ausgerissen ist, ein Mörder, der ist bloß zwei Jahre gesessen – dann hat er einen Geldbriefträger überfallen, der hat ihm gleich alles gegeben, so, daß er jetzt fein heraußen ist. Das ist das Beste, nur gleich alles hingeben.
LOTTE
blickt in die Zeitung: Sieht so weit ganz nett aus.
DAS MÄDCHEN
mit der Zeitung: Das Profil ist gewöhnlich. Wer ihn fängt, kriegt tausend Mark.
DAS DRITTE MÄDCHEN
Ich würd ihn nie erkennen.
LOTTE
Es reißen zuviel aus.
DAS MÄDCHEN
mit der Zeitung: Vor drei Tagen der Verrückte – und sie haben ihn noch immer nicht, das ist doch gemeingefährlich.
LOTTE
Es ist alles so unwahrscheinlich.
Sladek erscheint.
DAS DRITTE MÄDCHEN
blickt in die Zeitung: Ja, die Hüte werden wieder breiter. Hoffentlich hält das Wetter, jetzt hat es jeden Sonntag geregnet. Ich hab keinen Mantel mit.
LOTTE
Es gibt schon keine Männer mehr. Man muß sich schon wirklich anstrengen als Frau. Nur gut, daß ich keine Jungfrau mehr bin.
DAS MÄDCHEN
mit der Zeitung: Das Bett von diesem Haarmann möcht ich schon gern sehen.
LOTTE
So geht doch! Ich warte hier – Sie stößt zufällig an Sladek an. Verzeihung!
DAS MÄDCHEN
Wir sind gleich wieder da. Ab mit dem anderen Mädchen.
LOTTE
Ich warte.
EINE HANDLESERIN
zu Sladek: Wollen der Herr sich nicht aus der Hand lesen lassen? Vergangenheit und Zukunft.
SLADEK
Danke.
DIE HANDLESERIN
Sehen Sie, das Fräulein interessiert sich schon für Ihre Zukunft –
LOTTE
schnippisch: Sogar sehr.
DIE HANDLESERIN
Hören Sie?
SLADEK
Ja, was kostet das mit der Zukunft?
DIE HANDLESERIN
Nur zwanzig Pfennig.
SLADEK
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